Bild 1: Um die Einbringung von Luft zu vermeiden, empfiehlt es sich, Bauteile mit komplexen Geometrien wie diese Spule unter Vakuum zu vergießen.

Bild 1: Um die Einbringung von Luft zu vermeiden, empfiehlt es sich, Bauteile mit komplexen Geometrien wie diese Spule unter Vakuum zu vergießen. (Bild: Scheugenpflug)

Ob Automobil-, Industrie- oder Consumer-Elektronik: Elektronische Bauteile wie Chips oder ganze Leiterplatten sind vor mechanischen oder chemischen Belastungen zu schützen. Ein typisches Beispiel sind Abgassensoren für die Motorsteuerung oder Komponenten, die in heißem Getriebeöl zum Einsatz kommen. Aber auch ungeschützte Drahtwicklungen und Kupferlackdrähte bei Wickelgütern gehören zu solchen Anwendungen und sind je nach Verwendung erheblichen Belastungen durch Korrosion, Vibration, Feuchtigkeit sowie hohen Spannungen ausgesetzt. Da Umspritzen fertigungstechnisch aufwändig und durch die Spritzgussformen auch teuer ist, sind Vergussmassen meist das Mittel der Wahl.

Hohlräume und Luftblasen

Bild 1: Um die Einbringung von Luft zu vermeiden, empfiehlt es sich, Bauteile mit komplexen Geometrien wie diese Spule unter Vakuum zu vergießen.

Bild 1: Um die Einbringung von Luft zu vermeiden, empfiehlt es sich, Bauteile mit komplexen Geometrien wie diese Spule unter Vakuum zu vergießen. Scheugenpflug

Dabei erfüllt ein konventioneller Verguss in der Praxis oft nicht alle Anforderungen. So können in den kleinen Hohlräumen innerhalb der Drahtwicklungen kleine Luftbläschen eingeschlossen sein, die unter anderem die Isolierung und damit die Hochspannungsfestigkeit aufheben oder deutlich reduzieren. Luftblasen unter Leiterplatten dehnen sich bei thermischer Belastung je nach Geometrie um mehrere Millimeter aus, was zu Spannungen im Verguss und an der Leiterplatte führt. Bei starken Spannungsspitzen können sich auch beim Einsatz spannungsausgleichender Klebstoffe Risse bilden, durch die Chemikalien wie Öl eindringen und das Bauteil angreifen.

kein hexenwerk

Besonders in Hochleistungsanwendungen steht der Schutz der elektronischen Komponenten an erster Stelle. In einem Praxisversuch vergleichen Scheugenpflug als Hersteller hochwertiger Klebe-, Dosier- und Vergusstechnik und der Industrieklebstoff-Hersteller Delo die Verfahren Vakuum- und Atmosphärenverguss miteinander. Es zeigt sich, dass der Verguss unter Vakuum kein Hexenwerk ist und zu blasenfreien Ergebnissen führt.

Für Anwendungen, die besonders zuverlässige elektronische Baugruppen erfordern, bietet sich daher ein Verguss unter Vakuum an. Dieses auch inlinefähige Gießverfahren vermeidet mit der Erzeugung eines Vakuums in der Vergusskammer den Einschluss von Luft. Außer für wertvolle, elektrisch extrem beanspruchte sowie sicherheitskritische Komponenten eignet sich der Vakuumverguss auch für Bauteile mit komplizierten Geometrien und Hinterschneidungen oder engen Zwischenräumen.

Lösung für anspruchsvolle Fälle

Neben rein funktionalen Aspekten profitiert auch das Design vom Verguss unter Vakuum. Sind beispielsweise im Automobilbereich Schwellerleisten mit hochwertigen Designs zu versehen oder beleuchtete Tasten und Schalter herzustellen, stellt das hohe Anforderungen an die eingesetzten Produktionsverfahren. Denn aufgrund der Positionierung im direkten Sichtbereich der Kunden führen selbst kleinste Inhomogenitäten oder Lufteinschlüsse unmittelbar zu Ausschuss. Hier ermöglicht der Vakuumverguss eine hochwertige Optik und Haptik, die sich mit anderen Verfahren unter Umständen gar nicht beziehungsweise nur sehr kostenspielig umsetzen ließen.

Technisch ist das Erzeugen eines realen Vakuums mit kompletter Luftleere gar nicht notwendig, vielmehr reicht in der Regel eine Druckminderung auf 5 bis etwa 100 mbar. Bei Applikationen mit sehr hohen Anforderungen, beispielsweise dem Verguss von Zündspulen, kann es notwendig sein, den Druck noch weiter zu senken. Je weiter der Luftdruck allerdings abgesenkt wird, desto länger dauert das Evakuieren und desto höher sind die Energiekosten. Zudem kommt nicht jedes Bauteil und ebenso wenig jedes Vergussmedium mit einer starken Druckreduzierung klar. Während Wickelgüter weitgehend unempfindlich sind, kann die in einem Kondensator eingekapselte Luft das Bauteil bei äußerem Unterdruck zum Platzen bringen. Aus diesen Gründen sollte das Vakuum gezielt auf die jeweilige Aufgabenstellung abgestimmt sein.

Entgasung verhindert Luftblasen

Bild 2: Beim Evakuieren der Vakuumkammer sind die Höhe des Vakuums und die damit einhergehende Evakuierungszeit individuell auf das Bauteil bzw. den Gesamtprozess abzustimmen.

