Der eine braucht es, der andere hat es: Ohne Lötmaterialien lässt sich keine elektronische Baugruppe fertigen. Mit dem richtigen Gespür gelang den Brüdern Josef und Gregor Jost in knapp 40 Jahren die Metamorphose vom sauerländischen Mittelständler Balver Zinn zum Global Player für Lotmaterialien, Flussmitteln, Lotpasten und Reiniger. Mit ausgeklügelten Produktinnovationen vermag das Unternehmen seine Wettbewerber regelmäßig abzuhängen: Vorausschauend und stets mit Weitblick werden dabei die Weichen für die Produktentwicklungen gestellt. Bereits Mitte der 1990er Jahre erkannte man, dass Blei in der Elektronik absehbar keine Zukunft haben werde, weswegen man frühzeitig begann, Know-how für bleifreie Lote aufzubauen und Allianzen mit geeigneten Unternehmen zu schließen. Konsequenterweise unterzeichnete Balver Zinn im Jahr 2001 eine Kooperation mit Nihon Superior, dem Patenthalter für SN100C und Derivaten, die Balver Zinn seitdem in Kontinentaleuropa fertigt und vermarktet.

Gerade als sich die Elektronikfertigungsindustrie anschickte, zwangsläufig auf eine bleifreie Produktion umzustellen, war Balver Zinn gut gerüstet: Mit dem bleifreien Lot SN100CL (SnCu0,7Ni), dem Standardlot für die Heißluftverzinnung von Leiterplatten, setzte das Unternehmen einen Meilenstein: Das bleifreie Speziallot für HAL-bleifrei (Hot Air Leveling, LFHASL) ist ein durch Nickel stabilisiertes Zinn-Kupfer-Eutektikum mit zusätzlicher Dotierung von Germanium, um die Oxidation des Lotes zu verringern. Es zeichnet sich im Vergleich zum herkömmlichen SnCu-Lot durch wesentlich geringere Kupferauflösung und wesentlich feineres Gefüge aus. SN100CL wird seit Jahren erfolgreich in der Produktion von bleifreien Leiterplatten eingesetzt. Bestehende Heißluftverzinnungsanlagen (vertikal, horizontal) lassen sich entsprechend umrüsten.

Lotverbindung der anderen Art

Das Besondere an mit SN100CL-Lot realisierten Lötverbindungen ist, dass sie genauso glänzend sind wie bei Zinn-Blei-Legierungen. Die Eigenschaften von SN100CL erlauben überdies sehr planare Oberflächen von sehr guter Lötbarkeit auch nach mehreren Lötprozessen. Im Gegensatz zu galvanisch aufgebrachten Metallisierungen sind LFHASL-Oberflächen beständig gegen wässrig-alkalische Reinigung von Fehldrucken im Druckprozess. Leiterplatten mit einer SN100CL-Oberfläche sind gemäß der NASA-Studie vollverträglich mit SAC-Loten und auch mit dem hochzuverlässigen SN100C SnCu0,7Ni (das „L“ in SN100CL steht für Le-velling und ist ausschließlich eine Zuordnung für das Marktsegment Leiterplatte). Wie chemisch-Zinn ist die Oberfläche SN100CL auch für bleihaltige Anwendungen geeignet.

Die Vorzüge des Lotmaterials SN100CL machten Wilfried Neuschäfer neugierig. Den Gründer, Inhaber und Geschäftsführer von Neuschäfer Elektronik treiben seit mehr als 40 Jahren Ideen voran, die es umzusetzen gilt. Der einstige Bastler von Industriesteuerungen und kleinen elektronischen Baugruppen hat sich sukzessive zum kompetenten Systemintegrator mit großer Fertigungstiefe entwickelt, der im Tandem mit seinem Sohn die komplette Supply Chain eines Produkts anbieten kann. Diese enorme Fertigungstiefe hebt Neuschäfer vom Wettbewerb ab: Tatsächlich reicht die Bandbreite von der Leiterplattenfertigung über die elektronische Baugruppenfertigung bis hin zum fertigen Produkt, inklusive Gehäuse. Neben der Fertigung von elektronischen Basisprodukten zeugen der Geräte- und Anlagenbau und damit die mechanische Bearbeitung, Metallbearbeitung, Kunststofftechnik und Werkzeugbau, Sensorik, Komplettgeräte und Wasserbehandlungssysteme vom umfangreichen Leistungsspektrum des Unternehmens. Auf einer Fertigungsfläche von inzwischen 10.000 m² ist der Standort in Frankenberg/Eder über die Jahre angewachsen, aufgeteilt in Werk 1 (elektronische Basisproduktion) und das im Jahr 2005 errichtete, unter Ne-Sensoric firmierende und von Sohn Norman Neuschäfer geführte Werk 2 (Geräte- und Anlagenbau).

Die Zusammenarbeit zwischen Balver Zinn und Neuschäfer Elektronik startete vor zehn Jahren mit der Prozessbegleitung und Umstellung der Hot-Air-Leveling-Anlage auf das bleifreie Lot SN100CL. Neben den glänzenden Lötverbindungen, der geringen Kupfer-Ablegierung und der stabilen Prozessführung ist SN100CL das weltweit am meisten eingesetzte Lot für die Heißluftverzinnung – nicht zuletzt durch die jahrelange Erfahrung mit diesem Prozess und die enge Zusammenarbeit mit den Kunden. Fundierte Kenntnisse der Prozesse, der metallurgischen Vorgänge und des mikrodotierten Lotsystems, aber auch der persönliche Einsatz der Mitarbeiter von Balver Zinn ließen die Legierung zum Standardlot werden, das umgangssprachlich auch „Balver Lot“ genannt wird.

