Sein Know-how bei der Drahtbearbeitung verdankt Aumann seinen langjährigen Erfahrungen im Herstellen sowie Vorformen von Drähten. Das norddeutsche Unternehmen hat sich im Bereich Spulenwickeltechnik etabliert und stellt Maschinen zum Nadel-, Flyer-, Linear- und Polkettenwickeln her. „Ein Trend zu einer bestimmten Technik zeichnet sich allerdings nicht ab. Zur Auswahl des richtigen Verfahrens haben wir als Entscheidungshilfe eine Matrix erstellt“, erklärt Friedrich-Wilhelm Niermann, Geschäftsführer von Aumann. Die Auswahl geschieht im Dialog mit dem Kunden und mithilfe dieser Matrix. Die Fachleute in Espelkamp füllen dazu mit dem Kunden beispielsweise die Zeile mit den Prioritäten für die einzelnen Aspekte aus, um die Bewertungskriterien zu gewichten.
Für die Anwender zählt vor allem die Flexibilität in der Produktionstechnik. Üblicherweise kommen Einzieh-Anlagen zum Einsatz, die zunächst Luftspulen wickeln, um sie dann mithilfe eines Werkzeuges in den Stator einzuziehen. Wenn aber konstruktive Änderungen anstehen, benötigt der Anwender stets neue Einziehwerkzeuge. „Sehr viel flexibler ist dagegen unser konzentriertes Wickeln, bei dem das Bauteil nur in einer Position fixiert und aufgenommen werden muss“, erklärt Prozessentwickler Jürgen Hagedorn. „Dieses Verfahren senkt den Aufwand für Betriebsmittel und Rüsten erheblich. Wir stellen damit hauptsächlich Baugruppen für die Niedervolt-Technik her.“ Das bedeutet: relativ dicke Drähte und wenige Windungen.
Veränderungen beim Stator-Design
Veränderungen zeichnen sich auch beim Stator-Design ab: Es reicht vom unsegmentierten Stator, dem Pol-Stern mit Jochring, dem Stator mit Vollpolsegmenten bis hin zur Pol-Kette. Hier setzt Aumann auf das so genannte Polkettenwickeln, das für einen sehr hohen Füllfaktor sorgt, weil die Struktur des Stators aufgeklappt wird. Außerdem benötigt der Anwender „im Gegensatz zu den sonst üblichen Einzelzähnen nur noch wenige Kontaktstellen, weil er die Verbindungsdrähte durchzieht und auf diese Weise mit nur vier Kontaktstellen auskommt, beispielsweise bei einer Sternschaltung. Bei einem zwölfzahnigen Aufbau wären es sonst 24 Kontaktstellen“, betont Hagedorn.
Im Jahr 2012 ging bei Aumann ein Technikum in Betrieb, das die Prozesse beim Herstellen von Bauteilen unter den Bedingungen einer Kleinserienproduktion testet, erläutert Hagedorn: „Das Technikum mit seinen drei festen Mitarbeitern ist sehr gefragt und immer gut ausgelastet.“ Der Erfolg des Technikums weist auch auf einen Trend hin: Auftraggeber ziehen Maschinenbauer wie Aumann zunehmend in einer sehr frühen Entwicklungsphase hinzu. „Wir liefern Ende 2013 eine große Anlage aus, für die ich bereits vor zweieinhalb Jahren das erste Layout gemacht habe“, nennt Hagedorn ein aktuelles Beispiel. Die Spezialisten erarbeiten auch immer öfter umfangreiche Technologiestudien von der Bauteilkonstruktion bis hin zur Wahl des richtigen Wickelverfahrens – einschließlich einer Entscheidungsmatrix mit Bewertungskriterien. Oft stellen sie im Technikum auch die Musterteile her.
Kompletter Motor für den Teststand
Der Kunde erhält also einen kompletten Motor, den er auf einem Prüfstand testen kann. „Bei einem großen Automobilhersteller haben wir zunächst die Technologiestudie erstellt und auch den Auftrag zum Bau der Anlage erhalten“, berichtet der Prozessentwickler. Aumann muss mit seinen maßgeschneiderten Lösungen zum Entwickeln der entsprechenden prozesssicheren Anlagen beitragen. Es handelt sich meist um komplette Anlagen, bei denen die Wickeltechnik wertmäßig nur einen geringen Anteil ausmacht. 80 bis 90 Prozent entfallen auf das Vorbereiten von Teilen für das Kontaktieren, Prüfen, Handling und die gesamte Automation.
