Bereits zum sechsten Mal findet das Elektronik-Technologie-Forum Nord – kurz ETFN – statt und hat sich längst in der Elektronikbranche etabliert. Gerade weil in der internationalen Wettbewerbssituation neben Fach- und Prozesswissen auch die Forderung nach einer Reduzierung der Fertigungskosten immer mehr in den Vordergrund drängt, sind konkrete Lösungsansätze und innovative Ideen gefragt. Der optimale Mix aus Theorie und Praxis zu aktuellen Themen sowie Trends in der Elektronikindustrie ist das, was das ETFN zu einem der wichtigsten Events der Elektronikbranche gemacht hat. 2009 als Plattform für nordeuropäische Anwender gestartet, hat die heutige Kongressmesse ihren festen Platz im Kalender der Branche.
Auf die vielfältigsten Bedürfnisse zugeschnitten
Das ETFN hebt sich deutlich von den üblichen Technologietagen oder Messekonzepten ab, gerade weil auf die vielfältigen Bedürfnisse der Anwender konkret eingegangen wird. Das Besondere: Die Elektronikequipmenthersteller entlang der elektronischen Baugruppenfertigung haben sich unter der Federführung von Seho Systems ein auf den Anwender zugeschnittenes Forum selbst organisiert. Ohne einen zwischengeschalteten Messeorganisator hat man seit der ersten Veranstaltung einen fundierten Wissens- und Know-how-Transfer initialisiert, der sozusagen für das Motto „aus der Praxis – für die Praxis“ steht. Zudem wollte man auch auf die Anforderungen der Elektronikhersteller in der Region Norddeutschland eingehen und so ein Gegengewicht zu den Messe-Metropolen München (Productronica) und Nürnberg (SMT Hybrid Packaging) bilden. Seho hat auch dieses Mal die Organisation des Elektronik-Technologie-Forums Nord inne, das mittlerweile von 16 hochkarätigen Unternehmen der Branche getragen wird. Der Fokus des ETFN liegt dabei auf der Kombination aus dem theoretischen Wissen im Forumbereich und der Praxis mit Produktionssystemen an den Ausstellerständen. Die Besucher können sich ihr persönliches Programm selbst gestalten und bei den Vorträgen im Forumbereich genau diejenigen für sich selektieren, die für ihr spezielles Fachgebiet von Interesse sind.
Beim 6. ETFN im Januar 2017 erwarten die Besucher impulsgebende Vorträge, die theoretische Aspekte beleuchten, neue Prozesstechnologien vorstellen und zur Diskussion stellen, aber auch aktuelle Forschungsergebnisse präsentieren. Hochkarätige Gastredner aus Wissenschaft und Industrie runden das Programm ab. Durch die Vorträge führt Dr.-Ing. Andreas Reinhardt, Leiter Forschung und Entwicklung bei Seho. Nach einem Studium der Mechatronik an der Universität Erlangen-Nürnberg war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS), Bereich Elektronikproduktion. Danach war er Gruppenleiter der Elektronikproduktion am Lehrstuhl und ist seit 2014 Forschungsleiter bei Seho.
Parallel zu den Vorträgen bietet eine virtuelle Fertigungslinie an den 16 Ausstellerständen „Technik zum Anfassen“ mit innovativem Equipment und neuen Fertigungslösungen. Also Expertenwissen aus allen Bereichen der Supply Chain.
Konkrete Praxistipps in den Vorträgen
Ein großes Thema bei den verschiedenen Lötverfahren ist in aller Regel die Stickstoffversorgung. Der Vortrag von Maximilian Meindl von Inmatec gibt praktische Tipps, die geeignete Versorgungstechnik für die verschiedensten Lötapplikation zu finden – egal ob aus Tank, Bündel oder aus Eigenversorgung.
Lunkerfreie Lötstellen sind bereits heute, aber noch viel mehr in Zukunft bei vielen Produkten unumgänglich. Um im Serienbetrieb auch bei lunkerfreien Lötanwendungen ein großes Prozessfenster nutzen zu können, ist die Auswahl des richtigen Lötverfahrens von entscheidender Bedeutung. Hier bietet die erprobte Clean Vacuum und Multi Vacuum Technologie einen entscheidenden Vorteil. Der Vortrag von Axel Wolff von Asscon Systemtechnik-Elektronikerklärt zum einen das Verfahrensprinzip, zeigt aber zum anderen auch Nutzen und Vorteile dieser Löttechnologie.
