Als Reaktion auf verschiedene Terroranschläge in Europa beschloss die Europäische Union eine Reihe von Maßnahmen zur europaweiten Terrorismusabwehr. Dazu gehören unter anderem die EU-Richtlinie 2008/43/EG (Kennzeichnung und Rückverfolgung von Explosivstoffen für zivile Zwecke) und 2012/4/EU (auch EU-Kennzeichnungsrichtlinie genannt). Die Kennzeichnungsrichtlinie (Track and Traceability Directive) hat ihren Ursprung in den Terroranschlägen von Madrid am 11. März 2004. Sie gingen als Madrider Zuganschläge in die Geschichte ein und werden in Spanien umgangssprachlich mit dem Numeronym 11-M benannt: Bei einer Serie von zehn durch islamistische Terroristen ausgelösten Bombenexplosionen kamen 191 Menschen ums Leben, 2051 wurden verletzt, 82 davon schwer. Damit stellt dieses Ereignis nach dem Anschlag auf die Pan-Am-Maschine über dem schottischen Lockerbie (1988) in der Geschichte der Europäischen Union (EU) den terroristischen Anschlag mit den meisten Todesopfern dar.

Ziel der EU-Richtlinien sind zum einen die Identifizierung und Rückverfolgung aller Explosivstoffe vom Herstellungsort oder dem ersten Inverkehrbringen bis zur Verwendung durch den Endnutzer innerhalb der EU sicherzustellen und zum anderen die Unterstützung der Vollzugsbehörden bei der Rückverfolgung von verloren gegangenen oder gestohlenen Explosivstoffen und Verhinderung von deren Missbrauch zu ermöglichen.

An den Richtlinien sind Fristen gekoppelt: So gilt die Verpflichtung der Hersteller und der Importeure zur eindeutigen Kennzeichnung von Explosivstoffen und kleinsten Verpackungseinheiten seit dem 5. April 2013. Hingegen tritt die Verpflichtung zur Datenerfassung und Aufzeichnung aller Explosivstoffe durch alle betroffenen Unternehmen ab dem 5. April 2015 in Kraft. Auch muss Ware ohne eindeutige Kennzeichnung, die vor dem 5. April 2013 produziert oder in die EU importiert wurde, bis 5. April 2015 verbraucht oder zurückgegeben werden.

Demnach ergeben sich wesentliche Herausforderungen für Hersteller, Händler, Speditionen und Endanwender. So sieht die EU vor, dass eine eindeutige Kennzeichnung von Sprengstoff in der EU durch Hersteller und Importeure erfolgt. Daraus ergibt sich eine lückenlose und zeitnahe Erfassung aller geforderten Informationen um die Rückverfolgbarkeit jedes Einzelstücks, das Sprengstoff enthält, sicherzustellen. Zudem müssen alle relevanten Informationen der zuständigen Behörde rundum die Uhr (24 h/7 T) zur Verfügung stehen. In Folge ist eine Archivierung aller relevanten Daten für einen Mindestzeitraum von zehn Jahren unabdingbar. Schließlich müssen alle für den Warenempfänger relevanten Daten durch den Lieferanten in geeigneter Form über die gesamte Lieferkette hinweg bereitgestellt werden. Wie lassen sich all diese Anforderungen zuverlässig bewältigen?

Frühzeitige Hardware- und Material-Sondierung

Bereits mit Beginn der ersten Überlegungen und Richtlinien-Definitionen seitens der EU-Kommission und der FEEM (Federation of European Explosives Manufacturers) im Jahr 2008 hat Dynamic Systems zahlreiche Hardwaretests (Drucker, Etiketten, Farbbänder, Scanner, Etikettiermaschinen) durchgeführt und aktiv bei der Auswahl und den Tests von Kennzeichnungsmaterialien sowie der Spezifikation der Datamatrix-Codes, des Dateninhaltes und der Struktur innerhalb der Branche mitgewirkt. Zusammen mit dem Deutschen Sprengverband und dem IT-Partner TTE-Europe wurden darüber hinaus auch Schnittstellen für die verwendete Software definiert, sowie geeignete Inhalte und das Layout für die Etiketten erarbeitet. Bei der Entwicklung wurde vor allem auf die Einhaltung der anspruchsvollen branchenspezifischen Sicherheitsvorschriften, eine robuste Ausführung, einen geringen Wartungsbedarf, die einfache Integration, den Preis und auch die Geschwindigkeit Wert gelegt.

Diese spezifisch für den jeweiligen Kunden entwickelten beziehungsweise angepassten Lösungen von Dynamic Systems für die automatische, halbautomatische oder auch manuelle Kennzeichnung von Sprengstoff sind bereits seit 2012 bei führenden Herstellern der Branche wie Eurodyn Sprengmittel, Dynaemergetics, Sprewa Sprengmittel oder LHS Germany erfolgreich im Einsatz.

