Sensormodul mit Vibrations- und Spannungssensor

(Bild: Volker Mai)

Die physische und die virtuelle Welt wachsen zunehmend zusammen. Über Cyber Physical Systems werden ununterbrochen Daten erhoben, ausgetauscht und interpretiert und daraus Handlungen für den Produktionsprozess abgeleitet. Dadurch kann der Produktionsprozess kontinuierlich optimiert, eine ständige Qualitätssicherung in jedem Prozessschritt durchgeführt, aber auch Maschinenüberlastungen erkannt, geräteangepasste Wartungen gestartet oder auch Optimierungsprozesse im Fertigungsprozess durchgeführt sowie Energie eingespart werden. Neben praktischen Anpassungen kommen hier vermehrt auch hochwertige Simulationstechniken zum Einsatz.

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Abbildung 2: Transponder als Dünnfilmmehrlagensubstrat mit Antenne Fraunhofer IZM

Zwei ganz entscheidende Aspekte bei der Umsetzung der digital integrierten Produktion sind zum einen die Integration von Sensoren über Cyber-Physical Systems an allen Stellen im Produktionsprozess, um notwendige Daten zu ermitteln und zum anderen eine durchgängige, sichere und funktionsaufbereitete Datenübertragung unter Industriebedingungen vom Sensorelement bis zur Cloud zu realisieren. In vielen – auch hochmodernen – Elektronik-Fertigungslinien gibt es noch mechanische oder manuelle Fertigungsschritte. Auch diese gilt es zu vernetzen und die Prozesse der Mensch-Maschine-Interaktion einzubinden, um eine notwendige Durchgängigkeit zu erzielen.

Anforderungen an die Elektronik

Für die Umsetzung solcher Systemintegrationslösungen sind energieeffiziente, multifunktionale und hoch robuste sowie bauraumangepasste Elektroniklösungen, wie Sensorsysteme, Voraussetzung. Neben der weiteren Verringerung der Herstellungskosten spielen aber auch Eigenschaften wie Datensicherheit, Identifikation und extreme Lebensdauer der Elektronik zukünftig eine ganz wichtige Rolle. Für die durchgängige Vernetzung müssen zudem Systemlösungen geschaffen werden, um große Datenmengen effizient, durchgängig, identifiziert und sicher zu übertragen. Hochfrequenz- und Hochgeschwindigkeitsbaugruppen sind hier gefragt.

Für die Systemintegration (Hard- und Software) stellt das Vernetzen solcher Prozessschritte und der gesamten Fertigungskette eine Herausforderung dar. Insbesondere bei autarken Systemen wird Energie-Harvesting zur vor-Ort Energieerzeugung und -speicherung eingesetzt, um die Betriebsdauer zu maximieren und gegebenenfalls auf externe Batterien komplett zu verzichten und das System zu einem gänzlich energieautonomen System innerhalb seiner effektiven Lebenszeit zu ertüchtigen. Eine wichtige Rolle spielen hierbei breitbandige Multi-Energy-Harvesting-Systeme, die für eine Verlängerung der Betriebsdauer ohne Batteriewechsel sorgen. Auch durch die Minimierung von Regelstrecken zur Verkürzung von Reaktionszeiten und des energieverzehrenden Datentransfers kann die Betriebsdauer der Sensorsysteme weiter erhöht werden [4].

Für den Einsatz im Produktionsumfeld haben energieeffiziente bzw. autonome Sensorsysteme in Verbindung mit einer hohen Miniaturisierung gerade an schwer zugänglichen Stellen oder beweglichen Teilen entscheidende Vorteile. Durch den Einsatz von Low Power Wake-up Receivern wird zudem sichergestellt, dass ein Sensorknoten nicht permanent Daten misst, sondern erst bei einem bestimmten Schwellwert geweckt wird. Weil der Receiver länger im Standby-Modus bleibt, kann der Energieverbrauch somit weiter reduziert werden. Auch die Funkkommunikation im 5G-Bereich wird die Vernetzung im Produktionsumfeld in der Zukunft entscheidend mitprägen. Können doch hierüber, neben der Vernetzung von Mobilfunknutzern, auch intelligente Objekte wie Industrieroboter und mobile Fahrzeuge vernetzt werden.

