Um die Schutzlackierung aufzubringen, sind verschiedene und unterschiedlich aufwändige Verfahren möglich. Generell sind flexiblere Materialien gut für thermische Belastungen geeignet, harte und unelastischere Materialien sind beständiger gegenüber Chemikalien. Welches Material letztendlich zum Einsatz kommt, lässt sich für das jeweilige Produkt in teilweise aufwändigen Testreihen ermitteln. Natürlich gibt es Empfehlungen der Materialhersteller, doch die schlussendliche Entscheidung muss der Produkthersteller der elektronischen Baugruppe selbst treffen.

Die Möglichkeit, elektronische Baugruppen mittels des Conformal-Coating-Prozesses zu schützen, wird speziell in Branchen, bei deren Produkten eine fehlerfreie Funktionsweise essenziell ist, immer mehr nachgefragt. Ein aktuelles Beispiel sind hier etwa Offshore-Windanlagen. Aber auch in anderen Bereichen, in denen die Leiterplatten konstant Verunreinigungen oder anderen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, ist solch eine Schutzlackierung sinnvoll, um auf lange Sicht die Leiterplatten und somit deren Funktionsweise zu schützen.

Lackieren in der Linie

Im Prototyping mag es noch sinnvoll sein, die Schutzlacke mit manuellen Verfahren aufzutragen, doch in Produktionsumgebungen mit größeren Stückzahlen und zahlreichen Produktwechseln muss sich das Conformal Coating möglichst nahtlos in die Produktionsabläufe eingliedern lassen. Bei Unternehmen, die ein sehr breites Spektrum an Schutzbeschichtungen haben, größere Stückzahlen produzieren und zudem schnelle Reaktionszeiten benötigen, ist es meist wirtschaftlicher, das benötigte Equipment für das Conformal Coating vor Ort zu haben, um sich so an die Marktgegebenheiten optimal und individuell anpassen zu können. Die Produkte aus der eigenen Produktion extern lackieren zu lassen, würde in vielen Fällen den erforderlichen Zeit- und Kostenrahmen sprengen.

Um den optimalen Schutz der Baugruppen sicherzustellen, steigen selbstverständlich auch die Anforderungen an die eingesetzten Lackiermaschinen. Hoher Durchsatz, geringe Rüstzeiten, minimaler Wartungsaufwand, ein fehlerfreies, immer wieder aufs Neue reproduzierbares Ergebnis – die Liste der Kriterien ist lang, um eine neue Fertigungslinie erfolgreich am Markt zu platzieren. Investitionen müssen sich wirtschaftlich rechnen. Bei Rehm Thermal Systems haben sich die Entwickler um das Thema Conformal Coating intensiv Gedanken gemacht und nun mit der Protecto-Line eine Anlage zur automatisierten Lackierung von Leiterplatten der Öffentlichkeit vorgestellt.

Erfahrung mit automatischen Prozessabläufen in der Leiterplattenherstellung bringen sie als Spezialisten für Reflow-Lötanlagen mit. Mit der Protecto-Line reagieren sie nun auf die wachsenden Erfordernisse des Marktes. Nicht nur in der Luft- und Raumfahrttechnik, im Schiffsbau oder bei militärischen Produkten sind Schutzlackierungen zwingend notwendig. Anwendungsgebiete finden sich in allen Branchen der Elektronikindustrie.

Zu einer kompletten Conformal-Coating-Linie gehören neben den eigentlichen Lackieranlagen auch die Handlings-Einrichtungen sowie die Trocken- oder Härteöfen. Das richtige Trocknen der Lacke ist ein enorm wichtiger Teil des Prozesses. Der Trocknungsprozess folgt direkt nach der Lackierung. Durch ein detailliert regelbares Temperaturprofil muss er zuverlässig und reproduzierbar sein. Falsche Temperaturprofile oder zu schnelle Härtung führen zu Fehlern wie Blasen, Krater oder Orangenhaut auf der Oberfläche. Ausschuss und Verzögerungen sind die Folge. Schutzlackieren ist daher kein trivialer Prozess.

Es gibt verschiedene Methoden, mit denen der Lack in der Praxis auf die Bauteile aufgetragen werden kann. Spritzen, Sprühen, Tauchen, Fluten, Dispensen und Gasphasenbeschichtung stehen zur Verfügung. Dabei sind diverse Parameter zu beachten, denn nicht jeder Lack kann mit jedem Verfahren appliziert werden. Da, wie eingangs erwähnt, meist nicht alle Bauteile auf einer Leiterplatte lackiert werden dürfen, ist mittlerweile die selektive Sprühlackierung zum Standardverfahren des Conformal Coating geworden.

