Ohne unsere elektronischen Helfer könnten wir heute nicht mehr bestehen: Die Elektronik hat sich beginnend mit dem Smartphone als Wecker am Morgen bis hin zum Fernseher am Abend unentbehrlich gemacht. Kein Wunder also, wenn Analysten davon ausgehen, dass die Elektronikindustrie mit einem Gesamtumsatz von 2,032 Mrd. Dollar (2017) nach der Chemieindustrie die zweitgrößte der Welt ist.
Unterteilt in Segmente bildet die C-Gruppe (Computer, Communication und Consumer) mit 60 Prozent (1,190 Mrd. Dollar in 2017) den größten Anteil der Elektronikindustrie. In der Herstellung profitieren die europäischen Leiterplattenhersteller kaum davon, denn die Musik spielt unangefochten in Asien. Doch die Analysten tun sich zunehmend schwerer, die Segmente sauber zu trennen, berichtet Michael Gasch, Geschäftsführer von Data4PCB: „Bestes Beispiel ist hier das Smartphone: Ist es ein Computer, ein Consumer oder letztlich ein Communication Device? Die Grenzen verschwimmen hier zusehends.“
Goldgrube 5G
Rund ein Fünftel der weltweiten Elektronikproduktion wird durch das Marktsegment Communication bestritten. Darunter fallen mobile und ortsfeste Geräte und deren Infrastruktur. Gerade die mobilen Geräte treiben die Nachfrage nach starrflexiblen und flexiblen Substraten an. Beherbergte ein iPhone 7 lediglich eine starrflexible und 14 flexible Platinen, so benötigt das jetzige Modell iPhone X bereits acht starrflexible und 15 flexible Platinen. Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G, der aller Voraussicht nach ab 2020 installiert werden wird, wird sich der Hunger nach mobilen Geräten und auch nach fortschreitender „smarter“ Digitalisierung noch weiter vergrößern.
Als Nachfolgestandard von LTE verspricht 5G eine deutlich höhere Bandbreite, als sie bisherige Netze auffahren können. Konkret: ultrakurze Latenzzeiten von unter 1 ms, Spitzenübertragungsraten von 10 Gbit/s oder höher, weltweit verfügbare, robuste Funkverbindungen bei drastisch geringerem Stromverbrauch kombiniert mit der Möglichkeit, die Position der Objekte zu bestimmen. Damit bringt 5G wichtige Voraussetzungen für professionelle Anwendungen mit wie die flotte Kommunikation zwischen Objekten und deren automatisierte Steuerung. Deshalb haben die Elektroindustrie und die Telekommunikationsbranche die Initiative „5G-ACIA“ gegründet.
Gespannt blickt auch die Automobilindustrie auf den kommenden 5G-Standard als zukunftsweisende Technologie, mit der Fahrzeuge miteinander kommunizieren können. Denn 5G nutzt andere Frequenzbänder mit sehr hoher Datenflussgeschwindigkeit. Damit sollen künftig Autos in die Lage versetzt werden, riesige Mengen von Daten weitaus schneller auszutauschen als dies heute möglich ist. Das wiederum ist die Grundvoraussetzung für autonomes Fahren.
„Der Mobilfunkstandard 5G wird voraussichtlich eine Goldgrube für die Leiterplattenhersteller darstellen“, ist Michael Gasch zuversichtlich. Allerdings hat der Branchenkenner auch mahnende Worte parat. „Um davon profitieren zu können, werden hohe Investitionen nötig, da andere Leiterplattentechnologien und Prozesse gefordert sein werden. Das werden nur wenige Leiterplattenhersteller leisten und somit von den Auswirkungen von 5G profitieren können.“ Weiterhin zu kämpfen haben werden die Platinenhersteller mit den immer kürzeren Produktlebenszyklen.
