Ingenieur mit Celus Engineering Platform kann manuelle und zeitaufwändige Arbeitsschritte bei der Elektronikentwicklung umgehen

Die neue Plattform ermöglicht es, in wenigen Minuten und auf Knopfdruck aus einem Konzept einen funktionsfähigen Schaltplan mit passender Stückliste sowie einen ersten Layout-Prototyp in nativen CAD-Formaten zu erstellen. (Bild: Celus)

Viele ungeliebte, manuelle Arbeitsschritte im Alltag der Elektronikentwickler lassen sich mittlerweile automatisieren. Immer neue Tools treten an den Markt und versprechen kürzere Entwicklungszeiten und Wettbewerbsvorteile. Aus Managementsicht sind dies schlagende Argumente, aber wie beeinflusst das tatsächlich die Arbeit und die Aufgabengebiete der Entwickler?

Vielversprechende Ansätze

Obwohl Elektronik „die“ Innovationsbranche ist, und stetig neue High-Tech-Produkte auf den Markt kommen, ist deren Entwicklungsprozess durch viele manuelle Schritte gekennzeichnet. In den letzten Jahren haben sich daher neue Softwareanbieter mit AI-basierten Tools an den Markt begeben, um verschiedene Aufgaben im Entwicklungsprozess zu automatisieren. Einige sehr interessante Technologien in diesem Bereich haben zum Beispiel die Unternehmen Cady aus Israel sowie Modelwise und Celus aus München entwickelt.

So bietet Cady ein SaaS-basiertes (SaaS: Software as a Service) System zur Inspektion elektrischer Schaltpläne an, das KI sowie Technologien aus der Bildverarbeitung nutzt. Das System liest und versteht Komponenten-Datenblätter im Kontext der Design-Dateien und prüft, ob die Schaltung mit den Anweisungen des Komponentenherstellers konform ist. Der daraufhin erstellte Report führt zahlreiche Fehlerquellen auf. Gute Beispiele hierfür sind fehlende Pull-Up-Widerstände,  Verletzungen der Spannungsbereiche oder vertauschte Pins.

Die Software von Modelwise ermöglicht automatisierte Analysen zur funktionalen Sicherheit – und zwar mit dem Ziel, Zeit zu sparen sowie Hürden bei Sicherheitsanalysen abzubauen. Die erstellten FMEDA-Analysen geben Einblicke in Compliance zu IEC 61508 & ISO26262.

Die Arbeit in der CELUS Engineering Platform beginnt mit der Formulierung der Anforderungen in einer grafischen Oberfläche, dem Design Canvas
Die Arbeit in der Celus Engineering Platform beginnt mit der Formulierung der Anforderungen in einer grafischen Oberfläche, dem Design Canvas. (Bild: Celus)

Die Zeit zur Erstellung von Schaltplänen auf ein Minimum verkürzen

Die Lösung von Celus wiederum zielt darauf ab, die Erstellung von Schaltplänen auf ein Minimum zu verkürzen, und um diese Lösung geht es im weiteren Verlauf dieses Beitrags: Die Celus Engineering Platform beginnt mit der grafischen Spezifikation der gewünschten Funktionen. Statt danach mühsam anhand von Datenblättern die passenden Komponenten zu finden, werden diese dem Nutzer gemäß den formulierten Anforderungen per KI vorgeschlagen. So kann jeder Ingenieur schon in wenigen Minuten und auf Knopfdruck aus seinem Konzept einen funktionsfähigen Schaltplan mit passender Stückliste sowie einen ersten Layout-Prototyp in nativen CAD-Formaten erstellen.

Ein wesentlicher Aspekt der Celus-Lösung ist die Cubo-Technologie, eine Art digitales Datenblatt, das sämtliche technischen Spezifikationen, sowie spezifische Zusatzinformationen des Anwenders speichert und so die Wiederverwendung von Designs innerhalb des Unternehmens ermöglicht. Ein Cubo ist im Grunde eine Reihe von Komponenten, die ein Funktionsmodul bilden. Die Struktur wird in Form von Schaltplänen, Stücklisten und dem PCB-Layout sowie Spezifikationen, elektrischen Anschlüssen und vielen anderen Attributen beschrieben, um sie zu definieren. Sein Verhalten wird durch eine Reihe von Schlüsselwörtern und Merkmalen definiert, ähnlich wie es ein Datenblatt für eine Komponente tut.