Das Produktdesign spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Die meiste Arbeit und Zeit steckt nämlich nicht in der Auswahl des richtigen Wickelverfahrens, sondern im Produktdesign. „Das Lastenheft schreibt uns in der Regel beispielsweise Blechlängen und Außendurchmesser des Motors vor“, erläutert Hagedorn. „Aber es kommt trotzdem vor, dass wir Änderungen beim Design vorschlagen. Ein Beispiel: Wenn sich die Blechgeometrie um 0,2 mm verändert, erhöht sich der Füllfaktor um 1 Prozent.“ Für den Fall, dass ein Spulenkörper nicht richtig designt ist, erhält der Anwender auch mit einer sehr guten Wickelmaschine keine guten Wicklungen. Bei optimal geformtem Spulenkörper dagegen kann das Wickelergebnis selbst beim Abschalten der Verlege-Einrichtung gut ausfallen. Zu 80 Prozent hängt das Wickelergebnis also vom Design des Spulenkörpers ab. Daher passt Aumann auch die Drahtform an das Design an. „Da kommen dann auch schon mal Drähte mit nicht rundem Querschnitt zum Einsatz“, führt Hagedorn aus.
Für den Entwickler von Elektromotoren ist der elektrische Füllfaktor wichtig. Er ist ein Maß für das Verhältnis zwischen dem Volumen eines Wickelpakets und dem hierfür benötigten Volumen, um das Wickelpaket unterzubringen. „Im Automobilbereich geht es vor allem darum, mit wenig Kupfer auf kleinem Raum möglichst viel Motorleistung zu erreichen“, erklärt der Prozessentwickler. „Das Nadelwickeln erreicht einen elektrischen Füllfaktor von etwa 38 Prozent, während das Linearwickeln von Einzelzellen und Polketten auf einen elektrischen Füllfaktor von mehr als 50 Prozent kommt.“
EC-Antriebe stark im Kommen
Spulenwickelmaschinen aus Espelkamp sind in erster Linie gefragt bei Anwendern, die kleine, kompakte, leichte und leistungsfähigere Antriebe suchen. „Statt der Asynchron-Technik kommen wegen der höheren Leistungsdichte zunehmend EC-Antriebe (electronically commutated motor: bürstenloser Gleichstrommotor) mit Permanentmagnetrotoren zum Einsatz. Das Einsparpotenzial steht und fällt beispielsweise mit der Pakethöhe: „Dank kompakter Bauweise lässt sich der Kupferanteil im Idealfall halbieren“, sagt Jürgen Hagedorn.
Besonders hoch sind die Anforderungen an Elektromotoren für die Automobilindustrie, denn diese Antriebe arbeiten unter besonderen Bedingungen. Ein Hybridmotor kommt in einer mit Öl gefüllten Umgebung zum Einsatz, die zwischen 180 °C bis hin zu 200 °C heiß ist. „Wir müssen daher besonders für eine sehr gute Wärmeabfuhr sorgen, weil sonst die Wicklungen durchbrennen“, erklärt Geschäftsführer Niermann. „Das erreichen wir durch Verbessern des Wicklungsaufbaus. Außerdem senken wir den Abstand zwischen Wicklung und Eisen, in dem wir den Draht vorformen.“ Auf diese Art und Weise verlängert Aumann nach eigenen Angaben die Laufzeit im Überlastbereich um bis zu 20 Prozent. Ein Kunde berichtete über eine Leistungszunahme nach einer Optimierung um 17 Prozent. Der Aumann-Geschäftsführer hofft, dass sich diese positiven Effekte eventuell auch auf größere Motoren übertragen lassen.
Erste Anfragen nach innovativen Produkten kommen nun auch schon aus den USA. Das rührt auch von dem staatlichen Programm zur Reindustrialisierung her, das dafür sorgt, dass sich die Wertschöpfung am Automobil in den USA erhöht. „Wir haben uns generell auf neue zusätzliche Aufträge eingestellt und erweitern den Standort Espelkamp erheblich“, blickt Geschäftsführer Niermann optimistisch in die Zukunft.
Know-how in Wickeltechnik
Seit mehreren Generationen ist Aumann (30 Mio. Euro Umsatz, rund 140 Mitarbeiter) weltweit einer der führenden Maschinenbauer im Bereich Drahtlackier- und Spulenwickeltechnik sowie Automation. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben der einzige Anbieter weltweit, der über das Know-how und die Erfahrung von der Drahtherstellung über das Bewickeln bis hin zur umfangreichen Montage des Endproduktes verfügt. Seit über 70 Jahren entstehen in Deutschland Maschinen und Anlagen für Firmen aus der Automobil-, Elektro-, Mobilfunk-, IT- und Medizintechnik.
Productronica 2013: Halle B3, Stand 275
Marisa Robles Consée
(mrc)