Möchte man eine Lösung zum Bedrucken von extrem langen Leiterplatten, ist man beim Vortrag von Torsten Vegelahn, Asys Automatisierungssysteme, richtig, denn der Druckprozess bei sehr langen Leiterplatten bringt neue Herausforderungen für Mensch und Maschine mit sich. Es ist allgemein bekannt, dass die Leiterplatte zur Schablone ausgerichtet werden muss. Meist werden dazu zwei Marken verwendet, die jedoch bei extrem großen Leiterplatten nicht ausreichend sind. Es kommt über die Länge und den Verzug der Leiterplatte unweigerlich zum Druckversatz. Das Multistep-Verfahren bietet hier eine Lösung, die den Verzug kompensiert und dadurch das Druckergebnis optimiert.
Smart Factory und Industry 4.0
Alle reden von Smart Factory und Industry 4.0, ein Thema nicht nur in der allgemeinen Fertigungsindustrie, sondern auch in der Elektronikfertigung. Naturgemäß spielt die Automatisierung hierbei eine große Rolle. Aktuell sind die Schnittstellen der Maschinen häufig noch auf den Menschen abgestimmt. Sollen in Zukunft jedoch Roboter einen Teil der Aufgaben übernehmen, müssen diese Schnittstellen angepasst werden. Der Vortrag von Norbert Heilmann, ASM Assembly Systems, zeigt Ansätze auf, wie Lösungen für dieses Problem in der Zukunft aussehen könnten. Waren beispielsweise Auto Splice Feeder ein erster Ansatz, ist nun die neue Bulk Feeding Technologie die logische Weiterentwicklung. Norbert Heilmann stellt die Vernetzung auf der Hardware-Ebene dar und zeigt den Weg von der am Menschen orientierten Bestückungsmaschine zur Roboter geeigneten Produktionsanlage.
Eine Antwort auf die wachsende Individualisierung von Produkten sowie den permanenten Qualitäts- und Kostendruck bietet eine atmende Fertigung in einem Lean Production Umfeld, meint Arne Neiser von Seho. Durch intelligente Automatisierung wird ein optimales Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine erreicht. Neiser stellt in seinem Vortrag vor allem die für die Löttechnik relevanten Prinzipien und ihre grundsätzlichen Anforderungen dar und zeigt Lösungen sowohl für flexible Inselfertigungen als auch für hochvolumige Fertigungen mit flexiblen Arbeitsplätzen an einer zentralen Produktionsanlage. Mit dem passenden Fertigungskonzept kann der Workflow deutlich verbessert und Produktionskosten gesenkt werden. Reinigen: Fluch oder Segen, unter diesem Motto steht der Vortrag von Bert Schopmans, Kolb Cleaning Technology. Er versucht anhand vieler Beispiele darzustellen, warum das Thema Baugruppenreinigung immer häufiger in den Fokus der Elektronikfertigung rückt.
Den ersten Tag beschließt eine Keynote von Prof. Dr.-Ing. Mathias Nowottnick, Direktor des Instituts für Gerätesysteme und Schaltungstechnik an der Universität Rostock. Er stellt aktuelle Forschungsergebnisse zur beschleunigten Alterung elektronischer Baugruppen vor und stellt bewusst die Frage, ob die Ergebnisse vergleichbar sind.
Lean Management schafft Wettbewerbsvorteile
Der zweite Tag startet mit einer weiteren Keynote von Dr. Werner Laub des Unternehmens Staufen. Staufen fokussiert als Experte für Lean Management und Lean Production auf die kontinuierliche Verbesserung der Wertschöpfung, denn Führen und Arbeiten nach Lean Prinzipien vermeidet Verschwendung, erhöht die Produktivität der gesamten Organisation und verbessert die Qualität der Produkte. Dr. Laub greift in seinem Vortrag das allgegenwärtige Thema Industrie 4.0 auf und setzt es in den Kontext zum Lean Management. Unter dem Motto Lean meets Industry 4.0 wird er einen Blick in die Zukunft werfen und praktikable Lösungsansätze beleuchten.
