Fortschreibungen im Umweltschutz haben die manuellen Reinigungsprozeduren (gelegentlich auch Benchtop-Reinigung genannt) in der Elektronik erheblich verbessert. Doch Entwicklungsingenieure und Fertigungsfachleute stehen heute vor noch wesentlich größeren und komplexeren Herausforderungen: die drastische Minimierung von flüchtigen organischen Verbindungen, der Schutz unserer Wasserressourcen, die globale Erwärmung, höhere Arbeitsplatzsicherheit sowie die beträchtlichen wirtschaftlichen Zwänge, die immer kürzere Lebenszyklen der Elektronikprodukte mit sich bringen.

Sowohl die einzelnen Unternehmen als auch die verschiedenen Länder haben sich bei der Lösung dieser Herausforderungen zum Teil für sehr unterschiedliche Strategien entschieden. Doch für große Firmen mit Niederlassungen in vielen Regionen der Welt kann die regulatorische Vielfalt in den Regionen unter Umständen massive Probleme bereiten. Technologische Konflikte verhindern möglicherweise, dass Unternehmen weltweit in ihrem Bereich universell einsetzbare Reinigungsprozeduren einführen können, was wiederum zu Ungereimtheiten in ihren global standardisierten Fertigungsprozessen führen kann.

Manuelles Reinigen

Auf den ersten Blick erscheint manuelles Reinigen in der Elektronikfertigung als ziemlich einfach, doch tatsächlich handelt es sich um einen anspruchsvollen Prozess im industriellen Umfeld. Denn die Anforderungen an die chemischen Formulierungen, die man für die optimale manuelle Reinigung einsetzen kann, weichen erheblich von jenen für automatische Reinigungsmaschinen ab. Eine Reinigungsflüssigkeit muss eine ganze Reihe von Kriterien erfüllen, damit sie für manuelle Arbeiten akzeptiert und damit auch wirtschaftlich erfolgreich wird. In erster Linie darf sie grundsätzlich nicht toxisch sein, denn Fertigungsmitarbeiter haben damit täglich Kontakt. Die Flüssigkeit soll zudem rasch trocknen und auch keinen starken Geruch aufweisen, möglichst nicht zündwillig sein – und selbstverständlich auch eine gute Reinigungswirkung haben. Der Reiniger muss leicht anwendbar sein, generell einfach im Handling sowie in der Aufbewahrung und natürlich darf es letztlich keine Entsorgungsprobleme geben. Auch die Kostensituation muss attraktiv sein. Solch ein Reiniger darf trotz seiner sehr guten Wirkung weder Substrate noch Bauteile angreifen oder gar schädigen. Es liegt auf der Hand, dass es nicht viele Reinigungschemikalien gibt, die alle diese Anforderungen optimal erfüllen können.

Doch über all den genannten Anforderungen an die Reinigungsflüssigkeit stehen die unterschiedlichen Umweltschutz-Regularien, die weltweit eingeführt werden und wurden. Alle diese Festlegungen führen zu Einschränkungen, welche die Verwendung von ansonsten vielversprechenden Chemikalien verhindern können. Das Ziel ist, den Einsatz von Chemie soweit zu kontrollieren, dass gesundheitliche Gefährdungen der Öffentlichkeit ausgeschlossen werden können. Innerhalb weniger Jahre werden umfangreiche Prüfungen und Analysen der von uns allen täglich verwendeten Flüssigkeiten, Pasten und festen Materialien obligatorisch sein. Dies beinhaltet für die Unternehmen auch teuer realisierte Konformitäts-Verpflichtungen. Sicherheitsdatenblätter (MSDS, Material Safety Data Sheets) werden in der Folge vermutlich immer umfangreicher und undurchdringlicher. Die regulatorische Problematik reicht allerdings weit über Europa hinaus.

