
(Bild: TITV)
Bei konventionellen industriellen Lötprozessen, also beispielsweise beim Reflowlöten, beim Heißluftlöten oder beim Laserlöten, die üblicherweise in der Elektronik zur Kontaktierung elektronischer Bauelemente angewendet werden, kommt es zu einer hohen thermischen Belastung des umgebenden Leiterplattenmaterials. Die herkömmlich eingesetzten Substrate sind für solche Belastungen ausgelegt und halten diesen Belastungen daher problemlos stand. Bei leitfähigen textilen Applikationen, bei denen elektronische Bauelemente löttechnisch auf dem Textil kontaktiert werden, ist dies jedoch nicht der Fall.
Durch die Wärmeeinwirkung kommt es zu Schrumpfungsprozessen oder sogar zum Durchbrennen des Textils. Daher sollte der Wärmeeintrag, der zum Aufschmelzen des Lotes notwendig ist, möglichst gering gehalten werden. Dies geschieht durch den Einsatz niedrigschmelzender Lotpasten. Die thermische Schädigung des umgebenden Textils lässt sich zusätzlich durch den Einsatz spezieller Lötverfahren minimieren.
Das Reflowlötverfahren hat für Textilien den Nachteil, dass das gesamte Substrat beim Lötprozess erhitzt wird. Daher sind für textile Applikationen Selektivlötverfahren, insbesondere das Laserlöten, von besonderem Interesse. Das Laserlöten stellt aber hohe Anforderungen an die Positioniergenauigkeit des Laserstrahls und es besteht die Gefahr der lokalen Schädigung oder gar der Zerstörung des umliegenden Gewebes, wenn der Energieeintrag zu hoch eingestellt ist. Außerdem können nur Bauelemente mit außen zugänglichen Kontaktflächen kontaktiert werden. Das Induktionslöten wird zwar in der Elektronikindustrie selten angewendet, bietet aber gerade bei textilen Applikationen viele Vorteile.
Beim Induktionslötverfahren werden nur die leitfähigen Komponenten (elektrisch leitfähiger Faden und Anschlusspins der elektronischen Bauelemente) durch elektromagnetische Induktion erwärmt, sodass hier keine direkte Erwärmung am Textil auftritt und somit die Schädigung des Textils minimiert wird.
Lösungsweg/Forschungsergebnisse
Eine von ATN Automatisierungstechnik Niemeier speziell entwickelte Induktionslötmaschine wurde hierbei so konzipiert, dass der Lötkopf nicht oberhalb der Lötstelle angeordnet ist, wie es bei den Standardmaschinen des Herstellers der Fall ist. Hintergrund war dabei der Plan, die Löteinheit nachträglich in einen vorhandenen Maschinentisch einer Textilmaschine integrieren zu können. Der Lötkopf wird daher bei diesem Maschinenkonzept von unten an die Lötstelle herangeführt, wobei das Textil in einem positionierbaren Klemmrahmen eingespannt wird.
Es erfolgten Lötuntersuchungen auf textilen Substraten, in denen metallisierte Fäden oder feine Drähte eingearbeitet sind. Die Lötergebnisse dieser Versuchsproben wurden mit Versuchsproben verglichen, die mittels Handlöten, Laserlöten und Reflowlöten hergestellt wurden. Weiterhin wurde die Zuverlässigkeit der Kontaktierungen mittels speziell entwickelter Prüfverfahren ermittelt. Anhand eines Demonstrators ließ sich die Einsetzbarkeit des Induktionslötverfahrens bei textilen Applikationen nachweisen.
Bei den Lötuntersuchungen zeigte sich, dass die eingestellten Lötparameter entscheidend für das Lötergebnis sind und dass diese Parameter von vielen Faktoren abhängig sind:
- Lötzeit
- Lötleistung
- Programmiertes Lötprofil
- Menge der aufgebrachten Lotpaste
- Abstand der Induktionsspule zum Gewebe bzw. zur Leiterbahn
- Spulenform der Induktionsspule
Die Dimensionen der Leiterbahnen, deren Leitfähigkeit und insbesondere auch die Dimensionen des zu kontaktierenden, leitfähigen Bauteilpins haben weiterhin entscheidenden Einfluss auf das Lötergebnis und sind bei der Einstellung der Lötparameter zu beachten. Der Energieeintrag an der Lötstelle muss so gering wie möglich eingestellt werden. Bei zu hoch eingestellten Lötleistungen kann es zum Ausfall der elektronischen Bauelemente und zur Schädigung am Textil kommen. Bei optimal eingestellten Parametern lassen sich qualitativ gute Lötstellen herstellen, bei denen das textile Grundmaterial nicht beziehungsweise nur minimal geschädigt wird. Ein Fixieren der Bauteile beim Induktionslötprozess, zum Beispiel mittels eines vorher aufgebrachten SMD-Klebstoffes ist sinnvoll und verbessert die Haftung der Bauteile. Dadurch wird auch ein mögliches Abheben der Bauteile beim Lötvorgang verhindert.
