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(Bild: Marisa Robles)

Das diesjährige Motto des 21. EE-Kolleg „Wunsch und Wirklichkeit in der Elektronikfertigung“ sollte weniger besinnlich klingen, sondern schlicht aufzeigen, dass es bis heute in der Elektronikfertigung noch zahlreiche langjährige Dauerbrenner gibt. Viele davon haben in den letzten Jahren zwar ihren Schrecken verloren – aber eben noch nicht alle. Denn kaum eine zweite industrielle Fertigung ist in ihrer Komplexität und Variantenvielfalt mit der Produktion von elektronischen Baugruppen zu vergleichen. Ursächlich dafür sind die Elektronikprodukte selbst, die zu einer der wesentlichen Triebkräfte kultureller gesellschaftlicher Entwicklung weltweit geworden sind und die alle Lebensbereiche moderner Menschen durchdringen. Auf den SMT-Linien werden heute kleinste, smarte oder HF-fähige Produkte ebenso gefertigt wie gewichtige Leistungselektronik – und zwar auf kleinsten in Nutzen gebundene Flächen oder in XXL-Boards oder auf flexiblen starrflexiblen und dehnbaren Substraten. Zudem kommen fast täglich neue Bauelemente und Materialien auf den Markt, die in einem Aufbau- und Verbindungsprozess zu Produkten gefügt werden.

 

Herausforderungen in der AVT begegnen

Daher rückte das 21. EE-Kolleg die hierfür notwendigen Prozesse in den Mittelpunkt. Während der zweitägigen Fachtagung brachten Experten ihr Know-how „an die Oberfläche“ und berichteten über Wege, Methoden und Bottlenecks aus ihrer täglichen SMT-Praxis. In seiner Konferenzeröffnung beschrieb Dr. Hans Bell, Forschungsleiter von Rehm Thermal Systems und Moderator der zweitägigen Tagung, die „generische Kette“ der elektronischen Baugruppenfertigung, die beginnend mit der Leiterplatte über Inspektion und Pastendruck bis hin zu Löttechniken und der Wechselwirkung von Korrossion und Migration in und auf der Platine reichte. „Es gibt Dinge, die uns im alltäglichen Leben der elektronischen Baugruppenfertigung so manches Mal den linken und den rechten Schuh gleichzeitig drücken lassen. Das Programm soll helfen, sozusagen das Schuhdrücken mittels Fußeinlagen weitestgehend zu beseitigen.“

Wo also drückt der Schuh? Die Wertschöpfungskette entlang der elektronischen Baugruppenfertigung greift eng ineinander und macht imgrunde keinen Unterschied, mit welchen vielfältigen und komplexen Funktionen ein Produkt für welche umweltrelevanten Bedingungen ausgestattet sein muss, welche Signalwege notwendig und welche Stromtragfähigkeiten zu realisieren sind. Fakt ist, dass kein Elektronikfertiger, der auch in Zukunft im Wettbewerb bestehen will, sich irgendwelche Produktionsfehler erlauben darf. „Diese Welt, die wir uns mit 0 dpm so vorstellen, die gibt es nicht“, wirft er in die Diskussion und setzt sogleich nach: „Selbst im Universum ist immer noch eine Reststrahlung von 2,7 Kelvin* vorhanden. Sonst hätten wir Stillstand. Keine Fertigung dieser Welt, die absolut fehlerfrei produziert, kann sich weiterentwickeln. Fehler geben uns die Power, das eine oder andere aus uns und auch aus der Baugruppenfertigung herauszuholen. Aber manchmal ist der Weg zum Erfolg sehr, sehr schwierig zu bewältigen.“

Dauerbrenner Voids

Anhand des komplexen Themas Voids will Bell anschaulich darstellen, wie sich das „Puzzlespiel“ der Elektronikfertigung zusammensetzt und Fertigungsschritte voneinander abhängig sind. Voids stellten die Elektronikferiger bereits vor über 10 Jahren schon vor große Herausforderungen und sind heute wieder zum Modethema geworden, betont Bell: „Bereits vor über 10 Jahren gab es Arbeitsgruppen, die sich mit Voids beschäftigt haben. Aber auch heute noch gibt auch sehr, sehr viele Fragestellungen rund um dieses Thema.“ Bestimmende Themen sind nach wie vor, woher diese Gasblasen kommen und wie man sie aus den Lötverbindungen herausbekommt. Das Fehlen verbindlicher Normen ist ein weiteres großes Problem.