Bild 2: Beim Evakuieren der Vakuumkammer sind die Höhe des Vakuums und die damit einhergehende Evakuierungszeit individuell auf das Bauteil bzw. den Gesamtprozess abzustimmen. Scheugenpflug

Um Blasenfreiheit sicherzustellen, muss der gesamte Aufbereitungs-, Förder- und Dosierprozess unter Vakuum erfolgen. Mittels einer Dünnschichtentgasung entfernt eine Aufbereitungsanlage jede Spur von gelöster Luft in der Vergussmasse. Ein Rührwerk unterstützt zusätzlich die Entgasung, indem es das Material umwälzt. Dadurch gelangt gelöste Luft zur Grenzfläche zwischen Materialoberfläche und Vakuum. An den obersten Schichten setzt der Entgasungseffekt ein. Um eine Wiedereinbringung von Luft während der Förderung zu verhindern, sind sämtliche Verschraubungen, Materialleitungen, Pumpen und Ventile hermetisch abgedichtet.

Zudem sorgen das Rührwerk und die zeitgesteuerte Zirkulation des Materials in Behältern, Pumpen und Leitungen für eine stetige Homogenität des Vergussmediums und verhindern so die Sedimentation der enthaltenen Füllstoffe, die sonst besonders in Produktionspausen auftreten kann. In der Praxis hat es sich außerdem als nützlich erwiesen, wenn die Anlage für abrasive Medien ausgelegt ist. Damit lassen sich auch Vergussmassen mit harten und scharfkantigen Füllstoffen gut dosieren.

Bild 3: Unter Vakuum vergossene Standardbauteile im Kunststoffgehäuse lassen sich bei Bedarf auch im Automotivebereich einsetzen, (Transparent zur Illustration, schwarz wie im Einsatz.)

Bild 3: Unter Vakuum vergossene Standardbauteile im Kunststoffgehäuse lassen sich bei Bedarf auch im Automotivebereich einsetzen, (Transparent zur Illustration, schwarz wie im Einsatz.) Delo

Praxistest Vakuum vs. Atmosphäre

Um den Unterschied zwischen Vakuum- und Atmosphärendruckverguss aufzuzeigen, haben Delo und Scheugenpflug einen Versuch mit Standardkomponenten durchgeführt. Zum Einsatz kam eine gewöhnliche Leiterplatte in einem konventionellen PBT-Kunststoffgehäuse, als Vergussmasse ein niedrigviskoses, zweikomponentiges Epoxidharz für den Hochzuverlässigkeitsbereich, um einen Einsatz im Automotivebereich zu simulieren. Dieses Produkt ist dauerhaft temperaturbeständig bis 200 °C, resistent gegenüber Diesel, Benzin oder Öl und schützt in der Praxis zum Beispiel Motor- und Abgassteuerungssensoren.

Für den Vergussversuch unter Atmosphäre wurden die beiden Komponenten unter Atmosphärendruck gemischt und dosiert. Im Zuge des Testlaufs unter Vakuum wurde die Vergussmasse entgast und anschließend unter Vakuum dosiert. Um einen Versuch im Labormaßstab nachzustellen, kam als Anlage die Lean VDS von Scheugenpflug zum Einsatz, ein Einstiegssystem in den Vakuumverguss. Die kompakte Anlage eignet sich besonders für Forschung und Entwicklung, als Kleinserienanlage oder zum Ablösen unsicherer und aufwändiger Hilfsprozesse wie dem Nachevakuieren.

Bild 4: Die Röntgenaufnahmen zeigen es deutlich: Diese Leiterplatte wurde unter Vakuum blasenfrei vergossen...

Bild 4: Die Röntgenaufnahmen zeigen es deutlich: Diese Leiterplatte wurde unter Vakuum blasenfrei vergossen... Delo

Zur Analyse der Vergussergebnisse entschieden sich die Unternehmen für Röntgenaufnahmen. Im Gegensatz zu Schliffbildern ist diese Testmethode nicht nur zerstörungsfrei, es besteht auch kein Risiko, das Bauteil an einer blasenfreien Stelle zu trennen und so mögliche Blasen an anderen Stellen zu übersehen. Beim Betrachten der Röntgenaufnahmen beider Bauteile zeigten sich deutliche Unterschiede (Bild 4). Während die Leiterplatte oben unter Vakuum blasenfrei vergossen wurde, hat sich im unteren Bild bei der unter Atmosphärendruck vergossenen Leiterplatte eine große Blase gebildet. Je nach Anwendung und Betriebsumgebung droht deshalb ein Ausfall dieser Komponente, teilweise auch erst nach Monaten oder sogar Jahren.

Vakuumverguss lohnt sich

Bild 4: ...bei der unter Atmosphärendruck vergossenen Leiterplatte zeigen sich Lufteinschlüsse.

Bild 4: ...bei der unter Atmosphärendruck vergossenen Leiterplatte zeigen sich Lufteinschlüsse. Delo

Je nach verwendetem System können also schon beim Aufbereiten, Fördern und gegebenenfalls Mischen von ein- und zweikomponentigen Vergussmassen relativ einfach Blasen entstehen. Besonders fatal sind größere Lufteinschlüsse, die vor allem durch Hinterschnitte oder sehr enge beziehungsweise ungünstig geschnittene Geometrien entstehen. Mit der Kombination aus den richtigen Vergussmassen und einer Vakuumverguss-Anlage inklusive Materialaufbereitung und -förderung lassen sich indes Komponenten herstellen, die alle thermischen, mechanischen, chemischen und auch designtechnischen Anforderungen erfüllen.

Karin Prechtner

(Bild: Scheugenpflug)
PR und Marketingkommunikation von Scheugenpflug.

Matthias Stollberg

(Bild: Delo)
Marketingleiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Delo Industrie Klebstoffe.

(mou)

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