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Antennencharakteristik Fraunhofer IZM

Anforderungen an Integrationstechnologien

Die unterschiedlichen Umgebungs- und Produktionsbedingungen stellen für die Aufbautechnik vernetzter Systeme eine enorme Herausforderung dar. Es werden immer individuellere Systeme mit ihren spezifischen Eigenschaften gefordert. Das trifft insbesondere für hochenergieeffiziente, miniaturisierte Systeme zu, da man alle redundanten und nicht benötigten Funktionalitäten als zusätzliche Energieverbraucher ausschließen möchte. Damit wiederum steigen die Anforderungen an die Entwicklungsprozesse und die verwendeten Systemintegrationstechnologien, um die Fertigungs- und Endkosten auch bei geringen Stückzahlen weitgehend niedrig zu halten. Mit den beiden fortschrittlichen Aufbaustrategien des Wafer- und Panel-Level-Packaging wurden in den letzten Jahren enorme Fortschritte bei den Systemintegrationstechnologien erzielt. Hervorzuheben ist hier das Fan-Out Wafer-Level-Packaging (Fan-Out-WLP), bei dem eine Umverdrahtung (Redistribution Layer) ermöglicht, über die Chipfläche verschiedenste Anschluss-Layouts flexibel anzupassen und darüber hinaus weitere Schritte der Systemintegration auf Package-Ebene (System-in-Package) durchzuführen. Neben dem Wafer-Level gibt es hierbei auch den Panel-Level-Ansatz, bei dem Substrate bis zu einer Größe 18“ x 24“ verarbeitet werden. Damit können die Fertigungskosten noch weiter reduziert werden. Aus den vielfältigen Anforderungen bei der Digitalisierung der Produktionsumgebung werden nachfolgend drei Beispiele aus der Sensorik herausgegriffen, um den Einsatz der Systemintegrationstechnologien zu verdeutlichen.

Während die Radartechnologie im Automotive-Bereich seit vielen Jahren erfolgreich Verwendung findet, werden die Vorteile dieser Technologie gerade von anderen Branchen erkannt. In der Industrieelektronik ist das Anwendungsgebiet sehr vielschichtig, dabei können diese Systeme für Bewegungserkennungen und Geschwindigkeitsmessungen bei Maschinen genauso eingesetzt werden wie zur hochgenauen Ermittlung von technischen Zuständen (Füllständen) und Positionen. Selbst gute Bilderkennungen sind mittels Radartechnologie mit höheren Ortsauflösungen möglich.

Ein Beispiel ist auch ein 24-GHz-Radarsensormodul mit Signalauswertung, PLL, RF-Frontend und flexiblen Antennen für den Einsatz in einer Sensorplattform. In das Modul wurden zwei ultradünne 24 GHz Transceiver IC, mit einer Stärke von nur 20µm eingebettet. Die Eingangs- und Ausgangssignale sind mit 4×4 Slot-Antennenarrays verbunden. Jede Anordnung besteht aus einem einzelnen Sendeantennenelement und 15 Empfangselementen, wodurch eine Verstärkung von 11dBi erreicht wird. Die Antennenarrays befinden sich direkt neben den eingebetteten Transceiver ICs, wobei der Träger dazwischen teilweise entfernt wurde, um einen beweglichen Bereich und die Möglichkeit einer flexiblen Ausrichtung der Übertragungsebene der Antenne und des Erfassungsbereichs des Radarsystems zu erhalten. Damit steht ein universell einsetzbarer Radarsensor zur Verfügung, der nicht zuletzt für verschiedene Aufgaben im Produktionsumfeld in verschiedenen Positionen eingesetzt werden kann [2]. Das Sensorsystem verfügt über eine 2 GHz Bandbreite und kann im 24 GHz-IZM-Band mit 250 MHz betrieben werden. Das Modul kann über vorhandene Kommunikationsschnittstellen mit anderen Modulen verbunden werden, um die Daten weiter aufzubereiten und weiterzuleiten.

Das zweite Beispiel zeigt ein Sensorsystem zur Nahfeld-Lokalisierung, bestehend aus einem miniaturisierten Transponder und einem Radarsystem. Das Sensorsystem wurde für den Industriebereich entwickelt, um sicherheitsrelevante Verschraubungen automatisiert und hochgenau zu überwachen und mit einem Ortsbezug zu protokollieren mit dem Ziel, manuell gefertigte Schraubverbindungen sicherer zu gestalten und eine gleichbleibende Qualität zu erreichen [1]. Das Lokalisierungssystem besteht aus einem mobilen Transponder, der am Werkzeug befestigt ist, und vier festinstallierten Radar-Komponenten. Die Radar-Komponenten empfangen das Transpondersignal und ermitteln Abstand und Winkel zum Transponder, so das daraus entsprechende Werkzeugpositionen berechnet und mit weiteren Daten (Drehmoment) in einer Datenbank gespeichert werden können. Das Radarsystem arbeitet im 24 GHz Frequenzbereich (ISM-Band). Der hochintegrierte miniaturisierte Transponder vereint einen 24 GHz RF CMOS Receiver, Leistungsverstärker, digitale Phasenregelschleife (PLL) sowie Filter, PGA und ein 14-bit ADC. Als Transpondersubstrat wurde ein Dünnfilmmehrlagensubstrat auf Wafer-Basis entwickelt, wobei aufgrund der besseren HF-Eigenschaften ein Glaswafer verwendet wurde. Die Transponder-Patch-Antenne wurde zusammen mit den aktiven Chips und den passiven Komponenten auf das Transpondersubstrat gelötet.