Das Design Canvas ist fester Bestandteil zum Definieren der Anforderungen im Rahmen der Celus Engineering Platform.
Das Design Canvas ist fester Bestandteil zum Definieren der Anforderungen im Rahmen der Celus Engineering Platform. (Bild: Celus)

Treiber oder Bremse der Innovation?

Im Gespräch mit Anwendern kam kürzlich der Einwand auf, dass die Automatisierung und Wiederverwendung von Daten ein Innovationsblocker sei, da man immer wieder auf bestehende Logik zugreife statt neue Ansätze zu entwickeln. Das ist ein valider Punkt, den es ernst zunehmen gilt.

Wenn wir unseren Kollegen vertrauen können, dass sie die beste Version eines Designs bereits erstellt haben, ist es sicherlich sinnvoll, deren Arbeit wiederzuverwenden. Sich dann jedoch zurückzulehnen und nicht über Optimierungen und Weiterentwicklungen nachzudenken, ist eine Sackgasse. Ein gutes Beispiel ist das Baukastenmodell in der Automobilbranche. Bestehende Module zu verwenden, heißt nicht, die Entwicklung eines ganzen Modells auf Eis zu legen.

Gleichzeitig ist es seit jeher so, dass aufgrund vieler manueller Arbeitsschritte Ingenieure ohnehin gerne auf bereits bekannte und erprobte Komponenten sowie auf Referenzdesigns zurückgreifen, weil sonst viele Termine gar nicht einzuhalten wären. Innovationsdruck und Zeitdruck – die berüchtigte Time-to-Market – sind seit jeher die größten Kontrahenten.

Celus sieht die Vorteile des eigenen Ansatzes vor allem darin, dass alle Anwender auch bei großen Bauteilbibliotheken und unzähligen Optionen für Komponenten nicht den Überblick verlieren und strukturiert arbeiten können. Die Millionen von Möglichkeiten werden „machbar“. Ingenieure müssen das Rad nicht jedes Mal neu erfinden und erhalten durch effiziente Automatisierung die Freiheit, neue, kreative Ideen ausprobieren.

Viel schnellere Redesigns von Schaltplänen

Auch, wenn nun z. B. durch eingeschränkte Komponentenverfügbarkeit das Design angepasst werden muss. Früher hat ein Redesign die Entwickler um Wochen in der Arbeit zurückgeworfen. Mit der Celus Engineering Platform kann dies kurzfristig erstellt werden.

Gleichzeitig können Nachwuchs-Ingenieure mit weniger Erfahrung nicht nur Zeit einsparen und neue Produktivitätsebenen erreichen; auch Fehlerquellen werden durch Wiederverwendung und KI reduziert. Im Hinblick auf Personalengpässe und Fachkräftemangel ist dies ein nicht zu unterschätzender Faktor. Hier ist ganz klar die Führungskompetenz der Teamleiter gefordert, die die Kompetenzen und Talente der Ingenieure bei der Projekt- und Aufgabenplanung entsprechend berücksichtigt.

Nach Auswahl der benötigten Komponenten werden diese per Knopfdruck nach Funktionalität auf dem Board angeordnet um sicherzustellen, dass es keine Platzprobleme oder Signal/Power Integrity Probleme gibt.
Nach Auswahl der benötigten Komponenten werden diese per Knopfdruck nach Funktionalität auf dem Board angeordnet um sicherzustellen, dass es keine Platzprobleme oder Signal/Power Integrity Probleme gibt. (Bild: Celus)

Die Herausforderung: Neue Tools, neue Prozesse

Automatisierung kann nur funktionieren, wenn neue Technologien und Software-Produkte zielführend implementiert werden. Die Rahmenbedingungen können in jedem Unternehmen unterschiedlich sein. Daher gibt es kein Vorzeigemodell für erfolgreiche Prozess-Automatisierung.