21. EE-Kolleg

Wie sehen die derzeitigen Herausforderungen in der Aufbau- und Verbindungtechnik aus und wie lassen sie sich am besten bewältigen? Das diesjährige EE-Kolleg mit den Veranstaltern Asys Group, ASM Assembly Systems, Balver Zinn, Christian Koenen, Kolb Cleaning Technology und Rehm Thermal Systems wollte den über 120 Teilnehmern wertvolle Tipps für die Praxis geben. In eine der nächsten Ausgaben der Productronic werden im zweiten Teil die verschiedenen Praxistipps der Referenten vorgestellt.

„Dass das Thema Voids wieder ganz aktuell geworden ist, zeigt sich darin, dass die Automobilindustrie einen Arbeitskreis unter dem Dachverband der DKE angeordnet hat“, erläutert er. Dabe gehe es darum wie sich das Voidsthema in der Normung so sichtbar und fassbar machen lässt, dass in der Elektronikfertigung künftig mehr Handlungssicherheit möglich ist: „Mit der derzeit vorgegebenen 30-Prozent-Marke konnte eigentlich nie jemand so richtig etwas anfangen“, umreißt er die Schwierigkeit, klarer Grenzen für Voids in Lötverbindungen. Die jüngst gegründete Arbeitsgruppe habe zum zweiten Mal getagt, berichtet er. „Sie hat sich vorgenommen, Voids in Verbindung mit der Zuverlässigkeit in eine Nomenklatur zu fassen. Beim zweiten Treffen der Arbeitsgruppe kam bereits heraus, dass man die verschiedenen Bauformen wie BGAs, LGAs oder QFPs in separate Gruppen zusmmenfassen muss. Nur so lässt sich über den Zusammenhang zwischen maximalen Voidingraten und Zuverlässigkeit diskutieren.“

Weshalb das Voidthema die Elektronikfertiger nicht loslässt, erläutert Bell anhand eines Beispiels. So kann etwa ein Bauteil selbst diesen Defekt in Form einer inhomogenen Kleberschicht in die Baugruppe einbringen. „Dadurch wird der Defekt oder Fehler unbemerkt in eine Fertigung hineingeschleust. Mit den Fertigungstechnologien ist es nicht möglich, diese Voids zu beeinflussen.“ Welche Grenzwerte lassen sich da sinnvoll festlegen? Wie lassen sich diese Grenzwerte in der realen Fertigung nachweisen. Bringen die Systeme überhaupt die Information, die vielleicht mit irgendeiner Norm korrespondieren? Zwar sind die Systeme und Anlagen entlang der SMT-Linie wie Bestückautomat, Schablonendrucker, Lötanlgen und Inspektionssysteme im Laufe der Jahre immer präziser und leistungsfähiger geworden. Jedoch ist der Elektronikfertiger damit konfrontiert, dass die Baugruppen einerseits immer höhere Packungsdichten auf immer kleiner Fläche und andererseits die Leistungselektronik immer neue Anforderungen stellt. Elektronische Baugruppen mit beispielsweise einem 24-lagigen Aufbau, mit embedded und stacked components sind da keine Seltenheit mehr. „Also haben wir in der realen Fertigung doch eine ganze Menge zu tun: Um mit den immer komplexer werdenden Baugruppen Schritt halten zu können, werden wir nicht umhin kommen, Equipment zu installieren, um all die Fragestellungen rund um die Baugruppe, beantworten zu können“, resümiert Bell.

Fußnote:

*Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist hier die kosmische Hintergrundstahlung. Sie ist eine Mikrowellenstrahlung, die aus der Frühzeit des Universums, dem Urknalls stammt. Eher zufällig wurde sie von den beiden Bell-Labs-Wissenschaftlern Arnold A. Penzias und Robert W. Wilson Anfang der 1960er Jahre entdeckt. Es gelang ihnen, den ersten experimentellen Nachweis der Strahlung zu liefern, wofür sie 1978 den Nobelpreis für Physik erhielten. Im Jahr 1989 bestätigte die COBE-Mission diese Entdeckung: Der Satellit ermöglichte es, den kurzwelligen Anteil der kosmischen Hintergrundstrahlung zu erfassen: Mit DMR (Differential Microwave Radiometer) wurden Temperaturschwankungen zwischen verschiedenen Stellen am Himmel von 10-5 gefunden und mit FIRAS (Far Infrared Background Experiment) wurde der spektrale Verlauf der kosmischen Hintergrundstrahlung gemessen. Sie entspricht extrem genau dem Spektrum eines Schwarzen Körpers mit einer Temperatur von 2,725 ± 0,002 K. Durch weitere Messungen vom Boden aus und mit Hilfe des Satelliten WMAP, der 2001 gestartet wurde, konnten die Ergebnisse bestätigt werden. (Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie)

Marisa Robles

Chefredakteurin Productronic

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