Eine andere nicht zu unterschätzende Auflage sind die Anforderungen an die Verpackungen und Kennzeichnungen der Produkte. Praktisch alle Länder verlangen im Rahmen des Konsumenten- und Anwenderschutzes mit Recht, dass diese Hinweise in der Landessprache vermerkt sind. Zudem werden viele regulatorische Auflagen gemacht, ohne dass deren Urheber den vollen Arbeitsablauf und die Materialbeschaffenheiten überhaupt verstehen. So ist Wasser oft als Lösungs- beziehungsweise Reinigungsmittel vorgeschrieben, weil es unter Umweltgesichtspunkten als „grün“ und „sicher“ gilt. Allerdings ist Wasser nicht in allen Applikationen wirksam einsetzbar, beispielsweise bei der manuellen Flussmittelentfernung.

Neue Richtlinien ermöglichen bessere Auswahl

Für die Fertigungsfachleute sind es sehr zeitaufwändige und kostspielige Prozesse, Flussmittelentferner und Reiniger für die manuelle Anwendung auszuwählen und zu überprüfen. Einige leicht verständliche Richtlinien können bei der Vereinfachung des Vorgangs allerdings sehr hilfreich sein:

•        Beschränkung auf kommerziell verfügbare Chemikalien, deren Brauchbarkeit auf dem Markt schon längere Zeit nachgewiesen ist. Kritische Materialien sollten vermieden werden.

•        Aerosole sind bezogen auf den Literpreis etwas teurer, haben aber für die manuelle Reinigung einige wichtige Vorteile.
•        Nicht nur die chemische Substanz ist wichtig, sondern auch das Gebinde, in der sie verfügbar ist. Gebinde können dazu beitragen, sowohl die Prozesseffizienz zu steigern, als auch mögliche Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren und dabei auch die Arbeitssicherheit zu verbessern.
•        Wer die Reinigerauswahl nur anhand des Vergleichs einschlägiger Sicherheitsdatenblätter vornimmt, blendet wesentliche Aspekte im Reinigungsprozess aus.
•        Der eigentliche Reinigungsprozess ist insgesamt zu betrachten. Praktisch anwendbare Dosiervorrichtungen verbessern den Reinigungsvorgang drastisch und reduzieren dabei die Kosten des Vorgangs.

Schritt Eins: Suche der neuen Reinigerformulierung

Seit der Jahrhundertwende haben Tausende von Unternehmen in der EU solche Reinigungsflüssigkeiten ausgewählt, die als mildes Lösungsmittel flüchtige Methyldisiloxane (CAS Nr. 107-46-0) enthalten. Es handelt sich um einen überragenden, wenn auch nicht völlig perfekten Reiniger für Elektronik. Methyldisiloxane zeichnen sich durch eine ungewöhnliche Kombination von vorteilhaften Eigenschaften aus. Diese milde, schnell abtrocknende Flüssigkeit ist praktisch geruchlos. In der Atmosphäre liegt ihre Einwirkungszeit bei unter 30 Tagen. Methyldisiloxane akkumulieren sich auch nicht in der Atmosphäre und werden zudem ziemlich rasch zu natürlich vorkommenden Chemikalien abgebaut, mit positiven Effekten auf die Klimabilanz. Für Siloxane gibt es ausgezeichnete Nachweise über ihr weitgehend günstiges toxikologisches Verhalten. Unterschiedliche Formulierungen dieser Flüssigkeit finden sich in Kosmetika und anderen Produkten der Körperpflege. Diese Flüssigkeiten lassen sich an spezielle Anwendungen relativ leicht anpassen und besonders effektiv als Flussmittelentferner einsetzen, insbesondere bei No-Clean-Prozessen. Die vielseitig einsetzbaren, rückstandsfreien Siloxan-Formulierungen reinigen einfach Elektronikbaugruppen mit Flussmittelrückständen, Lotpastenresten, organischen Rückständen, ionischen Verunreinigungen, Schutzbeschichtungen auf Silicon-Basis, Adhesiven, Fetten und Ölen.