Investitionen erhöhen Produktionsfluss

Rund 7,5 Mio. Euro hat Neuschäfer in den vergangenen Jahren in seinen Produktionsstandort investiert. Nun wurden die Fertigungskapazitäten in der modernen Baugruppen-Bestückung durch die Investition in die Stickstoff-Lötanlage Powerflow EN-2 von Ersa erweitert. Auch hier hat Neuschäfer Elektronik auf die Produkte und Erfahrung von Balver Zinn gesetzt. So wurde das nach DIN EN ISO 9453 genormte Lot SN100C (Alloy 403) für die Befüllung der Maschine ausgewählt. Fachmännisch unterstützt wurde Neuschäfer durch Paolo Corviseri. Der Head of Technical Department von Balver Zinn überwachte die Inbetriebnahme und sorgte für eine optimale Einstellung der Prozesse.

Gemäß dem Motto „Alles aus einer Hand“ wurde in einen weiteren Schritt auf ein Flussmittel aus dem Hause Balver Zinn/Cobar umgestellt. Durch den Kauf der niederländischen Cobar Europe im Jahr 2007 konnte Balver Zinn sein Produktportfolio um Flussmittel und Lotpasten ergänzen. Das Cobar 95-RXN-M ist ein teilwasserbasiertes Flussmittel auf Harzbasis, das für das Wellenlöten in Volltunnelanlagen konzipiert ist und mit geringen Rückständen aufwartet. Der Lotperlenkiller ist ein hochzuverlässiges Flussmittel, das insbesondere in Automotive-Anwendungen zum Einsatz kommt. Die Kombination SN100C und 95-RXN-M sorgt für sichere und stabile Prozesse mit sehr geringen Fehlerraten.

Im engen Schulterschluss

Für beide Unternehmen stehen der Kunde und dessen produktions- und verarbeitungsrelevante Aufgabenstellung stets im Vordergrund. Das ist es auch, was beide erfolgreich vorantreibt: Während Neuschäfer als Systemintegrator dem Kunden individuelle, auf ihn zugeschnittene Lösungen bietet, entwickelt Balver Zinn hochwertige Lötmittel und ergänzt sein Portfolio um umfassende Dienstleistungen und Kundensupport. Zu den Dienstleistungen von Balver Zinn zählen etwa kostenlose und kostenpflichtige Services wie Lotbadanalysen und Prozessunterstützung. Mitarbeiterschulung und Erfahrungsaustausch schaffen menschliche und partnerschaftliche Verbindungen.

Beide gemein haben sie, dass sie in einem turbulenten internationalen Markt kontinuierlich Herausforderungen begegnen müssen. Ein Leitmotiv wie jenes von Balver Zinn – „Qualität verbindet“ – kann da recht hilfreich sein: Es beflügelt zur Entwicklung von Qualitätsprodukten wie der SN100C-Lötlegierung, die letztes Jahr zum DIN-ISO-Standard erhoben wurde und einen Meilenstein in der Unternehmensgeschichte markiert: SN100C ist eines der erfolgreichsten, bekanntesten und meist kopierten bleifreien Lote überhaupt. Moderne Flussmitteltechnologien wie Brillant B2012 für Lotdrähte oder OT2M für Lotpasten zeigen zudem, dass auch die Entwicklungsabteilung mit Hochdruck an zukünftigen Produkten arbeitet, um ständige Verbesserungen zu erzielen. Die Produkte müssen dem Bedarf der Kunden entsprechend in gleichmäßiger und kontrollierter Qualität gefertigt werden, um eine bestmögliche Kundenzufriedenheit zu erreichen.

„Qualität verbindet“ vermag aber noch mehr zu bewirken: Im Falle von Neuschäfer ist es der Grundstein für eine gute Zusammenarbeit: Aus einer einfachen Geschäftsbeziehung ist eine freundschaftlich-familiäre Beziehung zweier innovativer Unternehmen entstanden. Beide blicken auf eine zehnjährige erfolgreiche und spannende Partnerschaft zurück, die auch in Zukunft Bestand haben wird. Wilfried Neuschäfer erklärte nach Abschluss der Installationen: „Balver Zinn hat sich mit außergewöhnlichem Einsatz engagiert und insbesondere die komplette Umstellung auf Balver-Materialien durch ständige Prozessanalysen begleitet. So etwas hatten wir gar nicht erwartet, weil der After-Sale-Service meist nur Theorie ist.“

Enge Kundenbindung

Was beflügelt mehr, als eine enge und intakte Partnerschaft zwischen Lieferant und Kunde? Im Laufe von zehn Jahren ist zwischen Balver Zinn und Neuschäfer Elektronik aus einer einfachen Geschäftsbeziehung eine freundschaftlich-familiäre Beziehung zweier innovativer Unternehmen entstanden.

Marisa Robles Consée

Chefredakteurin Productronic

(mrc)

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Unternehmen

BALVER ZINN Josef Jost GmbH & Co. KG

Blintroper Weg 11
58802 Balve
Germany