Als Jaques und Pierre Curie im Jahr 1880 den Piezoeffekt entdeckten, ahnten sie noch nicht welche technologische Bedeutung dieser einmal haben würde. Dabei ist die Piezotechnologie aus dem heutigen Alltag kaum mehr wegzudenken. Hochdynamisch, leistungsstark und mit höchster Präzision finden die Piezowandler in zahlreichen Bereichen ihre Anwendung. In der Nanopositionierung von Mikroskop-Objektiven, als Stellelement zur Fadensteuerung in der Textilmaschinenindustrie, in der Ventiltechnik und in adaptiven Systemen im Bereich Luft- und Raumfahrt sowie im Automotive-Bereich – zweifelsohne ist die Piezotechnologie ein essenzieller Bestandteil des technologischen Fortschritts.
Wirtschaftlicher Inline-Voidlessprozess
Ersa hat die Piezotechnologie zur Voidminimierung nun für sich entdeckt: In Kooperation mit dem Fraunhofer ISC wurde eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, um die theoretischen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Dabei profitierte Ersa von der langjährigen Erfahrung des Forschungsinstituts auf dem Gebiet der Adaptronik. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie waren bereits so überzeugend, dass Ersa sich dazu entschlossen hat, die Piezotechnologie im Bereich der Voidminimierung in Hotflow 3/20 (HF3/20) zu integrieren. Zahlreiche Analysen der einzelnen Prozessparameter wurden durchgeführt, um solide Ergebnisse präsentieren zu können. Bereits in dieser Entwicklungsphase wurden Voidraten von unter 2 Prozent erreicht. Im Herbst 2014 wurde die piezobasierte Voidless-Technik einem ausgewählten Kundenkreis vorgestellt. Die durchwegs positiven Resonanzen während und nach der Live-Präsentation bestärkten das Unternehmen darin, den nächsten technologischen Schritt in Richtung Voidless zu gehen. Das Ergebnis ist das Reflowlötsystem Hotflow 3/20 Voidless, das Ersas Reflow-Technik mit dem Voidless-Modul kombiniert. Das Modul lässt sich bei Bedarf jederzeit zu- oder abschalten.
Deutlich reduzierter Voids-Anteil
Die Voidminimierung der Lötverbindungen sorgt neben einer thermischen Prozessstabilität auch für zuverlässige Lötverbindungen. Mit dem Voidless-Modul, das für die Reflow-Lötanlage Hotflow 3/20 konzipiert wurde, lässt sich eine höhere Reduzierungsrate von Gaseinschlüssen erreichen, als mit Alternativsystemen. Überdies ist das Voidless-Modul für den Inlinebetrieb geeignet und benötigt keine zusätzliche Wartung. Während der Messe Productronica wird das Voidless-Modul vorgestellt.
Gerade in der heutigen Zeit ist es in der Elektronikfertigung wichtiger denn je Lötergebnisse zu erzielen, die den höchsten Qualitätsanforderungen genügen: Aufgrund des stetig wachsenden Trends zur Miniaturisierung der Leistungsbauteile gewinnt die verlustfreie Wärmeleitfähigkeit der Lötverbindungen beim SMT-Prozess immer mehr an Bedeutung. Hierbei spielt die Voidfreiheit im Bereich der Leistungselektronik eine immer wichtigere Rolle. Während des Lötprozesses entstehende Voids minimieren den effektiven Wärmeübergang und können so zur thermischen Schädigung der Leistungsbauteile bis hin zum Ausfall führen.
Sinusartige Sweepanregung für höhere Voidsfreiheit
Das Voidless-Modul wird hierbei in eine bestehende HF3/20 installiert, als Ergänzung zu den bestehenden Peakzonen. Somit ist auch das Erreichen des schmelzschlüssigen Zustandes einer Lotverbindung auch bei massereichen Bauteilen sichergestellt. Es reichen bereits wenige Sekunden aus, um die Voidrate um bis zu 98 Prozent gegenüber einem herkömmlichen Lötprozess zu reduzieren. Das eigens entwickelte Verfahren basiert auf einer sinusartigen Sweepanregung des Leiterplattensubstrats. Dabei wird primär eine Longitudinalwelle mit einer Amplitude von wenigen Mikrometern in der Leiterplattenebene angeregt. Bei dieser sinusartigen Sweepanregung der Platine, in einem definierten Frequenzbereich, ist es in diesem Bereich möglich, mehrere Eigenresonanzen der Leiterplatte anzuregen – unabhängig von der verwendeten Leiterplattengeometrie. Die niedrigen Anfangsfrequenzen des Sweeps bewirken eine schonende und homogene Schwingungsausbreitung in der Leiterplatte, ohne eine Schädigung der Molekülketten (zum Beispiel bei FR4).
