
Die bonding machine, ultimate universal bondhead (Bild: AdobeStock_207810707_Ekaterina)

Modernes Produktionsequipment erzeugt im Betrieb eine große Menge von Daten, die es zu seiner eigenen Steuerung benötigt. Sie werden anschließend nicht mehr gebraucht und daher nicht gespeichert. Dabei lassen sich viele dieser Daten sehr nutzbringend auswerten, um beispielsweise die Prozesskontrolle zu verbessern. Am Beispiel Drahtbonder lässt sich das sehr gut zeigen.
Drahtbonder stellen die Stromverbindungen zwischen Halbleiterchip und seinem Gehäuse her, indem sie sehr dünne Drahtverbindungen aus Gold, Kupfer oder Aluminium verschweißen. Wegen der mikroskopischen Abmessungen der Bauteile müssen diese Maschinen in der Lage sein, vorprogrammierte Positionen nicht nur mikrome-tergenau anzufahren, sondern auch Lagetoleranzen der Bauteile zueinander automatisch auszugleichen. Automatische Bilderkennung und hochdynamische Bewegungssteuerungen sind schon seit vielen Jahren dazu verfügbar. Diese Bewegungsdaten werden aber nach der Ausführung eines Drahtbonds üblicherweise verworfen.
Diese Vorteile bietet die flexible Datenauswertung mit TraceX
Allerdings könnten diese Bewegungsdaten und viele andere Prozessdaten jedoch dazu genutzt werden, die Qualitätsüberwachung zu unterstützen. Ein besonders erfreulicher Aspekt dabei: sie fallen gewissermaßen gratis an, weil man sie ohnehin zur Maschinensteuerung braucht; sie müssten also nur abgespeichert werden. Daten gelten als das Öl des 21 Jahrhunderts. Aber genau wie Rohöl müssen auch Rohdaten erst verarbeitet werden, damit sie nutzbar sind.
Die Software-Erweiterung Trace X von F&S Bondtec setzt hier an und speichert ein breites Spektrum an Maschinendaten in einer SQL-Datenbank. Die Besonderheit hierbei ist, dass die Auswertungen nicht unbedingt fest vorgegeben sind – vielmehr können sie auch vom Benutzer beliebig selbst konfiguriert und ausgeführt werden, sind also ganz nach Wunsch anpassungsfähig. Einige beispielhafte Auswertemöglichkeiten sind im Nachfolgenden skizziert. Einfacherweise können sie in einem (wiederum frei programmierbaren) Dashboard auf der Benutzeroberfläche ausgewählt werden.

Wie beeinflussen Maschinenparameter die Produktion?
Beinahe die einfachste Auswertung betrifft alle Änderungen an den Maschinenparametern. Diese Parameter werden zwar üblicherweise im Bondprogramm festgehalten und sind somit nachvollziehbar, aber im täglichen Betrieb, und ganz besonders bei der Optimierung von neuen Anwendungen, werden häufig einzelne Parameter wie etwa Ultraschallleistung oder Bondkraft verändert. Das wird dann nicht automatisch aufgezeichnet und oft ist später nicht mehr nachvollziehbar, welche Parameter in welcher Reihenfolge geändert wurden. Hier ist es sehr nützlich, in einer Log-Funktion alle Änderungen mitzuschreiben und diesen Log anschließend zu exportieren. Das kann auch in einer CSV-Datei geschehen, die dann sehr einfach per Excel auswertbar ist. So lassen sich leicht bestimmte Parameter ausfiltern und ihr Einfluss auf das Bondergebnis dokumentieren.
Nahezu noch wertvoller ist diese Funktion, wenn ein Qualitätsproblem aufgetreten ist und daher herausgefunden werden soll, ob und wann welche Parameter in der laufenden Produktion geändert wurden. Häufig ist nämlich nicht mehr nachvollziehbar, wenn etwa wegen einer geringfügigen Änderung der Materialeigenschaften die Bondzeit verlängert wurde (was relativ häufig vorkommt), aber das Bondprogramm nicht entsprechend abgespeichert wurde. Wie Produktionsmanager aus leidvoller Erfahrung wissen, wird die Ursachenfindung bei Qualitätsproblemen dann sehr aufwändig – und könnte doch mit dem laufenden Log so einfach ablaufen. Weil die Daten aus einer CSV-Datei mit dem Zeitverlauf dargestellt werden, ist es ein Leichtes, andere Qualitätsmessungen wie Pulltests diesen Daten gegenüberzustellen und deren Einflüsse auch nachträglich zu dokumentieren.
Darum ist die exakte Positionierung der Chips entscheidend
Die Bondpositionen auf den Halbleiterchips variieren von Exemplar zu Exemplar leicht, weil die Chips mit einer gewissen Lagetoleranz abgesetzt werden. Der Bonder gleicht diese Positionstoleranzen automatisch aus und benutzt dazu ein Bilderkennungssystem, das die aktuelle Position des Chips mit der programmierten vergleicht und die Abweichungen an die Bewegungssteuerung weitermeldet, sodass die tatsächlichen Positionen korrekt angefahren werden. Üblicherweise werden diese Abweichungsdaten verworfen, aber in Trace X werden sie abgespeichert und können später genutzt werden, um die Genauigkeit der Chip-Positionierung, also die Präzision des vorherigen Fertigungsschritts zu ermitteln. Bei manchen Bauteilen ist die möglichst exakte Positionierung von großer Wichtigkeit und es ist daher wertvoll, die tatsächlichen Werte zu kennen. Dazu war es bisher nötig, die Positionen der Chips manuell auszumessen, was natürlich einen großen Aufwand mit sich bringt. Dass der Drahtbonder die Werte ohnehin ermittelt, ist also eine wertvolle Zusatzmessung, die obendrein keinen Zeit- oder Kostenaufwand erfordert. Bild 2 zeigt eine typische Auswertung als Histogramm oder auch als Heatmap.

