Herr Ruf, bei Ihren Touch-Panels mit eingearbeiteten Fingerführungen kommen PCT-Displays zum Einsatz. Können Sie uns zu Beginn das Funktionsprinzip eines projective capacitive touch skizzieren?
Raimund Ruf: Bei PCT-Displays wird ein durchsichtiger PCAP-Touchsensor auf die Rückseite des Frontglases laminiert. Hinter dem Sensor befindet sich dann das eigentliche Display. In das Frontglas können wir nun die Fingerführungen einarbeiten und damit klassische Hardware-Bedienelemente ersetzen. Da die Schalter und Tasten praktisch ‚hinter Glas‘ verschwinden, gibt es keinerlei Angriffsflächen mehr für Schmutz. Deshalb eignen sich die Panels für Umgebungen mit höchsten hygienischen Ansprüchen.
Besteht nicht die Gefahr, dass sich durch das Einarbeiten der Bedienerführung das Reflexionsverhalten des Touch-Sensors an den entsprechenden Stellen verändert und damit die Empfindlichkeit des Panels?
Raimund Ruf: Die Fingerführungen werden mit einem speziellen, patentierten Verfahren in das Panel eingefräst und sind nur rund einen Millimeter tief.
Die Funktionsweise des Touchsensors wird dadurch nicht im Geringsten beeinträchtigt. Aufgrund des Materialabtrags ist die Empfindlichkeit des Touchsensors an den bearbeiteten Stellen zwar minimal erhöht, in der Praxis hat das jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Bedienung.
Und die Handschuhbedienung funktioniert dort auch, oder ist das vor Jahren heiß diskutierte Thema inzwischen gelöst?
Raimund Ruf: Eine Handschuhbedienung zum Beispiel mit gängigen Arbeitshandschuhen stellt kein Problem dar. Die Fingerführungen können mit diesen Handschuhen genauso betätigt werden wie ohne. Die einzige Einschränkung sehe ich bei sehr dicken Handschuhen, zum Beispiel aus Leder oder Wolle. Durch das dicke Material kann der Bediener die Vertiefungen wahrscheinlich nicht mehr richtig ertasten oder fühlen. Auch die Funktion der Touchoberfläche wäre beim Bedienen mit dicken Handschuhen eingeschränkt.
Was ist an dem Verfahren denn patentwürdig?
Raimund Ruf: Das Patent umfasst das Verfahren für die ins Frontglas eingearbeiteten Fingerführungen, die wir in sämtlichen Formen einarbeiten können, zum Beispiel Slider oder auch ein Drehrad. Da die Führungen direkt über dem aktiven Bereich des Displays liegen, lassen sie sich flexibel in die Kundenapplikation einbinden. Die gesamte Displayoberfläche steht so für die Anzeige zur Verfügung. Zudem sind die Fingerführungen haptisch greifbar und ermöglichen eine blinde Bedienung. Der Maschinenführer braucht beim Einrichten also nicht mehr den Blick vom betreffenden Maschinenteil zu nehmen. B&R ist derzeit das einzige Unternehmen, das diese Methode für eine intuitive Bedienerführung anbietet.
Sind die Finger-Führungen denn mengenmäßig limitiert, abgesehen davon, dass es keinen Sinn macht, den ganzen Screen mit Riefen zu versehen?
Raimund Ruf: Die Anzahl an Fingerführungen ist nicht limitiert. Natürlich muss abgewogen werden, an welchen Stellen sie sinnvoll sind und die Bedienung des Panel vereinfachen oder Schalter ersetzen können.
Sind auch Bohrungen möglich, etwa um den essenziellen Notaus-Taster direkt ins Panel zu integrieren?
Raimund Ruf: Ja, auch Bohrungen im Frontglas sind möglich, aber nur außerhalb des Displaybereichs. Neben dem Notaus-Taster können so bei Bedarf auch andere elektromechanische Bedienelemente ins Panel integriert werden.
Welchen zeitlichen Vorlauf muss man denn bei einem Projekt einplanen?
Raimund Ruf: Die Panel mit Fingerführung werden für jeden Kunden speziell angefertigt und auf die jeweilige Applikation abgestimmt. Dieser Prozess braucht etwas mehr Zeit als die Integration eines Standard-Panels.
Das Interview führte Chefredakteur Stefan Kuppinger
‚Blinde‘ Maschinenbedienung
B&R hat für seine Touchpanel-Serien ein patentiertes Feature entwickelt: Optional können alle Panel-Varianten mit projiziert-kapazitivem-Touchscreen (PCT) mit individuellen Fingerführungen aufgerüstet werden. Diese UX-Erweiterung steht bereits bei kleinen Displays mit 5″ Diagonale zur Verfügung. Sämtliche Formen sind realisierbar, etwa Slider oder ein Drehrad. Diese in die Glasoberfläche eingearbeiteten, rund 1 mm tiefen Taster und Drehschalter lassen sich mattiert oder klar ausführen. Der Vorteil: Die eingearbeiteten Bedienelemente nutzen sich nicht ab, bieten keine Ansatzpunkte für Schmutz und verringern zudem die Engineering- und Montagekosten. Schließlich sind keine separaten Taster einzudesigen, zu beschaffen und zu verdrahten. Trotz der Integration ins Display sind die patentierten Fingerführungen haptisch greifbar und ermöglichen eine ‚blinde‘ Bedienung: Der Maschinenbediener kann zum Beispiel den laufenden Prozess beobachten und notwendige Einstellungen vornehmen, ohne den Blick von der Maschine abwenden zu müssen. Die Panel mit Fingerführungen eignen sich besonders für die Pharma- und Nahrungsmittelindustrie sowie für die Medizintechnik. Neben dem vollflächigen Touchscreen sind die Panel auch in einem fugenfreien Edelstahlgehäuse in Schutzart IP69K verfügbar. Für die hygienegerechte Konstruktion der Panel werden ausschließlich besonders resistente Werkstoffe, wie geschliffener Edelstahl, spezielle Polyesterfolien und robuste Dichtungswerkstoffe verwendet.
(sk)