Fehlstellen in der Schutzbeschichtung von Baugruppen können verschiedene Gründe haben. Vor allem zwei Fehlerbilder wirken sich besonders schädigend auf die Klima- und Schadgassicherheit aus. Zum einen die viel diskutierte Kantenflucht an Schultern der Anschlusskontakte, die eine zu dünne oder nicht vorhandene Schichtdichte an der Kante zur Folge hat. Diese entsteht meist, wenn zu wenig Schutzbeschichtung verwendet wurde oder das Fließverhalten einer Schutzbeschichtung für eine Oberfläche unpassend ist. Zum anderen sind Porenkanäle in Lack-Poolingbereichen kritisch, da es sich hier um meist sehr feine und schwer sichtbare Strukturen handelt, in denen Feuchtigkeit und Schadgas eindringen kann. Dieser Defekt entsteht, wenn sich eine größere Menge Schutzbeschichtung an einer Stelle anhäuft und eine inhomogene, vernetzende Masse entsteht, zum Beispiel zwischen Kontaktbeinen.
Auch eine Verunreinigung des Beschichtungsmittels und/oder der zu beschichtenden Fläche, Fehler beim Aufbringen der Beschichtung oder mechanische Einflüsse nach dem Aufbringen sind Gründe für Beschichtungsdefekte. Insbesondere bei fluoreszierend eingestellten Schutzlacken speziell an den Schultern der Anschlusskontakte von SO-und QFP-Gehäusen oder an den Lötstellen von 2-Polern ist der Nachweis einer geschlossenen und damit schutzfähigen Lackschicht schwierig. Erfahrungsgemäß bedarf es für den sicheren Nachweis einer Lackschicht einer Mindestmenge an UV-Tracern. Dies bedeutet, dass die Schichtdicke ca. 10 µm nicht unterschreiten sollte. Auch im metallografischen Schliff sind derart geringe, aber gegen Korrosion schutzfähige Schichten trotz Bedampfung nur mühsam nachweisbar.
Methoden zur Beschichtungsüberprüfung
Die derzeitigen Prüfmöglichkeiten, ob die Schutzbeschichtung fehlerfrei, d.h. ohne Fehlstellen aufgebracht wurde, umfasst prinzipiell drei Methoden. Erstens die Inspektion mit Schwarzlicht in einem abgedunkelten Raum durch Zugabe eines Fluoreszenzmittels in der Beschichtung. Diese Methode ist bisher die einfachste und wird vielfach in der Serienfertigung verwendet. Allerdings ist sie für den Anwender oft anstrengend. Bei der Inspektion unter Schwarzlicht muss zudem beachtet werden, dass nur Schichtdicken ab 10 µm sichtbare Ergebnisse liefern.
Eine zweite, ebenfalls gängige Methode ist der sogenannte Coating Reliability (Core-) Test nach GfKORR (Gesellschaft für Korrosionsschutz; Leitfaden für die Anwendung und Verarbeitung von Schutzlacken für elektronische Baugruppen). Basierend auf dem Wassertauchtest ist der Core-Test eine Schwachstellen-Analyse, welche die klimatischen Belastungen erzeugt, denen eine Baugruppe im Feld ausgesetzt sein kann. Der Test dauert jedoch 30 bis 60 Minuten und wird meist in der Prozessvalidierung eingesetzt.
Die dritte Möglichkeit sind Umweltsimulationsprüfungen, die auch hauptsächlich in der Prozessvalidierung genutzt werden. Hier wird die Leiterplatte über mehrere Wochen oder Monate in einer Klimakammer unterschiedlichen klimatischen Bedingungen ausgesetzt. Wie auch bei dem Core-Test sind hierfür eine analytische Ausstattung sowie Zeit vorausgesetzt.
Schnelle Überprüfung
Eine neue, sichere und kostengünstige Möglichkeit bietet der Coating Layer Test. Der chemische Schnelltest reagiert durch die Bildung eines schwarzen Niederschlags auf Fehlstellen in der Schutzbeschichtung über metallischen Flächen, die zur Umgebung freiliegend, das heißt nicht mit einem Schutzlack, µ-Coating oder ähnlichem überdeckt sind. Die Methode ist sowohl für die Validierung des Beschichtungsprozesses geeignet als auch für die regelmäßige Stichprobenkontrolle in der Serienfertigung.
Der Test ist unabhängig von der Schichtdicke oder dem Beschichtungsmaterial. Somit kann die Baugruppe mit einem klassischen Lösemittellack (z.B. Polyurethan oder Acryl), einem µ-Coating auf Basis von Perfluorverbindungen oder Parylenen beschichtet sein. Die reagierenden Metallbereiche können aus Zinn, Kupfer, Nickel, bzw. Nickelverbindungen wie NiP/Ni oder anderen unedleren Metallen wie Ferrite (Fe, Fe/NiZn, Fe/Mn) sein. Auf die Hinzugabe von Fluoreszenz-Tracern in die Beschichtung für eine Schwarzlichtinspektion kann verzichtet werden.