Sprengstoffetikettierung in der Praxis bewährt

In Deutschland wurde die Richtlinie im Rahmen des 4. Sprengstoffänderungsgesetzes (4. SprengÄndG; dBGBl I 2009/44), das am 1. Oktober 2009 in Kraft getreten ist, unverändert in das deutsche Sprengstoffrecht übernommen. Die eindeutige Kennzeichnung umfasst einen lesbaren Teil mit dem Namen des Herstellers, einen alphanumerischen Teil mit zwei Buchstaben zur Kennzeichnung des Mitgliedstaats sowie drei von der nationalen Behörde zugeteilte Ziffern zur Bezeichnung des Herstellungsortes sowie einen eindeutigen Produktcode und logistische Informationen, die vom Hersteller angegeben werden. Dazu kommt eine elektronisch lesbare Kennzeichnung als Strichcode und/oder Matrixcode, die sich auf den alphanumerischen Kennzeichnungscode bezieht. Sind die Gegenstände zu klein, um den gesamten alphanumerischen Code anzubringen, genügt der elektronische Code zusammen mit den fünf Buchstaben/Ziffern zur Bezeichnung des Mitgliedsstaates und des Herstellungsortes. Im Folgenden werden zwei erfolgreiche Praxisbeispiele beschrieben.

1. Perforatoren-Etikettierung

Für Dynaenergetics wurde gemeinsam mit Produktionsleiter Martin Klein eine Lösung für die automatische Etikettierung bei Perforatoren an zwei Standorten in Deutschland und in den USA entwickelt. Die Aufgabenstellung bestand darin, Produkte mit einer extrem kleinen verfügbaren Fläche (max. 10 mm x10mm) mit einem Etikett von 8 mm x 8 mm inklusive eines EU-konformen Datamatrix-Codes in einer Roboterzelle zu kennzeichnen. Hierbei wurde vor allem auf eine möglichst hohe Geschwindigkeit und Genauigkeit bei der Kennzeichnung Wert gelegt, da der Durchsatz der Produktionsmaschinen nicht beeinträchtigt werden sollte. Für einige Produkte, die nicht automatisch gekennzeichnet werden können, wurden zudem halbautomatische Anlagen entwickelt. Hier werden die Produkte manuell in die Maschine eingelegt und dann vom Automaten markiert.

2. Fahnen-Etiketten für Zünddrähte

Dynaenergetics ist nicht nur in der Produktion und Weiterverarbeitung von Sprengstoff tätig, sondern auch ein Hersteller von Zündern. Für diesen Anwendungsbereich wurde gemeinsam mit Dynamic Systems ein Halbautomat entwickelt, mit dem es möglich ist, Fahnen-Etiketten auf den Zünddrähten anzubringen. Zur Kennzeichnung wird die Rolle mit vorgedruckten Etiketten in den Automaten eingelegt, zu den manuell eingebrachten Zündern befördert und das Etikett um den Zünddraht herum zu einer äußerst passgenauen Fahne gefaltet. Auch hier wurde die Auswahl der Materialien durch Dynamic Systems in enger Kooperation mit dem Kunden Dynaenergetics getroffen und gründlich getestet, um den branchenspezifischen Anforderungen entsprechend der EU-Vorgaben mit Blick auf die Informationsvorschriften bei Sprengstoff gerecht zu werden.

„Die Projektierung und Realisierung zur Umsetzung der EU-Richtlinie ist zusammen mit Dynamic Systems sehr erfolgreich, problemlos, schnell und zuverlässig verlaufen“, berichtet Produktionsleiter Martin Klein und ergänzt: „Die Kompetenz und das Engagement von Dynamic Systems, insbesondere des Projektbetreuers Peter Michalski, haben uns zu praxisnahen, robusten und zudem auch preiswerten Lösungen verholfen.“

Kennzeichnungsmaterial und Druck aus einer Hand

Dynamic Systems produziert nicht nur die Etiketten. Der Systemanbieter für industrielle Kennzeichnung bedruckt diese im hauseigenen Druckcenter auch mit fortlaufenden Datamatrix-Codes nach Kundenvorgabe, prüft deren Inhalt per Scanner respektive Kamera auf Richtigkeit und liefert die fertige Etiketten-Rollenware verarbeitungsfertig aus. In weiteren Schritten unterstützt das Unternehmen in diesem Projekt auch den Software-Partner TTE-Europe, um die vom Gesetzgeber ab 05. April 2015 aufgestellten Kennzeichnungsvorgaben auch für alle Händler, Speditionen und Endanwender als praktikable Track-and-Trace-Lösungen zu realisieren. Die EU-Richtlinien-konforme Hardware und Software nach 2008/43/EG bietet bereits zahlreiche Zusatzfunktionen, die viele Abläufe im Unternehmen optimieren und vereinfachen, wie etwa ein elektronisches Lagerbuch, XML-Dokumente für einen transparenten Lieferweg oder auch die Einbindung der vorhandenen Software mit Bereitstellung aller Daten für den internen Gebrauch (Lagerhaltung, Produktionsplanung, Stichproben, Rücklieferungen, Kommissionierungen, Inventur) und vieles mehr.

Sprengstoffpakete mit Code

Gemeinsam mit seinen Projektpartnern erarbeitet Dynamic Systems bereits seit mehreren Jahren Lösungen zur praxisnahen und erfolgreichen Umsetzung der Richtlinie 2008/43/EC. Das Resultat ist ein laut eigenem Bekunden hundertprozentig funktionstaugliches Kennzeichnungssystem, das bereits bei weltmarktführenden Unternehmen der Sprengstoffbranche zum Einsatz kommt.

Marisa Robles Consée

ist Chefredakteurin Productronic

(mrc)

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