Den thematischen Faden führt Nico Coenen von Mycronic fort. Sein Vortrag befasst sich mit den Lotpasten in Elektroniken der Zukunft. Die vierte industrielle Revolution trifft auf den Lotpastenauftrag, so ließe es sich zusammenfassen. Welche technologischen Trends fordern den herkömmlichen Lotpastenauftrag in der Zukunft heraus und worauf muss die Branche sich jetzt schon vorbereiten.
Praktischer wird es dann wieder im Vortrag von Christoph Verrieth, Spectro Analytical Instruments. Da die Überwachung der Lotzusammensetzung im Fertigungsprozess essenziell für das Erreichen reproduzierbarer Lötergebnisse ist, muss eine zuverlässige Metallanalyse gewährleistet sein. Dafür eignen sich spezielle Spektrometer. Verrieth geht in seinem Vortrag auf den Geräteaufbau ein und beschreibt die Probenahme und Analyse.
reichlich stoff für diskussionen
Dieser kurze Abriss der Vorträge und Keynotes belegt sicher, dass das ETFN auch 2017 wieder einen hochinteressanten Mix von Fachvorträgen bietet. Die vielfältigen Bedürfnisse der Elektronikindustrie werden explizit aufgegriffen und beleuchtet und bieten sicherlich reichlich Diskussionsstoff auch abseits der Vortragsreihen. Gepaart mit innovativem Fertigungsequipment, Expertenwissen und der Möglichkeit zum Networking hebt sich das ETFN damit deutlich von den üblichen Technologietagen oder Messekonzepten ab.
Das neue Traumpaar in der Fertigung
Die moderne Elektronikfertigung ist geprägt von einer Vielzahl an Verfahren: Verbindungs- und Trenntechniken mittels Lasern, Löten, Schweißen oder Kleben sowie Oberflächenbearbeitungen wie Bohren, Laminieren, Schleifen, Sintern, Markieren oder Fräsen. Dabei entstehen Schadstoffe, die in die Luft gelangen und die Gesundheit der Mitarbeiter sowie die Fertigungs- und Produktqualität beeinflussen können. Darüber hinaus geben Berufsgenossenschaften und gesetzliche Regelungen strenge Richtlinien zum Arbeitsschutz vor. Über die reine Luftreinigung hinaus gibt es Lösungen, die auch andere Aufgaben abdecken und sich dabei flexibel auf sich ändernde Ansprüche anpassen lassen. Dies können beispielsweise mobile oder integrierte Lösungen sein, die zur Ionisierung beitragen, zur Reinigung oder zu einem komplett barrierefreien ESD-Schutz. Der Vortrag von ULT wird den Spagat zwischen reiner Luft und barrierefreiem ESD-Schutz darlegen.
Uwe Süllwold von Werner Wirth zeigt auf, dass Leiterplattenklemmen nicht gleich Leiterplattenklemmen sind. Denn SMD-Leiterplattenklemmen sind alles andere als 0815, so lautet sein Vortrag und er greift somit wieder ein Thema aus der Praxis für die Praxis auf – ganz nach dem Leitmotiv der Veranstaltung. Er beleuchtet Leiterplattenklemmen in großer Ausführung für SMD-Anwendungen im Raster 3,5 und 5,0 mm und zeigt, auf welche Besonderheiten man bei dieser Bauweise trifft. Zudem konkretisiert er die Anforderungen an die Materialauswahl und die Konfektionierung.
Mit Hintergrundwissen und anhand von Praxisbeispielen aus der Automobilindustrie wird Andreas Türk von Göpel electronic den effektiven Einsatz der Inline 3D-Röntgeninspektion darstellen.
Sven Nehrdich von Jenaer Leiterplatten zeigt in seinem Vortrag die Möglichkeiten der Kennzeichnung von Leiterplatten zur Rückverfolgbarkeit auf und geht dabei sowohl auf die Notwendigkeit als auch die Vorteile einer Serialisierung ein.