Die Frequenzsteigerung führt bei höheren Frequenzen zu einer Versteifung des Leiterplattensubstrats, einer Erhöhung des E-Moduls und, infolge eines geringeren Dämpfungsfaktors, zu einer besseren Energieübertragung auf das flüssige Lot. Dabei werden Bereiche niedrigerer Dichte, die so genannten Voids, aus dem flüssigen Lot entfernt. Da bei einer sinusförmigen sweepartigen Anregung der Leiterplatte mit einem definierten Frequenzbereich über das komplette in diesem Frequenzbereich liegende Frequenzspektrum aktuiert wird, werden alle sich darin befindenden Eigenresonanzen der Leiterplatte angeregt. Das flüssige Lot auf der Leiterplatte wird somit mehrfach, durch die Schwingungsausbreitung in der Leiterplatte in eine Relativscherbewegung angeregt, was zu einer Voidminimierung der Lötverbindungen führt. Die Sweepübertragung auf die Bauteile wird stark durch das flüssige Lot gedämpft, sodass keine Schädigung der Bauteile aufgrund der Vibrationsübertragung eintritt.
Zahlreiche Untersuchungen am Fraunhofer ISC mit Hochpräzisionssensorik weisen die hohe Dämpfungswirkung des Lotes nach. Ein positiver Nebeneffekt der Sweepaktuation ist außerdem eine Zentrierung der Bauteile auf dem Lotpad sowie eine optimierte Benetzung des Lotes auf dem Pad darunter. Der Prozess der Voidminimierung erfolgt dabei innerhalb weniger Sekunden, ohne eine signifikante Prozesszeitverlängerung. Delaminationen des Leiterplattensubstrates oder Popcorn-Effekt der Bauteilgehäuse treten dabei während des Voidless-Prozesses nicht auf. Es werden außerdem keine zusätzlichen Bauteilspezifizierungen wie für Alternativprozesse sowie MSL-Level (Trocknung der Komponenten) benötigt. Das Ergebnis ist ein wirtschaftlicher Inline-Voidless-Prozess mit Ersas Reflowtechnologie mit einer Restvoidrate von unter 2 Prozent. Dabei überzeugt die Hotflow-Voidless durch kurze Taktzeiten, nahezu wartungsfreien Betrieb und keine zusätzlichen Energiekosten.
Voidless-Rework mit HR600/2-Voidless
Auch im Reworkprozess lässt sich die Voidless-Technik anwenden: Beim Rework wird auf einer Baugruppe selektiv ein einzelnes Bauteil wie etwa QFN, MLF oder BTC zunächst entlötet und anschließend ein neues Bauteil mit Lotpaste bedruckt und vollautomatisch platziert. Der Einlöt-Prozess wird bei einem, mit Voidless-Technik ausgestatteten Rework-System analog zum Herstellungsprozess in einer Lötanlage gefahren. Das Voidless-Reworksystem eröffnet überdies die Möglichkeit, die Anzahl der Gaseinschlüsse an bereits eingelöteten Bauteilen nachträglich zu minimieren. Hierzu werden Baugruppen nachgearbeitet, indem sie erneut selektiv umgeschmolzen und dabei einem Voidminimierungsprozess unterzogen werden. Das Ergebnis ist ein wirtschaftlicher, hochautomatisierter Voidless-Reworkprozess mit einer HR 600/2-Voidless. Dabei lässt sich ebenfalls eine Restvoidrate von unter 2 Prozent erreichen. So kann bei der Baugruppenreparatur die gleiche Voidfreiheit erzielt werden, wie im Herstellungsprozess mit Ersas Voidless-Hotflow-Technologie.
Productronica 2015: Halle A4, Stand 171
(mrc)