Die Form und Größe der Induktionsspule kann individuell an die Lötstellen und an die Bauformen der elektronischen Bauelemente angepasst werden. Somit lassen sich auch Bauteile mit mehreren und untenliegenden Anschlusspins (zum Beispiel RGB-LEDs) in einem Lötvorgang kontaktieren. Mit einer solchen, selbst dimensionierten Induktionsspule wurde ein textiles RGB-Display als Demonstrator realisiert, bei dem die Leiterbahnen aus Elitex-Fadenmaterial sticktechnisch auf dem textilen Trägermaterial aufgebracht wurden. Bei diesem Display ist jede LED in ihrer Farbe und in ihrer Helligkeit einzeln programmierbar. Die verwendete Induktionslötanlage gestattet auch eine teilautomatisierte Fertigung, bei der die Positionierung des Textils zur Lötschleife und der Lötvorgang programmierbar sind. Somit können mehrere Lötstellen hintereinander verlötet werden. Das Dispensen der Lotpaste und die Bauteilzuführung erfolgten bei den durchgeführten Kontaktierungsversuchen manuell. Es wurde aber ein Konzept erarbeitet, wie die gesamte Herstellung solcher Schaltungen vollautomatisiert an einer Stickmaschine erfolgen kann.

Individuell angepasste Induktionsspule zum gleichzeitigen Löten aller Anschlusspins von RGB-LEDs. TITV
Zuverlässigkeit der Kontaktierungen
Die hergestellten Versuchsproben wurden im Smart Textiles Prüflabor des TITV Greiz bezüglich ihrer Zuverlässigkeit überprüft und mit anderen Proben verglichen, die mit konventionellen Kontaktierungsmethoden hergestellt wurden. Hierbei konnte eine hohe Zuverlässigkeit nachgewiesen werden, die mit anderen Lötverfahren vergleichbar ist. Zur Ermittlung der Haftfestigkeit aufgelöteter Bauelemente ist ein Prüfverfahren mit einer Zwick- Materialprüfmaschine entwickelt worden. Hierbei wird ein Blech mit einem Schlitz, durch den das zu prüfende Substrat mit dem aufgelöteten Bauteil geführt wird, in die obere Einspannvorrichtung der Maschine eingespannt und anschließend ein Zugversuch durchgeführt.
Die Erfassung der Kraft-Dehnungswerte erfolgt am PC. Es wird die Kraft ermittelt, bei der sich das aufgelötete Bauteil vom textilen Substrat beziehungsweise von der kontaktierten Leiterbahn löst. Vergleichende Untersuchungen an mit unterschiedlichen Lötverfahren kontaktierten Bauelementen zeigten, dass die Bauelemente ähnliche Abrisskräfte aufweisen. Die ermittelten Kräfte liegen je nach Bauteil im Bereich von 20 bis 70 N. Weiterhin erfolgten Anwendungssimulationen mit einem Martindale-Scheuerprüfgerät sowie mit der hausinternen Prüfeinrichtung Flexomat 2. Auch hierbei konnten eine hohe Haftfestigkeit und eine hohe Funktionssicherheit der Kontaktierungen nachgewiesen werden.
Fazit
Der Einsatz des Induktionslötens verbessert die Produktqualität und ermöglicht, dass Smart Textiles effizienter gefertigt und neue Anwendungsfelder erschlossen werden können. Dieses in der Textilindustrie erstmals eingesetzte Lötverfahren hat gegenüber bisher eingesetzten Verfahren den Vorteil, dass die textilen Trägermaterialien beim Kontaktierungsprozess weitgehend geschont werden. Weiterhin lassen sich Bauteile mit untenliegenden Lötkontakten verlöten, die sonst nur mit dem Reflowlötverfahren kontaktiert werden können.
Das IGF-Forschungsvorhaben Nr. 19701 BR „Verbesserung der Qualität von Smart Textiles durch Einsatz des Induktionslötverfahrens zur Kontaktierung elektronischer Bauelemente“ wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.
TITV Greiz – Die Ideenschmiede
Als kompetenter Entwicklungspartner in geförderten Forschungsprojekten und gefragter Dienstleister für Auftragsforschung bietet das TITV Greiz einen umfassenden Service bei der Entwicklung innovativer Produkte und neuer Technologien vom textilen Werkstoff bis zu integrierten elektronischen Systemen. Mit ca. 60 Experten aus den Bereichen Textil, Elektrotechnik, Medizintechnik, Chemie, Physik, Materialwissenschaften, Prüf- und Messtechnik und der Tochtergesellschaft imbut ist das Institut ein kompetenter Forschungs- und Entwicklungsdienstleister für Unternehmen.
(pg)
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ATN Automatisierungstechnik Niemeier GmbH
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