Bernhard Kirchgäßner ist eine feste Konstante bei SEW Eurodrive. Er verantwortet die automatische Bestückung von Flachbaugruppen bei der Oberflächenmontage (sechs SMD-Bestücklinien) und der automatischen bedrahteten Bestückung (drei THT-Produktionslinien). Einwandfrei bestückte Flachbaugruppen ermöglichen Frequenzumrichtern das Steuern und Regeln von Antrieben in Maschinen und Anlagen. Mit cab ist Kirchgäßner seit über 20 Jahren erfolgreich verbunden. Im Gespräch zeigt sich schnell, dass er das systematische Optimieren „lebt“.
Viele Produktionen wirken monoton. Hier ist manches Science-Fiction. Was steckt dahinter?
Kirchgäßner: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Wir machen uns laufend Gedanken darüber, wie wir unsere Mitarbeiter entlasten und für Kunden und Lieferanten noch individueller tätig sein können. Digitalisierung bietet uns die Möglichkeit, unsere Anlagen bedarfsorientiert nach dem Kanban-Prinzip zu betreiben. Das Bedienpersonal wacht in der Hauptsache über die automatischen Prozesse. Nach der Beauftragung durch den Kunden können wir spätestens am Folgetag die Elektronikkomponente ausliefern, die er benötigt.
Was genau passiert bei der SMD-Fertigung?
Kirchgäßner: Im ersten Schritt werden Leiterplatten aus cab Magazinen automatisch der Produktionslinie zugeführt. Es wird Lotpaste auf die Leiterplatten gedruckt und vermessen. Jeder Bestückautomat nimmt aus vorgerüsteten Materialspulen pro Zugriff bis zu 20 Einzelelemente auf, richtet diese aus und setzt jede Stunde im Schnitt 70.000 Bauteile an die richtige Position auf den Leiterplatten. Die Verlötung der Bauteile auf den Leiterplatten im Reflowofen schließt die Bestückung ab.
Wie stellen Sie eine maximale Qualität der Produkte sicher?
Kirchgäßner: Keine Flachbaugruppe verlässt die Produktionslinie ungeprüft. Mindestens 6000 automatische, optische Messungen pro Baugruppe sorgen dafür, dass ausschließlich qualitativ einwandfreie Produkte aus der Linie in die Magazine geschoben und dort gestapelt werden. Bei der Entnahme eines bestückten Magazins aus dem Loader verschließen Riegel die Führungen am Magazin und sichern die Flachbaugruppen beim Transport.
Apropos Transport – auch der soll autonom erfolgen.
Kirchgäßner: Im Werk pendeln mobile Assistenzsysteme als Groß- und Kleinladungsträger fahrerlos zwischen den Fertigungsstationen. Die Wege sind klar definiert. Am Ende der SMD-Linien nehmen sie die Magazine samt aller prozessrelevanten Daten auf. Einseitig bestückte Flachbaugruppen werden an den nächsten Produktionsschritt übergeben. Sind Flachbaugruppen beidseitig zu bestücken, werden diese Magazine vom mobilen Transportsystem zurück an den Anfang der Linie geführt. Die Flachbaugruppen werden auf die Gegenseite gedreht, der Anlage zugeführt und der Bestückprozess beginnt von Neuem.
Worin zeigt sich die Anlagenintelligenz?
Kirchgäßner: Die Intelligenz ergibt sich im Zusammenspiel innovativer Maschinen mit Messsystemen, Software und Menschen. Jede SMD-Fertigungslinie ist mit Standardbauteilen gerüstet. Gehen an einem Bestückautomat bevorratete Bauteile zur Neige, informiert der Automat die Anlagensteuerung. Diese fordert im Lager eine neue Materialrolle an und setzt die Smartwatch am Arm des Bedieners über den bevorstehenden Wechsel in Kenntnis. Die neue Rolle steht spätestens zwei Minuten nach dem Erhalt des Ausgangssignals automatisch direkt an der Anlage bereit und kann vom Bediener eingesetzt werden. Währenddessen setzt sich der Anlagenbetrieb ohne Unterbrechung fort.
Welche weiteren Faktoren sind ausschlaggebend?
Kirchgäßner: Eine flexible Software ermöglicht es uns, die SMD-Produktionslinie ohne Stillstandzeiten auf ein neues Produkt umzurüsten. Alle notwendigen Anpassungen der Spurbreiten und Maschinenparameter laufen automatisiert ab. Jedes neue Bestückprogramm wird an jede beteiligte Maschine kommuniziert. Die Anlagen stellen sich selbstständig genau zum richtigen Zeitpunkt um. So finden je Arbeitstag bis zu 30 Produktwechsel pro Fertigungslinie statt, indem das erste Produkt des neuen Loses dem letzten Produkt des vorherigen Loses direkt innerhalb der Linie folgt. Bei kleinen Losgrößen befinden sich bis zu drei unterschiedliche Produkte gleichzeitig in der Produktionslinie. Die Software erstellt ein Abbild der Fertigungslinie. Dem Bedienpersonal werden so an jeder Anlage Status- und Produktdetails über eine Smartwatch in Echtzeit angezeigt. Jeden Monat werden rund 50 Millionen produktionsrelevante Datensätze erstellt. Sämtliche Bauteile und Prozesse sind rückverfolgbar und für unsere weiteren Abläufe dokumentiert.
Was erfährt der Bediener durch diese Datensätze über die Leiterplattenmagazine?
Kirchgäßner: Zum Beispiel wird an den Monitoren angezeigt, wie viele Minuten für die vollständige Befüllung eines Magazins nötig sind. Das Bedienpersonal erfährt, wie viele Flachbaugruppen im laufenden Auftrag bereits verladen wurden, welche Magazine aktuell in Beladung sind und welche noch zur Beladung anstehen. So behalten wir die Gesamtproduktionszeiten brutto/netto immer im Blick.
Inwiefern unterstützen die Magazine den hohen Automationsgrad im Unternehmen?
Kirchgäßner: Wir produzieren in Bruchsal etwa 350.000 Flachbaugruppen im Monat. Diese müssen jeden Tag in Magazinen sicher befördert werden. cab Magazine der Serie 800 sind stabil aus elektrisch leitfähigem Kunststoff gefertigt. Die Breiteneinstellung, Verriegelung und Entriegelung erfolgen automatisch. Bei der Top-and-Bottom-Bestückung unserer Leiterplatten sind das wichtige Eigenschaften, die wir von cab verlässlich zur Verfügung gestellt bekommen.
Vorteile eines Leiterplattenmagazins
Cab Leiterplattenmagazine 800 sind mit einer Kupplung ausgestattet. Beim Einsetzen eines Magazins in den Loader einer Bestücklinie verbindet sich der Flansch am Stellmotor des Loaders mit der Kupplung. Die bewegliche Seitenwand des Magazins fährt an Gewindespindeln gleichmäßig präzise an einen Referenzpunkt. Dann stellt sich das Magazin automatisch auf die von der Anlagensteuerung vorgegebene Flachbaugruppenbreite ein. Es braucht keine Bevorratung voreingestellter Magazine. Menschliche Fehler werden vermieden, die Prozessqualität steigt.
(pg)