Frau mit Cobot bei der Montage

Ein UR5 Roboter bestückt bei Sennheiser Manufacturing USA die Teststation rund um die Uhr mit Leiterplatten und handhabt dabei bis zu 115 verschiedene Modelle. Nur ein Beispiel, wie Cobots in der Elektronikfertigung aushelfen können. (Quelle: Robotiq)

Wenn die Qualität nicht stimmt, sind Kunden frustriert und das zu Recht. Abhilfe schaffen hohe Standards, die kontinuierliche Kontrollen von Elektronikherstellern fordern. Diese Vorgaben sorgen mitunter für Sicherheit, geht es etwa um elektronische Bauteile für medizinische Geräte oder Autos. Bisher zwingen wenig Platz und schnelle Produktwechsel Unternehmen jedoch häufig noch zum manuellen Qualitätsprüfen. Hier entwickelt sich der Einsatz kollaborativer Robotik gerade zu einem Wettbewerbsvorteil.

Zwar ist der Mensch den Maschinen in vielerlei Hinsicht noch klar überlegen. Geht es allerdings um eine hundertprozentig sichere und objektive Fehlerprüfung, hat er das Nachsehen. Trotzdem testen und inspizieren Elektronikbetriebe oft noch manuell ihre Produkte und gefährden damit deren Qualität und auch ihr Image. Beengte Platzverhältnisse, starre Strukturen und filigrane Arbeitsaufträge machen den Einsatz herkömmlicher Automatisierungssysteme kaum möglich. Hier kommen seit einiger Zeit kollaborierende Leichtroboter (Cobots) ins Spiel: Sie sind kompakt, präzise, flexibel und einfach zu bedienen. Damit unterstützen sie Elektronikhersteller nicht nur bei einer höheren Produktqualität, sondern auch rentabel zu fertigen.

Identifikation von Produktionsfehlern in-line

Sollten während des Produktionsprozesses mangelhafte Teile entstehen, ist es wichtig, dass Bildverarbeitungssysteme diese frühzeitig erkennen und Cobots sie aussortieren. Bei hohem Durchsatz und schnell wechselnden Prozessschritten steigt die Fehleranfälligkeit. Nur Stichproben durchzuführen, reicht jedoch oft auch nicht aus, um geforderte Standards sicherzustellen. Ausgestattet mit Bildverarbeitungssystemen führen Cobots in-line optische Inspektionen durch. Mit Kameras prüfen und dokumentieren diese Systeme Aufdrucke oder Geometrien von Bauteilen bis in den Mikrometerbereich. Indem sie als defekt oder fehlerhaft identifizierte Teile schon während des Fertigungsprozesses entfernen, verhindern Cobots deren Weiterverarbeitung oder Verpackung. So reduzieren sie kostspielige sowie rufschädigende Reklamationen. Den entstandenen Ausschuss analysieren die Hersteller sorgfältig und identifizieren so Optimierungspotential in ihrer Fertigungslinie.

Ein UR3 übernimmt beim Elektronikhersteller Koyo Electronics den präzisen Funktionstest der Touchscreen-Panels.
Ein UR3 übernimmt beim Elektronikhersteller Koyo Electronics den präzisen Funktionstest der Touchscreen-Panels. (Bild: Universal Robots)

Cobots entlasten bei Routineaufgaben am Ende der Fertigungslinie

Funktionstests am Ende der Fertigungslinie gelten ebenfalls als wichtiger Bestandteil, um die Zuverlässigkeit von elektronischen Bauteilen oder fertigen Produkten zu prüfen. Während Hersteller den üblichen Gebrauch eines Geräts simulieren, machen sie den zu erwartenden Verschleiß sichtbar. Dazu wird dieselbe Bewegung zehntausende Male wiederholt – für Fachkräfte mühsam und für Unternehmen wirtschaftlich unrentabel. Auch hier können Cobots das repetitive Testen übernehmen. Sie fügen sich an bestehenden Handarbeitsplätzen ein und führen Simulationen stabil und exakt aus. Mit einer Wiederholgenauigkeit von bis zu 0,03 mm führen die Roboter denselben Prozess rund um die Uhr mit gleichbleibender Präzision aus.