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Abbildung 1: Radarsensor in Wafer-Level-Polymer und Flex-Technologie. Volker Mai

Ultra-dünne Mikrosensoren für die Zustandsüberwachung

Ein weiteres Beispiel zeigt den Aufbau eines Multisensor-Knotens zur Zustandsüberwachung von mechanischen Werkzeugen [2]. Dabei erfolgt die Messung von Vibration (Beschleunigung) und mechanischer Spannung. Die Kenntnis dieser Parameter hilft, die Prozessleistung zu optimieren und die Lebensdauer zu verlängern oder vorbeugende Wartungsmaßnahmen an Geräten durchzuführen. Der Multisensorknoten wurde in High-Density-Flex-Technologie mit Thin-Chip-Embedding aufgebaut. Beide Sensorchips sind extrem dünn und in die Polymerschichten einer mehrlagigen Star-Flex-Schaltung eingebettet. Die Erfassung des mechanischen Stressverhaltens erfolgt auf einem Siliziumchip von 2,37 x 2,37 mm² mittels 4 integrierten Piezowiderständen und sind an der Stelle eingebettet, wo der starre Träger verbleibt. Da das Trägerglas nur eine definierte Steifigkeit aufweist und die Siliziumplatte sehr dünn ist, verfügt der Sensor über eine hohe Empfindlichkeit. Befestigt auf Werkzeugen, Maschinen und stark beanspruchen Materialien können damit sehr gut mechanische Spannungen gemessen werden.

Auf dem Beschleunigungssensor mit einer Größe von 3,04 x 2,04 mm² sind ebenfalls 4 Piezowiderstände verbaut, wobei die Hälfte der Struktur von einem starren Träger und die andere Hälfte von einem Einbettungspolymer umgeben sind. Jede Vibration des Werkzeugs führt zu einer Verbiegung und einer damit verbundenen Wertänderung der Piezowiderstände. Durch eine Wheatstone-Brückenanordnung der Widerstände können die Auslenkungen sehr genau und bis zu hohen Frequenzen erfasst werden.

Fortschrittliche Systemintegrationstechnologien notwendig

Unter den Schlagworten Industrie 4.0 und der Digitalisierung der Produktion vollzieht sich mit einer zunehmenden Individualisierung von Produkten ein grundlegender Wandel in der Industrie. Die Vernetzung von Maschinen, Anlagen und ganzen Wertschöpfungsprozessen mittels Sensorsystemen bis zum Cyber Physical System bildet hierbei die Voraussetzung, um Daten zu erfassen, zu übertragen, auszuwerten und den Produktionsprozess gezielt zu optimieren. Wie die vorliegenden Beispiele zeigen, sind dazu in vielen Bereichen komplexe, miniaturisierte und multifunktionelle Systeme notwendig, für deren Aufbau fortschrittliche Systemintegrationstechnologien notwendig sind. Mit dem Wafer-Level- und Panel-Level-Packaging stehen hier zwei grundlegende Aufbautechnologien zur Verfügung, die entsprechende Realisierungen solcher Systeme ermöglichen.

Danksagung

Die Autoren danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Fraunhofer IZM und des Forschungsschwerpunktes Technologien der Mikroperipherik der TU Berlin für die Forschungsergebnisse und Technologiebeispiele, die in diesen Artikel Eingang gefunden haben. Gleiches gilt für die Förderer BMBF und Berliner Senat deren Projekte NaLoSysPro [2] und mit dem Leistungszentrum Digitale Vernetzung [3] wichtige Teilentwicklungen ermöglichten.

SMTconnect: Halle 5, Stand 434

Literatur und Quellen

[1] Zoschke, K. et al: High Density Flexible Substrate Technology with Thin Chip Embedding and Partial Carrier Release Option for IoT and Sensor Applications.In S. 1-6, IEEE, USA, 2019.

[2] Fritzsch, T.; Gulden, P.: Nahfeldlokalisierung von Systemen in Produktionslinien. In Konferenzband MST-Kongress, MikroSystemTechnik Kongress 2017 · 23. – 25. Oktober 2017 in München.

[3] www.digitale-vernetzung.org

[4] www.zero-power-electronic.de

 

Prof. Dr.-Ing. Dr. sc. techn. Klaus-Dieter Lang

Fraunhofer IZM

Dr.-Ing. Maik Hampicke

Fraunhofer IZM

(hw)

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