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(Bild: DALL·E)

Im Zuge der Zuverlässigkeitsuntersuchungen an Baugruppen werden auch die Materialzuverlässigkeit und elektrische Zuverlässigkeit betrachtet und mithilfe oft serieller Prüfungen an beschichteten Baugruppen ermittelt. Die Materialhersteller führen Teile dieser Prüfungen an unbestückten Baugruppen oder speziellen Kammstrukturen durch, um die Eignung und Alterung von polymeren Materialien, Schutzlacken und Vergüssen innerhalb eines angemessenen Prüfzeitraumes zu ermitteln und dem Anwender Entscheidungshilfen für eine Materialauswahl an die Hand zu geben [1]. Prüfungen im Hochvolt-Bereich bis zu 1200 V sind bislang normativ nicht behandelt. Um erste Anhaltspunkte zum Verhalten von Schutzlacken im Hochvolt zu erhalten, werden feuchte Wärmebelastungen, zyklisch oder konstant, in Kombination mit einer permanent überlagerten Spannung (THB = Temperature Humidity BIAS) hier unter Berücksichtigung von Spannungen bis 1000V betrachtet. Der Surface Insulation Resistance (SIR) dient als messbares Kriterium für die Auswirkung der Belastungen auf die Schutzbeschichtung. Prüfboards mit Kammstrukturen sind geeignet, um Oberflächenwiderstandsänderungen während der THB-Tests zu erfassen. Vergleichende Prüfungen bei 50 VDC Bias und 1000 VDC Bias sollen zeigen, inwieweit sich unterschiedliche Abhängigkeiten oder neue Phänomene ergeben. Verschiedene Kammabstände und Lackschichten wurden in der Versuchsmatrix berücksichtigt. Die Tests wurden auf Kupferstrukturen durchgeführt, um mögliche Korrosionserscheinungen besser erkennen zu können.

Versuchsaufbau

Für die Untersuchung wurden Vertreter verschiedener Schutzlacke ausgewählt. Neben den klassischen Acrylatharz basierenden Lacken, zum Beispiel aus den Produktreihen Elpeguard SL 1307 und SL 1800, wurde ein Silikon-basierter Lack der Reihe Elpeguard SL 1706 und ein Synthetic Rubber der Reihe Elpeguard UTC 1507 FLZ ausgewählt. Für die Lacke wurden typische Schichtdicken am unteren wie auch oberen Einsatzbereich appliziert. Alle getesteten Lacksysteme erfüllen als Conformal Coating die Anforderungen der IPC CC 830 C.

Beschleunigter Test, feuchte Wärme - zyklisch

Als beschleunigender Test wurde die BMW Norm GS 95024-3-1, K-08 zugrunde gelegt, wobei eine Betauung durch die Klimasteuerung sichergestellt wurde. Der Test beinhaltet 6 Zyklen gemäß Bild 1. Als Substrat wurde ein Prüfboard mit Kammstrukturen von 500 µm, 900 µm und 2400 µm verwendet. Der Test wurde zunächst bei 1000 V Bias durchgeführt, gefolgt von der gleichen Testfolge mit 50 V Bias.

Bild 1: Feuchte Wärme-Test in Anlehnung an BMW GS95024-3-1Konstante Klimabelastung bei 85°C/85% r.F.
Bild 1: Feuchte Wärme-Test in Anlehnung an BMW GS95024-3-1Konstante Klimabelastung bei 85°C/85% r.F. (Bild: Lackwerke Peters)

In einem weiteren Test wurde eine Dauerbelastung von 1000 V Bias bei 85 °C und 85 % r.F. über 1000 Stunden durchgeführt. Hierzu wurden ebenfalls Kammstrukturen von 500 µm, 900 µm und 2400 µm und jeweils typische Lackschichtdicken verwendet.

Bild 2: SIR-Kurven des Acrylatharzlackes vom Betauungstest bei 1000 V
Bild 2: SIR-Kurven des Acrylatharzlackes vom Betauungstest bei 1000 V (Bild: Lackwerke Peters)

Ergebnisse und Diskussion

Beschleunigter Test, feuchte Wärme - zyklisch

Die Auswertung der SIR-Messkurven des Betauungstests ergibt folgende Ergebnisse.

Bei der 1000 V Prüfung zeigt der Acrylatharzlack unterschiedliche Niveaus im SIR und zwar hauptsächlich in Abhängigkeit von den Kammabständen (Bild 2). Im Vergleich dazu zeigt die 50 V Prüfung hingegen SIR-Werte auf gleichem Niveau, unabhängig vom Kammabstand und von den Schichtdicken (Bild 3).

Bild 3: SIR_Kurven des Acrylatlackes vom Betauungstest bei 50 V.
Bild 3: SIR_Kurven des Acrylatlackes vom Betauungstest bei 50 V. (Bild: Lackwerke Peters)

Beim Synthetic Rubber Test zeigen sich andere Abhängigkeiten. Beim 1000-V-Test zeigt sich eine höhere Abhängigkeit von der Schichtdicke, während der Kamm-abstand hier eine untergeordnete Rolle spielt (Abb. 4).

Abb. 4: SIR Kurven des Synthetic Rubber vom Betauungstest bei 1000V
Abb. 4: SIR Kurven des Synthetic Rubber vom Betauungstest bei 1000V (Bild: Lackwerke Peters)

Bei dem 50-V-Test wurden, auf insgesamt hohem Niveau, nur leicht unterschiedliche SIR-Werte gemessen. Tendenziell zeigen hier niedrigere Schichtdicken höhere Widerstände (Abb. 5).