Ein Beispiel aus der Praxis: der Elektronikhersteller Koyo Electronics Industries. Ein UR3-Roboter von Universal Robots prüft dort die Qualität von Touchscreen-Panels. Dazu berührt der Cobot das Panel präzise mit einem Stift, um die Funktionstüchtigkeit der Geräte zu testen. Koyo Electronics reduzierte durch den Einsatz des UR3 sowohl den täglichen Aufwand am Arbeitsplatz von zehn auf acht Stunden und steigerte die Produktivität um 31 %.

Cobot steigert Durchsatz bei Leiterplatten um 33 %

Ihre Zuverlässigkeit spielen Cobots ebenfalls in der Bestückung von Testgeräten aus. Für eine elektronische Dokumentation von Gut- und Schlechtteilen verbinden Unternehmen Cobots meist mit vorhandenen ERP-Systemen. Ähnlich handhabt es der deutsche Audiotechnik-Spezialist Sennheiser. In seinem Werk im US-Bundesstaat New Mexico produziert das Unternehmen wöchentlich 30.000 Leiterplatten, die schließlich in hochwertigen Audioprodukten verbaut werden.

Bevor Cobots hier zum Einsatz kamen, legte ein Mitarbeiter acht Stunden am Tag eine Leiterplatte nach der anderen in das Testgerät und entnahm sie danach wieder. Dieser mühsame Prozess hemmte lange Zeit die Produktionsgeschwindigkeit und beanspruchte wertvolle Ressourcen der Fachkräfte. Inzwischen übernimmt ein Roboter des Modells UR5e von Universal Robots das repetitive Teilehandling. Er testet bis zu 115 verschiedene Platinentypen. Das Prüfpersonal kann ihn dafür in wenigen Schritten für neue Aufträge umprogrammieren. Während der Roboterarm das Testverfahren rund um die Uhr konsistent ausführt, widmen sich die Mitarbeiter höherwertigeren Aufgaben. Bei Sennheiser steigert der Cobot den Durchsatz in diesem Fertigungsschritt um 33 %.

Sennheiser Manufacturing USA stellt professionelle Audiogeräte her, bei denen Tausende von verschiedenen Leiterplatten zusammengebaut werden. Die Ingenieure von Sennheiser setzten den adaptiven Greifer 2F-85 von Robotiq an einem UR5e ein, um 115 verschiedene Leiterplatten zu handhaben, und konnten die Anzahl der getesteten Einheiten um 33 % steigern.

Acht Cobots beim Mittelständler Jung

Auch an anderen Stellen beseitigen kollaborierende Roboter Engpässe, etwa beim Montieren, Löten, Vergießen oder Silikonieren. Manuelle Prozesse hemmen meist die Produktivität von Elektronikfertigern und beeinflussen bei nicht exakter Ausführung die Qualität.

Ein Cobot übernimmt bei Jung das hochpräzise Verschrauben der Komponenten digitaler Radios. Die Cobots arbeiten entlang der Fertigungslinie Hand in Hand mit den Mitarbeitern des Elektronikherstellers.
Ein Cobot übernimmt bei Jung das hochpräzise Verschrauben der Komponenten digitaler Radios. Die Cobots arbeiten entlang der Fertigungslinie Hand in Hand mit den Mitarbeitern des Elektronikherstellers. (Bild: Universal Robots)

So setzt auch Albrecht Jung zur Optimierung seiner Fertigungsprozesse auf Cobots. Das Unternehmen produziert Elektroinstallationsgeräte und -systeme für die klassische und intelligente Gebäudetechnik. Um seine Mitarbeiter zu entlasten und flexibler auf Kundenwünsche reagieren zu können, hat Jung seine Produktion mithilfe von Cobots teilautomatisiert: Entlang der Fertigungslinie handhaben und montieren acht Roboterarme von Universal Robots verschiedene Bauteile und verpacken zum Schluss die Endgeräte. Sicher und schnell schraubt beispielsweise ein UR3-Roboter die Lautsprecherkomponenten von digitalen Radios zusammen. So entlastet er die Mitarbeiter von der kleinteiligen, fordernden und meist fehleranfälligen Handarbeit. Nach der Risikobeurteilung arbeiten die Cobots bei Jung ohne teure Schutzumhausungen unmittelbar neben oder Hand in Hand mit den Menschen. Durch diese sogenannte Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) steigerte der Mittelständler seinen Durchsatz, verbesserte die Fertigungsprozesse und stellt die Produktqualität sicher. Zudem beträgt die Amortisationszeit einer Cobot-Anwendung meist nur sechs bis neun Monate.

Der Autor

Andrea Alboni, General Manager Western Europe bei Universal Robots

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