Vielmehr sollte man sich im Klaren darüber sein, wo die Reise hingehen soll und die folgenden drei Aspekte besonders beachten:

  • Identifizierung von Schwachstellen im Prozess.
    Ist die Schwachstelle tatsächlich mit neuer Technologie zu beheben oder liegen die Probleme an anderer Stelle? Eine ehrliche Ist-Analyse sollte die Grundlage einer Software-Evaluierung sein. Daher ist ein „Guided Trial“ als Grundlage für die Kaufentscheidung äußerst hilfreich.
  • Ist das Entwicklungs-Team in der Lage, eine Prozessumstellung zu verarbeiten?
    Eine Umstellung von Prozessen erfordert Zeit und Manpower – dies kann in einem ohnehin schwach besetzten Team zu frustrierenden Rückschlägen führen. Hier ist unter Umständen etwas längerer Atem gefragt, bis der gewünschte ROI (Return of Investment) realisiert ist. Gleichermaßen bringt das beste neue Werkzeug nichts, wenn die Mitarbeiter es nicht komplett in ihre Arbeitsläufe integrieren.
  • Allerdings mag der Mensch nur selten Veränderung. Wenn eine neue Software fest in den Prozessen etabliert werden soll, müssen die Mitarbeiter entsprechend abgeholt werden. Damit das gelingt, braucht es viel mehr als eine Tool-Schulung. Das beginnt bei Fragen nach dem "Warum?" und "Wozu?" über die Klarheit darüber, was sich ändert und was das genau heißt; es reicht bis zur Unterstützung in Form von Trainings und Coachings.

In anderen Worten: Wunder gibt es nicht, denn auch die beste Software muss installiert, implementiert, gelernt, akzeptiert und dann entsprechend bedient werden. Letztendlich ist auch das innovativste KI-Tool lediglich ein Werkzeug, dessen Effektivität von der richtigen Bedienung abhängt.

Zitat

Dr. Dieter Lederer ist Veränderungsexperte und Autor von „Der Change Code“
Dr. Dieter Lederer ist Veränderungsexperte und Autor von „Der Change Code“ (Bild: Dieter Lederer)

Ein Tool kann nur so gut sein, wie es implementiert und angewendet wird. Die Einführung einer neuen Technologie bedeutet eine wesentliche Veränderung, die als solche gehandhabt werden muss.

Zwei Punkte sind dafür seitens des Managements unabdingbar: Einerseits eine glasklare Entscheidung und Richtungsvorgabe, andererseits die angemessene Unterstützung der Mitarbeiter, um den Umgang mit der neuen Technologie zu lernen und zu verinnerlichen. Denn nur dann wird die Investition das bringen, was sie soll.
Dr. Dieter Lederer

Best Practices und neue Aufgabenfelder in der Elektronik-Entwicklung

In diesem Zusammenhang ist das Thema Best Practices nicht von unerheblicher Bedeutung. Werkzeuge können gemäß ihrer Funktion bedient werden, aber um skalierbaren Nutzen aus ihnen zu ziehen, gilt es, die Arbeitsmethoden unternehmensspezifisch festzulegen.

Ein gutes Beispiel gibt es im Bereich Verwaltung von Referenzdesigns. Wenn die Kollegen die Daten eines Entwicklers erfolgreich wiederverwenden sollen, müssen Sie diese zunächst in der Datenbank finden. Das klingt trivial, ist jedoch in der Praxis meist ein zeitraubender und nerviger Akt. Oft scheitert es an einheitlicher Nomenklatur, Datenhygiene oder einfach an Sorgfalt. Wenn es im Team keine Instanz gibt, die sich dieser Prozesse annimmt, schwächelt auch die beste Datenbanktechnologie über kurz oder lang, so dass dann Frustration vorprogrammiert ist.

Evaluierung von Konzepten anhand Guided Trial

Um unseren Interessenten die Möglichkeiten der Automatisierung in ihrem Team aufzuzeigen, bietet Celus einen geführten Evaluierungsprozess an. Damit sind die Teams in der Lage, die Plattform im Kontext ihrer spezifischen Aufgaben und Arbeitsweisen zu testen und sicherzustellen, dass der Automatisierungsansatz den bestmöglichen Nutzen bietet.