Siloxane entfernen zudem auf einfache Weise auch ausgehärtete Silikon-Schutzbeschichtungen sowie Silikon-Klebstoffe. Der Reiniger lässt zwar kurzzeitig Silikonschläuche aufquellen, jedoch ohne deren elastische Eigenschaften zu beinträchtigen. Als ein praktisch „universeller“ Reiniger sind Siloxane auch sicher anwendbar auf Elektronikbauteilen. Jedoch sind Reiniger auf Siloxan-Basis leicht entzündlich mit einem Flammpunkt, der dem von Isopropylalkohol entspricht. Damit können sie in Reinigungsmaschinen nicht verwendet werden. Außerdem können einige Formulierungen nicht äußerst hartnäckig haftende Flussmittel aus Bleifrei-Prozessen restlos entfernen, in denen mit sehr hohen Temperaturen gelötet wurde.

Schritt Zwei: Die Auswahl eines neuen Treibmittels

Aerosol-Produkte für die Elektronikindustrie entsprechen zwar den Umweltschutzauflagen, sind jedoch kostspielig und werden deshalb nur in unentbehrlichen industriellen Prozessen verwendet. Ein Problem bei der Verarbeitung von industriellen Aerosol-Produkten sind die Treibmittel zum Aufbringen des Materials. Als Ersatz für veraltete Treibmittel dient jetzt HFO (Hydro-Fluoro-Olefin), ohne die Probleme im Handling und in der Gebindeform, die entzündliche Stoffe mit sich zu bringen. Ein großes Plus: der Einfluss auf den Klimawandel wird um 99,9 Prozent reduziert, ohne die anderen Charakteristiken wie Entflammbarkeit, Geruchsentwicklung oder Reinigungswirkung zu verschlechtern.

Einige große Chemiekonzerne gehen nun daran, HFOs oder ähnliche Treibmittel im großen Stil zu kommerzialisieren. Einige Unternehmen, einschließlich Microcare, bieten kleinere Gebinde von Elektronikreiniger mit dem neuartigen HFO-Treibmittel an. HFO-Materialien sind inzwischen zum Einsatz in Europa und Nordamerika freigegeben. Zwar ist der Preis dieser Chemikalie derzeit noch höher als jener der früheren Treibmittel, doch werden mit zunehmenden Produktionsvolumen Kostensenkungen erwartet.

Schritt Drei: Auswahl einer neuen Dosiereinrichtung

Als bewährte Anwendungstechnik in der manuellen Reinigung galt für viele Jahre Dip-and-Brush. Dieser Prozess bestand aus dem Eintauchen der Elektronikbaugruppe in die Reinigerlösung und dem anschließenden Beseitigen der gelösten Reste. Der Reiniger – in der Regel Isopropylalkohol – war kostengünstig, hinzu kam eine einfache, billig hergestellte Flasche mit Pumpe und Pinsel, womit die Flüssigkeit auf die Baugruppe aufgebracht wurde. Diese Anwendungstechnik gehört einer vergangenen Zeit an.

Was ist falsch an der Dip-and-Brush-Reinigung?

Ein ausreichendes Abspülen der Verunreinigungen von der Baugruppe ist mit dieser Methode nicht möglich. Das Board bleibt nach der Reinigung oft klebrig von den Flussmittelrückständen. Zudem wird die Reinigerlösung bei Dip-and-Brush unvermeidlich mit einer Schmutzfracht beladen. Je mehr Boards gereinigt wurden, umso mehr Verunreinigungen befinden sich in der Flüssigkeit, die deshalb immer wieder fachgerecht entsorgt werden muss. Doch müssen Boards, an die hohe Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit gestellt werden, mit optimal dosierter, sauberer und frischer Lösung gereinigt werden. Letztlich bietet Dip-and-Brush wenig bis gar keine Möglichkeiten der Prozesskontrolle. Wer aber heute zuverlässig hochqualitative Elektronik herstellt, benötigt gut kontrollierte Prozesse, auch in der manuellen Reinigung von Baugruppen.