Abb. 5: SIR Kurven des Synthetic Rubber vom Betauungstest bei 50 V.
Abb. 5: SIR Kurven des Synthetic Rubber vom Betauungstest bei 50 V. (Bild: Lackwerke Peters)

Das silikonbasierte Lacksystem zeigt beim 1000-V- Test hingegen bei niedrigen Schichten große Unterschiede im Isolationswiderstand bei den 500 µm und 900 µm Kammabständen (Bild 6).

Bild 6: SIR-Kurven des Silikonlackes vom Betauungstest bei 1000 V
Bild 6: SIR-Kurven des Silikonlackes vom Betauungstest bei 1000 V (Bild: Lackwerke Peters)

Bei 50 V gibt es keinen Einfluss des Kammabstandes und der Schichtdicke auf den Isolationswiderstand (Bild 7).

Bild 7: SIR-Kurven des Silikonlackes vom Betauungstest bei 50 V.
Bild 7: SIR-Kurven des Silikonlackes vom Betauungstest bei 50 V. (Bild: Lackwerke Peters)

Insgesamt lässt sich für diese drei Lacksysteme festhalten, dass bei 50 V Bias weder der Kammabstand noch die Lackschichtdicke einen größeren Einfluss auf den Isolationswiderstand haben. Bei 1000 V Bias hingegen nimmt dieser Einfluss zu, wobei hier je nach Lacksystem eher die Schichtdicke oder eher der Kammabstand eine größere Rolle spielt. Auffällig ist, dass der Isolationswiderstand, wenn er durch die Schichtdicke oder c abfällt, dies bereits zu Beginn im ersten Zyklus tut und im gesamten Prüfzeitraum dann relativ konstant bleibt.

Obwohl die Isolationswiderstände größtenteils auch bei niedrigen Schichten und niedrigen Kammabständen noch ein ausreichend hohes Niveau zeigen, so sollte doch bei Hochvolt-Applikationen ein stärkeres Augenmerk auf eine ausreichende Schichtdicke und entsprechend große Kammabstände gelegt werden.

Bei der optischen Betrachtung der Prüfboards fallen punktuelle Korrosionen an den Kupferleitern auf. Diese Korrosionen stehen in Zusammenhang mit Verunreinigungen, die bei der Erstellung der Prüflinge unbeabsichtigt eingebracht wurden. Typischerweise werden nicht leitfähige Verunreinigungen, die in den flüssigen Lackfilm gelangen, dort eingeschlossen und isoliert. Bei den angelegten 1000-V-Bias scheidet sich entlang dieser Verunreinigungen Kupferoxid ab und bildet leitfähige Verbindungen, die dann auch zu Korrosion an den Leitern führen können. Bei Hochvolt-Anwendungen ist somit auch auf entsprechende Sauberkeit in den Applikationsräumen und bei der Trocknung zu achten.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die Untersuchungen zu neuen Korrosionserscheinungen und sogenannten anodischen Migrationsphänomenen AMP im Hochvolt-Bereich in Verbindung mit Lötstopplacken verwiesen [2]. Hier bilden sich teilweise solche Kupferabscheidungen an und entlang der rezeptierten Füllstoffe (Bild 8).

Bild 8: Kupferabscheidung und Korrosion an Verunreinigungen im Lackfilm.
Bild 8: Kupferabscheidung und Korrosion an Verunreinigungen im Lackfilm. (Bild: Lackwerke Peters)

Konstante Klimabelastung bei 85°C/85% r.F.

In den Versuchen mit konstanter Klimabelastung für 1000 Stunden bei 85°C und 85 % rel. Feuchte sind grundsätzlich ähnliche SIR-Kurvenverläufe von 50 V und 1000 V zu verzeichnen. Vergleichend sind in den folgenden Diagrammen die 1000-V-Kurvenverläufe auf den verschiedenen Kammstrukturen sowie die Kurve bei einem Standard-50-V-Test dargestellt (Bilder 9-11).

Für die 1000 Stunden zeichnen sich noch keine signifikanten elektrischen Alterungserscheinungen ab, die auf die höhere Bias zurückzuführen sind. Die tendenziell bei niedrigeren Kammabständen auftretenden unruhigere Kurvenverläufe sind möglicherweise in den dort herrschenden hohen Feldstärken und kapazitiven Effekten begründet.

SIR-Kurvenverlauf eines Acrylatlack
Bilder 9-11 v.l.n.r.: SIR-Kurvenverlauf eines Acrylatlack bei 1000 h 85°C/85 % r.F. / SIR-Kurvenverlauf eines Synthetic Rubber bei 1000 h 85°C/85 % r.F. / SIR-Kurvenverlauf eines Silikon Lack bei 1000h 85°C/85 % r.F. (Bild: Lackwerke Peters)
Johannes Tekath. Lackwerke Peters
(Bild: Lackwerke Peters)

Johannes Tekath

Leiter Forschung und Entwicklung/Laborleiter, Lackwerke Peters GmbH & Co KG, Kempen  

Literatur

[1] Suppa, Dr. Manfred: Schutzlacke für elektronische Baugruppen, Kempen 2010.

[2] Lux, Dr. Kerstin: Leiterplatten unter 1000V Spannung, Dissertation, Rostock

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