Hier ist es dringend notwendig, die Aufgaben der Teammitglieder gemäß ihrer Fähigkeiten und Erfahrung so zu verteilen, dass sie die Anforderungen bestmöglich erfüllen. Nur so besteht die Möglichkeit, die Automatisierungsmöglichkeiten der neuen Technologie vollends auszuschöpfen.

Aber wie werden sich die klassischen Rollen in Engineering-Teams im Laufe der fortschreitenden Technisierung wandeln, welche neuen Aufgabenfelder werden entstehen? Im Rahmen der Automatisierung ist das Thema Datenqualität omnipräsent, und mit zunehmender Automatisierung muss die Datenpflege gewährleistet werden, denn nur so kann man sicherstellen, dass fehlerhafte Informationen nicht verbreitet werden. Hier ist es durchaus denkbar, dass neue Aufgabenfelder auf die Ingenieure hinzukommen bzw. komplett neue Rollen im Team entstehen, zum Beispiel um die KI zielgerichtet zu füttern.

Checkliste: Tipps für die Einführung eines neuen Tools

  • Fachliche Evaluierung der Technologie: Kann das Tool meine Anforderungen erfüllen?
  • Definition und Kommunikation der Erwartungen: Was soll optimiert werden, welche Ziele gibt es für wen im Unternehmen?
  • Planung des Teams: Ein Tool ist nur so gut, wie es genutzt wird. Hier ist es wichtig, die Aufgaben der Anwender zu planen
  • Adoption/Training: Entsprechend der Ziele muss das Team geschult werden.
  • Leistungskontrolle: Erreicht das Tool die gesteckten Ziele? Regelmäßige Überprüfung und ggf. Anpassung des Einsatzes steigert die Produktivität.

KI: Nicht ob, sondern wann

Optimierung durch KI hat also längst Einzug in die Elektronikentwicklung gehalten. Die Nutzung bewährter Einstellungen und Designs hilft, Fehler zu vermeiden und die Vielseitigkeit zu verbessern, da Benutzer Komponenten schnell austauschen und Designs anpassen können, um sich an veränderte Marktbedingungen und Störungen anzupassen.

Doch trotz des stürmischen Fortschritts der Automatisierungstechnologie bleibt der menschliche Beitrag von größter Bedeutung. Fragen zum Einsatz dieser Technologie dürfen sich nicht darauf beziehen, was wir automatisieren können, sondern was wir automatisieren sollten. Kreativität und Innovation im Design werden nicht von KI, sondern von erfahrenen Ingenieuren vorangetrieben. Wenn wir Innovationen in der Elektronik vorantreiben wollen, brauchen wir immer das menschliche Gehirn.

Was automatisiert werden sollte, sind die manuellen und mühsamen Aufgaben, die die Zeit der Ingenieure verschwenden (Zeit, die sonst für wichtigere Bereiche aufgewendet werden könnte). Vollautomatisierung ist nicht der finale Wunschzustand, sondern der Turbolader, der die Kreativität in der Elektrotechnik befeuert.

Angesichts der aktuellen Marktgegebenheiten – sei es Fachkräftemangel oder Lieferengpässe bei Chips – ist die Frage nach dem „Wann“ klar mit „Jetzt“ zu beantworten. Die meisten Unternehmen, mit denen Celus tagtäglich spricht, probieren bereits viele verschiedene Ansätze aus. Hier gilt es nun, die neuen Technologien so zu implementieren, dass sie Mitarbeiter und Prozesse nachhaltig unterstützen und weiterentwickeln können.

Tobias Pohl, Mitgründer und Geschäftsführer von CELUS.
Tobias Pohl, Mitgründer und Geschäftsführer von Celus. (Bild: Celus)

Tobias Pohl

Tobias Pohl ist Mitgründer und Geschäftsführer von Celus. Das voll funktionsfähige Beispiel-Board in seiner Hand wurde mithilfe der Celus Engineering Platform binnen 30 Minuten entwickelt.

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