Zielführend sind gut kontrollierbare Dosiersysteme, die einfach auf die Aerosol-Gebinde aufgebracht werden. Verschiedene Hersteller liefern solche handlichen Dosierer, mit denen rasche und bessere Reinigungsprozeduren möglich sind und viel weniger Abfall entsteht als bei der Dip-and-Brush-Methode. Damit ist es möglich, einen wirklich klaren und sauberen manuellen Reinigungsvorgang in vier Schritten zu realisieren: Aufbringen der Lösung, Abreiben der Reste, Spülen und Trocknen. Dieser Prozess lässt sich sehr leicht dokumentieren und standardisieren, natürlich entsprechend von ISO- und anderen Vorgaben, wobei auch noch die Qualität und Zuverlässigkeit der Baugruppe aufgebessert werden.

Die Mitarbeiter benötigen mit solchen gut kontrollierten Dosiereinrichtungen deutlich weniger Reiniger. Die damit aufgebrachte Flüssigkeit ist stets frisch und nicht verunreinigt, zudem wird sie gezielt nur auf jene Stellen gesprüht, auf denen sie benötigt wird. Hält sich der Mitarbeiter an die Arbeitsvorgaben, wird nicht zu viel Mittel aufgesprüht, schon gar nicht jene großen Mengen, die übliche Spraydosen abgeben, die unter hohem Druck stehen und schlecht dosierbar sind. Außerdem müssen nicht fortlaufend größere Mengen einer verunreinigten Flüssigkeit entsorgt werden. Mit diesen Dosiereinrichtungen entsteht wesentlich weniger Abfall, nicht nur beim Applizieren, sondern auch bei der Nutzung der Gebinde. Völlig entleerte Gebinde lassen sich sinnvoll und ohne großen Kostenaufwand dem üblichen Recyclingprozess zuführen.

Insgesamt führt die Reinigung größerer Baugruppen-Fertigungsvolumen mit weniger Aerosoleinsatz zu deutlichen Kostenreduzierungen im Vergleich zur alten Methode. Außerdem wird damit eine hohe Fertigungsqualität abgesichert und auch die Umwelt durch den reduzierten Reinigereinsatz weniger belastet.

Manuelle Reinigung alles andere als trivial

Neue gesetzliche Regelungen im Umwelt- und Arbeitsschutz bringen zwar für die Produktionsfachleute größere Belastungen mit sich, doch stellen sie auch eine wichtige Gelegenheit dar, Fertigungsprozesse neu zu überdenken. Hier sind die Fertigungsspezialisten auch gehalten, solche Anbieter von Chemikalien auszuwählen, die die international gültigen regulatorischen Beziehungen völlig verstehen und für ihre Kunden jene Lösungen entwickeln, die mit diesen auch übereinstimmen.

Productronica 2013: Halle A4, Stand 515

Literaturverzeichnis

U.S. Department of Labor: A Guide to the Globally Harmonized System of Classification and Labeling of Chemicals (GHS)

http://www.osha.gov/dsg/hazcom/ghs.html

R. Atkinson: Kinetics of the Gas-Phase Reactions of a Series of Organosilicon Compounds with OH and NO3 radicals. Environmental Science and Technology 25, 863 (1991)

R. Somerlade, H. Parlar, D. Wrobel, P. Kochs: Product Analysis and Kinetics of the Gas Phase Reactions of Selected Organosilicon Compounds with OH Radicals Using a Smog Chamber-Mass Spectrometer System. Environmental Science and Technology 27, 2435 (1993)

H.K. Latimer, M. Jang, R.M. Kamens: The Atmospheric Partitioning of Decamethylcyclopentasiloxane (D5) and 1- Hydroxynonamethylcyclopentasiloxane (D4TOH) on Different Types of Atmospheric Particles. Final report from the University of North Carolina to Dow Corning Corporation, June 16, 1997

R.R. Buch, T.H. Lane, R.B. Annelin and C.L. Frye: Photolytic Oxidative Demethylation of Aqueous Dimethylsiloxanols. Environmental Toxicology and Chemistry, 3, 215 (1984)

Mike Jones

ist Vice President von Microcare

(mrc)

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