Der europäische Platinenmarkt
Europäische Platinenhersteller halten auch weiterhin die Stellung in den Marktsegmenten Industrieelektronik und Medizintechnik. Wenngleich auf diese Marktsegmente 15 Prozent des weltweiten Platinenumsatzes entfallen, stammen gut 10 Prozent davon aus der europäischen Produktion. Dass dem so ist, liegt daran, dass „diese Marktsegmente dedizierte Zertifizierungen fordern, die nicht einfach zu bekommen sind“, begründet Michael Gasch den starken europäischen Marktanteil in der Industrie- und Medizinelektronik. Beide Branchen treiben die Miniaturisierung kontinuierlich voran, da die Nachfrage nach mobilen Geräten immer höher wird. Auch in diesen Marktsegmenten werde 5G die Entwicklungen vorantreiben, prognostiziert Gasch: „Durch die hohe Bandbreite wird es künftig leichter sein, Fernwartungen von Maschinen und Anlagen kombiniert mit sofortigem Eingreifen durchführen zu können.“
Den Hunger nach Leiterplatten spürt auch die Automobilindustrie. Derzeit stellen elektronische Geräte und Steuerungen etwa 35 Prozent der Herstellungskosten eines Mittelklassewagens dar. Bis zum Jahr 2030 soll dieser Anteil auf 50 Prozent klettern, prognostizieren Marktforscher, die hierbei nicht die Elektroautos oder autonome Fahrzeuge berücksichtigt haben.
Das hört sich im ersten Moment positiv an. Doch der Schein trügt. 10 Prozent der weltweiten Leiterplattenproduktion fließen in den Automotivebereich. Komfortelektronik und Sicherheitsanforderungen und der langsam zunehmende Anteil an Elektroautos beflügeln zwar den weltweiten Umsatz auf 8 Mrd. Dollar bis 2020. Jedoch hat sich der europäische Weltmarktanteil von 13 Prozent in 2010 bis 2017 halbiert. Unter den 10 wichtigsten Automobilzulieferern aus der Leiterplattenindustrie findet sich nur AT&S als einziger europäischer Leiterplattenhersteller.
Die weltweite Leiterplattenproduktion stagnierte in den Jahren 2011 bis 2016, stieg aber in den Jahren 2017 und 2018 deutlich an. Dies wurde durch eine Änderung der Erfassungs-Methodik bei starrflexiblen und flexiblen Platinen verursacht, berichtet Gasch: „Da diese Substrate extrem dünn und damit schwer zu handhaben sind, müssen die Leiterplattenhersteller bestimmte Bestückungen anbieten.“
Der Prozentsatz war in früheren Jahren relativ stabil und galt für fast alle Anwendungen gleichermaßen. Inzwischen hat sich aber im Spitzensegment der Wert der zu bestückenden Bauteile erheblich verändert, sodass nunmehr der Bruttowert deutlich gestiegen ist.
Etwa 223 Platinenhersteller gibt es laut Data4PCB derzeit in Europa (Stand: 2017). Sie erzielten einen Umsatz von 1832,8 Mio. Euro. Die Spitzenposition belegt Deutschland: 61 Unternehmen trugen mit 788,3 Mio. Euro zum europäischen Gesamtumsatz bei. Die DACH-Region nimmt zwei Drittel der paneuropäischen Produktion ein. Für 2018 geht Gasch von einem moderaten Wachstum auf etwa 1847 Mio. Euro aus.
Bremsend wirken sich seiner Ansicht nach die politischen Unabwägbarkeiten wie der Brexit und der sich zuspitzende Handelskonflikt zwischen den USA und China aus. Aber auch die Verknappung von Bauteilen und der Nachfragerückgang in der Automobilindustrie haben einen Einfluss auf die Marktentwicklung. Die schwache Konjunktur und der Zollkrieg führen zu weniger Autoabsatz und damit auch zu weniger Elektronik. Hinzu kommt der WLTP-Standard, wodurch der Autoverkauf ebenfalls gedrosselt wird. Die Zulieferindustrie wie etwa Schweizer Electronic hat schon teilweise Kurzarbeit angemeldet. Die Kupfer-Lieferengpässe des Vorjahres, die durch die rasante Nachfrage in der Batterieherstellung für Elektro- und Hybridfahrzeuge verursacht waren, sind inzwischen weitgehend überstanden, doch stiegen die Lieferzeiten und Preise für Kupferfolie.
SMT connect 2019:
ZVEI: Halle 4A, Stand 125
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