So beeinflusst die Kleberdicke die Leistungselektronik und lässt sich tracken
Die dritte Auswertung betrifft vor allem Chips in der Leistungselektronik. Hier fließen höhere Ströme, und sie fließen häufig durch den Halbleiter auf die Rückseite zum Masseanschluss. Es ist also wichtig, dass die Wärme, die im Halbleiter entsteht, gut und gleichmäßig abgeleitet wird; bei Ungleichmäßigkeiten oder Löchern im Kleberbett sinkt die Lebensdauer der Halbleiter extrem. Bei Leitklebern oder Lotpasten folgt daraus, dass sie möglichst gleichmäßig, also in konstanter Dicke, über die Halbleiterfläche hinweg aufgebracht werden; außerdem sollte die Dicke möglichst gering sein und sie sollte über die gesamte Produktionszeit möglichst wenig variieren. Letzteres ist deswegen wichtig, damit nicht die Wärmeableitung einer Produktionscharge besser oder schlechter ist als in einer anderen. In Summe möchte man also möglichst viele Informationen über die lokale Dicke des Kleberbetts haben.
Genau das wird vom Drahtbonder geliefert, denn an jeder Bondposition ermittelt der Bonder ja die exakte Höhe der Bondfläche auf dem Chip und ebenso die auf dem Substrat. Dieser so genannte Touchdown ist für die qualitätsgerechte Ausführung des Bonds entscheidend, deshalb wird diese Bondhöhe auch mit mikrometergenauer Auflösung gemessen. Wenn man von den beiden Bondhöhen auf Chip und Substrat die (üblicherweise bekannte) Chipdicke abzieht, verbleibt die lokale Dicke des Kleberbetts, und man kann ihren Verlauf über den Chip hinweg oder auch über zahlreiche Bauteile hinweg mühelos verfolgen, wie in Bild 3 gezeigt ist. Unregelmäßigkeiten in der Kleberdicke, wie ein keilförmiges Kleberbett oder ein mit der Zeit dicker werdendes Kleberbett (verursacht durch Veränderung der Viskosität des Klebers), fallen also sofort auf und können bei zeitnaher Auswertung auch in der laufenden Produktion bereinigt werden.

Wie unterstützt KI bei der Auswertung von Maschinendaten?
Ein gewisses „Schmankerl“ bietet die Anlage der Maschinendaten in der SQL-Datenbank Post Gre noch zusätzlich: Auch als Laie kann man diese Daten beliebig auswerten, ohne eingehendere Kenntnisse von SQL-Datenbanken zu besitzen. Mittlerweile bieten nämlich KI-Systeme wie ChatGPT die einfache Möglichkeit, SQL-Abfragen durch Fragestellungen in der Umgangssprache zu erzeugen. Angesichts der Probleme, die in den meisten Fertigungsbetrieben darin bestehen, eine SQL-Auswertung von der zuständigen IT-Abteilung zeitnah programmiert zu bekommen, ist dieser Ansatz von großem Vorteil.
Wie Bild 4 zeigt, gibt man im ChatGPT-Fenster einfach ein, wonach man sucht und erhält dann die passende SQL-Abfrage. Ein Standardprogramm zur Datenbankverwaltung wie etwa pg Admin ist in der Lage, diese Statements einfach umzusetzen. Die resultierenden Daten werden dann wieder rasch in Excel übertragen und lassen sich dort beliebig weiter auswerten.

Die Vorteile und Stärken des Ansatzes lassen sich wie folgt zusammenfassen: Prozessdaten aus der Produktionsmaschine können als Frühwarnsystem genutzt werden, und zwar gleich hinsichtlich dreier Fertigungsschritte:
- Für den Prozess des Drahtbondens lassen sich Abweichungen und Trends verfolgen, sodass frühzeitig eingegriffen werden kann.
- Für den Vorprozess des Die-Bondens übernimmt der Drahtbonder seine eigene Eingangskontrolle, sodass er entweder selbst Unregelmäßigkeiten ausgleichen kann oder darauf mittels Warnungen hinweist.
- Für den Folgeprozess lassen sich Vorwarnungen oder Ausgleichsmaßnahmen auslösen, etwa die Prüftiefe erhöhen oder ähnliche Korrekturansätze anwenden.
Nicht zuletzt lässt sich auch ein Smart Data-Ansatz aufbauen, denn möglicherweise liefern die umfangreichen Prozessdaten bisher unbekannte Zusammenhänge, z. B. aus eingestellten Maschinenparametern und gemessenen Prozessresultaten. So kann das Qualitätswesen von der hautnahen und vor allem zeitnahen Auswertung der Produktionsdaten entscheidend profitieren.