Erfolgreich ohne eigenes Produkt: Das Angebots- und Dienstleistungsportfolio der BMK Group reicht von der Entwicklung über die Fertigung bis hin zum End-of-Life-Management von Elektronikbaugruppen und Komplettgeräten. Durch die Fertigung von über 5.000 verschiedenen Elektronikprodukten verfügt der EMS auch über umfassende Erfahrungen mit Analyse- und Testverfahren. Dadurch rückt das Testengineering in den besonderen Fokus: „Unsere Kunden erwarten von uns die Anwendung einer optimalen Teststrategie, die genau zu ihren Baugruppen passt und fehlerfreie Produkte sicherstellt“, berichtet Christoph Ostermöller, Head of Advanced Test Engineering von BMK. Der Leiter des Test-Engineerings beschreibt die aktuellen Herausforderungen eines sich dynamisch entwickelnden technologischen Umfelds.
Bei BMK werden jeden Tag drei bis fünf neue Produktanläufe gestartet, die jeweils optimale Prüfstrategien erfordern. Das zu prüfende Spektrum reicht von Prototypen oder Einzellosen in sehr kleinen Stückzahlen und häufig extrem kurzfristigen Terminen bis zur Serienfertigung mittlerer bis hoher Stückzahlen mit teils großer Variantenvielfalt und hoher Testabdeckung. „Um die große Vielfalt der Testanforderungen abzudecken, setzen wir alle gängigen Testverfahren ein und nutzen deren jeweilige Stärken“, erläutert Christoph Ostermöller. So führt BMK jährlich 1.500 Prüfentwicklungen durch und kombiniert für eine möglichst hohe Testabdeckung verschiedene Verfahren.
Einsatz von Flying Probe
BMK bestätigt den Trend zu kleineren Stückzahlen und einer steigenden Variantenvielfalt bei zunehmendem Zeitdruck für die Fertigung und Prüfung. Durch immer kompaktere Baugruppen fehle häufig der Platz für Testpunkte. Der Flying-Probe-Test (FPT) wird bei BMK deshalb eingesetzt, um noch vor dem Funktionstest Bauteildefekte, Kurzschlüsse oder offene und defekte Lötverbindungen zu finden. „Die Prüfung ist auch ohne Testpunkte möglich, erfordert keinen Adapter und ist relativ schnell umsetzbar“, benennt der Testexperte die Stärken des FPT. Die Erstellung des Prüfprogramms dauert bei kleinen Baugruppen nur wenige Stunden und selbst bei komplexen Baugruppen mit einer hohen Bestückungsdichte ist das innerhalb von ein bis zwei Tagen umsetzbar.
Nach den Erfahrungen von BMK zeigen sich beispielsweise beim Prototypentest die besonderen Stärken des FPT. Der Test erfolgt bereits in der Erstmusterphase. Er ist schnell durchführbar und hilft dem Entwickler, sich auf Designfehler zu konzentrieren, weil der FPT Bauteil- oder Bestückungsfehler sehr frühzeitig erkennt. „Die Prüfung von Prototypen wird nicht durch Fertigungsfehler überlagert“, benennt Christoph Ostermöller den Vorteil.
Der FPT wird bei BMK auch in der Serienfertigung genutzt. Weil für den FPT kein Nadeladapter hergestellt werden muss, ist die Testvorbereitung kürzer. Die Testdauer ist beim FPT dagegen größer, da die Testpunkte nacheinander abgefahren werden, gegenüber dem parallelen Test beim herkömmlichen In-Circuit-Test (ICT) mit einem Nadeladapter. „Der Breakeven hängt also von der Losgröße, Stückzahl und der Testlaufzeit ab. Bei der Geschwindigkeit hat der FPT allerdings signifikante Fortschritte gemacht. Die aktuelle Maschinengeneration ist nach unserem internen Vergleich um mehr als 30 Prozent schneller geworden“, erläutert der Leiter des Test-Engineerings.
15 Jahre Erfahrung mit FPT
„Die Flying Prober sind sehr robuste Maschinen. Wir arbeiten mit dem Hersteller seit 15 Jahren zusammen und haben gute Erfahrungen gemacht. Die Maschinen laufen an etwa 300 Tagen im Jahr annähernd rund um die Uhr. Wenn wir mal bei einem speziellen Thema eine Unterstützung benötigen, erhalten wir eine schnelle und kompetente Hilfe. Das ist nicht selbstverständlich“, fasst Christoph Ostermöller die Erfahrungen zusammen.
Das Flying-Probe-Verfahren wird seit etwa 30 Jahren zum Testen von elektronischen Baugruppen eingesetzt. Es begann mit der Vorstellung des weltweit ersten Systems im Jahr 1987 durch den Hersteller Takaya. Seither passen sich die Entwicklungen der Flying-Probe-Systeme kontinuierlich an die steigenden Anforderungen der elektronischen Baugruppenfertigung an. Aus Sicht des BMK-Testexperten hat der FPT zuletzt einen weiteren technologischen Sprung gemacht. Neben der Geschwindigkeit konnte auch die Messgenauigkeit nochmals gesteigert werden. „Die neue Technologie von Takaya ist bei BMK jetzt bereits seit drei Jahren im Einsatz und hat sich gut bewährt. Jetzt können Testpunkte kontaktiert werden, die vorher nicht erreichbar waren“, so der Testexperte. Laut dem Hersteller der Testsysteme wurden das gesamte mechanische Design sowie das Antriebskonzept des FPT neu entwickelt. Dadurch konnte die Verfahrgeschwindigkeit der Testnadeln nochmals gesteigert und die Genauigkeit um 25 Prozent erhöht werden.
Die hohe Messgenauigkeit bei den Systemen wird durch eine neu entwickelte Messeinrichtung erreicht. Bei Messungen wird eine möglichst geringe Messspannung von nur 70 bis 100 mV angelegt, um hochempfindliche Baugruppen keinem unnötigen Stress auszusetzen. Dabei werden EMV-Störungen im Prüfbereich weitgehend ausgeschlossen. Maßgeblich dafür sind laut Hersteller die verwendeten Spindelantriebe mit mechanischen Achsen, angetrieben durch AC-Servomotoren außerhalb des Prüfbereichs. Wenn im Layout des Boards keine Testpunkte definiert wurden, sucht die Software des FPT anhand der CAD-Daten automatisch geeignete Ersatztestpunkte außerhalb des Bauteils, beispielsweise am Lötmeniskus oder an den Beinchen von SMT-gelöteten ICs. Für eine Kontaktfläche reicht demnach bereits ein Freiraum von lediglich 60 µm auf dem Bauteil-Pad.
Kostengünstiges Testverfahren
Der Leiter des Test-Engineerings bei BMK gibt den FPT insgesamt eine sehr gute Note. Der FPT punktet demnach mit kurzen Entwicklungs- und Durchlaufzeiten und kann bereits entwicklungsbegleitend eingesetzt werden. Er erreicht auch bei hochkompakten Baugruppen eine sehr hohe Fehlererkennung. Er ist ohne großen Aufwand flexibel einsetzbar. „Aufgrund kurzer Entwicklungszeiten fallen geringe Investitionskosten bei der Testerstellung an. Der FPT ist deshalb ein kostengünstiges Testverfahren – auch bei komplexen Baugruppen und kleinen Losgrößen“, bewertet Christoph Ostermöller Kosten und Nutzen.
(mrc)