Vier Düsen machen den Unterschied

Interessant ist die Verwendung von vier Beschichtungsdüsen. Entweder wird durch alle vier Düsen der gleiche Lack geschickt, um den Durchsatz der Anlage zu erhöhen, oder es lassen sich bis zu vier verschiedene Lacke gleichzeitig einsetzen, um die Flexibilität der Anlage zu erhöhen und Rüstzeiten zu senken. Das bedeutet in der Praxis, bei einem Produktwechsel muss nicht jedes Mal umgerüstet werden. Ein Lack kann bis zu drei Wochen quasi in Warteposition stehen, ohne dass etwas passiert. Die Parkposition der Düse in einem Lösungsmittelbad, geführt durch einen Bürstenschaft, verhindert das Eintrocknen des Lackes und damit die Verstopfung der Düse. Außerdem ist das Lacksystem luftdicht geschlossen. Die gleichbleibende Viskosität der Lacke wird durch gleichmäßiges Beheizen sichergestellt. Auch hier geht Rehm einen neuen Weg: Der Lack wird nicht schon im Behälter, sondern erst direkt in der Düse aufgeheizt. Dies sorgt dafür, dass die Lacke nicht mehrfach aufgeheizt werden und deshalb im Laufe der Zeit ihre Viskosität verändern. Nur die Lackmenge, die auch wirklich aufgetragen wird, wird optimal erwärmt.

Das Problem des hohen Wartungsaufwandes einer Lackieranlage wegen Reinigungsarbeiten und verstopften Düsen wird am Markt oft beklagt. Deshalb legt Rehm großen Wert auf die Düsentechnologie, die zusammen mit einem Partner entwickelt wurde. Das für die Protect-Line entwickelte selektive Auftragsverfahren Stream-Coat ermöglicht eine Beschichtung ganz nach individuellen Anforderungen. Die Besonderheit dieses Verfahrens ist die neuartige Düsenform. Ein Außendurchmesser von 2,5 mm mit einer Länge von bis zu 100 mm macht es möglich, auch zwischen eng stehenden, hohen Bauteilen bis unter die Bauteile selbst zu lackieren. Eine implizierte Luftdüse dosiert den Lack sehr präzise und verteilt ihn spritz- und nebelfrei. Der gleichmäßige Lackfilm lässt sich sogar hinter benachbarten Bauteilbeinchen und in Schattenzonen aufbringen. Mehrfaches Überfahren oder aufwändiges mechanisches Schrägstellen der Düsen ist daher nicht mehr nötig.

Mit den Stream-Coat-Düsen lassen sich alle gängigen Lacke – von niedrig viskos bis hochviskos – verarbeiten. Trotz des geringen Außendurchmessers beugt eine relativ große Austrittsöffnung schnellem Verstopfen durch Schmutzpartikel oder dickflüssigen Lacken vor. Die Lackmenge wird automatisch an die Fahrgeschwindigkeit der Baugruppe in der Anlage angepasst. Langsam heißt weniger Lack, schneller bedeutet mehr, sodass immer ein gleichmäßiger Lackauftrag gewährleistet wird. Ein so genanntes Jettingventil ermöglicht es zudem, durch extrem schnelles Öffnen und Schließen der Austrittsöffnung, den Lack punktgenau zu applizieren. Durch die Kombination von Stream-Coat-Düse und Jettingventil lassen sich extrem selektive, bis auf den Millimeter genaue Beschichtungen auftragen. Außerdem ist es möglich, programmgesteuert „on the fly“ zwischen Sprühen, Jetten und Dispensen zu wechseln, ohne die jeweilige Düse austauschen zu müssen.

Schutzlackierung gekonnt aufbringen

Die Verfahren, mit denen die Schutzlacke auf die elektronischen Baugruppen aufgebracht werden, sind teilweise sehr aufwändig und kostenintensiv. In diesem Bereich sind noch nicht alle Prozesse überall automatisiert. Mit der neuen Conformal-Coating-Anlage hat Rehm ein äußerst flexibles, an den Bedürfnissen des Marktes orientiertes Produkt entwickelt.

Productronica 2013: Halle A4, Stand 335

Bernd Marquardt

ist im Produktvertrieb Conformal Coating, Rehm Thermal Systems

(mrc)

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Unternehmen

Rehm Thermal Systems GmbH

Leinenstraße 7
89143 Blaubeuren
Germany