Die Testdurchführung ist einfach und schnell. Die Testflüssigkeit wird punktuell auf eine bestimmte Stelle oder großflächig auf einen Bereich der Beschichtung der Baugruppe aufgetragen. Größere Defekte in der Beschichtung werden meist schon nach wenigen Sekunden sichtbar. In diesem Fall ist der Test in unter einer Minute abgeschlossen und Abhilfen lassen sich vom Anwender einleiten. Bei kleineren Defekten, wie Risse oder Poren in Lack-Poolingbereichen, sollte bis zu 3 Minuten gewartet werden, ob der Test reagiert. Die anschließende optische Inspektion per Mikroskop bis ca. 10-20-facher Vergrößerung ist empfohlen, allerdings sind die meisten Defektstellen auch mit dem bloßen Auge sichtbar.
Findet sich auf der vollflächig getesteten Beschichtungsoberfläche keine Schwarzfärbung, so liegt kein Hinweis auf eine Begünstigung für das Eindringen von Feuchte zur Baugruppen-oberfläche und damit kein erhöhtes Risiko für einen Angriff durch Korrosion oder elektrochemische Migration vor. Es darf dann von einer störungsfrei ausgebildeten Beschichtung ausgegangen werden.
Wenn eine Schwarzfärbung auftritt, gibt die Intensität auch einen Hinweis auf die Größe und Geometrie des Defektes. Insbesondere lassen sich größere Kantenfluchtareale, Risse und Porenkanäle unterscheiden (siehe Abbildungen).
Welche Stellen sind kritisch?
Großflächige Schwarzfärbungen sind stets als kritisch zu bewerten. Derartige, offenliegende Metallisierungen sind Feuchte- und Schadgas ausgesetzt, was zu Korrosion oder elektrochemischer Migration führen kann. Mit einer überproportionalen Absenkung des Isolationswiderstandes ist zu rechnen.
Die Gefährdung von lokal begrenzten beziehungsweise punktuellen Anfärbungen ist abhängig von der Empfindlichkeit der betroffenen Bauelemente und Bereiche. So ist zu empfehlen, dass Defekte zwischen Spannungsversorgungsleitern (VCC) und Masseleitern beziehungweise -flächen (GND), zwischen Messbrückenwiderständen oder anderen hochohmigen Bereichen, insbesondere bei aktiven Komponenten mit hohen Eingangsimpedanzen, Stützkondensatoren und zwischen Schwingquarzkontakten nicht zu akzeptieren sind. Für die Bewertung einer Gefährdungsbegünstigung sind ebenfalls die klimatischen Einsatzbedingungen und das Schaltungsdesign zu betrachten.
Lötbarkeitstest für elektronische Bauteile
Neben der Detektion von Beschichtungsdefekten ist ein weiteres Einsatzgebiet des neuen Tests die Überprüfung der Benetzungsfähigkeit von Bauteilen vor dem Löten. Durch das Eintauchen der Kontaktstelle in die Testflüssigkeit entsteht bei einer vorhandenen Benetzungsfähigkeit eine schwarze Farbreaktion.
In diesem Fall ist von einer sauberen und qualitativ guten Metallisierung auf dem Bauteil auszugehen und die Bauteile können in der Fertigung eingesetzt werden. Ist keine Farbreaktion sichtbar, so ist vor allem bei chemisch Zinn wahrscheinlich, dass die intermetallische Phase bis an die Oberfläche durchgewachsen ist. Somit ist die Bildung einer Verbindung mit dem Lot erschwert und es kann zu schwachen Lötverbindungen kommen, die zu einem Feldausfall der elektronischen Baugruppe führen können.
Fazit
Um die Klima- und Schadgassicherheit einer beschichteten Baugruppe zu gewährleisten, ist eine vollständig geschlossene Schutzbeschichtung notwendig. Defekte wie Kantenflucht oder Risse in Lack-Poolingbereichen konnten bisher mit aufwändiger und zeitintensiver Analytik wie metallografischen Schliffen, der Schwarzlichtinspektion oder Umweltsimulationen überprüft werden. Eine schnelle, verlässliche und kostengünstige Überprüfung während der Fertigung war bisher nicht verfügbar.
Der chemische Schnelltest Zestron Coating Layer Test macht durch eine Schwarzfärbung Defekte in Schutzlackierungen oder nicht geschlossene Schichten selbst bei µ-Coatings sichtbar. Der Test ergänzt damit die genormten Verfahren zur Schichtdickenmessung, indem er einen schnellen Nachweis geschlossener und dichter Beschichtungen ermöglicht. Somit kann er auch produktionsbegleitend für kostengünstige Stichproben eingesetzt werden. Zusätzlich lässt sich damit auch die Benetzungsfähigkeit beziehungsweise Lötbarkeit von Bauteilen überprüfen.
(pg)