Tue Gutes und rede darüber – das dachten sich die Organisatoren der 1. Technologietagung Coating Day des in Memmingen angesiedelten Werks von Rohde & Schwarz (R&S). Dass am Ende zwei Tage notwendig werden würden, um der überaus positiven Resonanz begegnen zu können, das hätte man sich indes nicht träumen lassen. Verständlich also, wenn Frank Lehmann, Leiter der Baugruppenfertigung im Produktionswerk Memmingen von R&S, davon spricht, einen „Volltreffer gelandet“ zu haben. Tatsächlich war es den Organisatoren wichtig, die hauseigene Fertigungsexpertise unter Beweis zu stellen. Denn dass sich im Allgäu ein Systemlieferant für elektrische Komponenten befindet, ist wenig bekannt, verbindet man allgemeinhin mit R&S doch eher den global aufgestellten Anbieter von HF-Messsystemen.

Große Fertigungstiefe

Organisierten den 1. Coating Day (v.l.n.r.): Michael Schneider, Jennifer Graeser, Christoph Obermüller, Dirk Lunkewitz, Martin Scheer, Franz-Josef Schoeferle und Frank Lehmann.

Organisierten den 1. Coating Day (v.l.n.r.): Michael Schneider, Jennifer Graeser, Christoph Obermüller, Dirk Lunkewitz, Martin Scheer, Franz-Josef Schoeferle und Frank Lehmann.Jennifer Kallweit

Dirk Lunkewitz, Leiter der Memminger Fertigungsdienstleistung von R&S, unterstrich dabei das Konzept der Veranstaltung: „Wir wollten unseren Besuchern ein schlüssiges Konzept bieten und eine detaillierte Expertise zur Thematik der Schutzbeschichtung von Leiterplatten am Standort Memmingen vermitteln.“ Dass bereits seit dem Jahr 2012 eine Lackierungsanlage von Nordson Asymtek installiert ist, tut dem keinen Abbruch: „Wir wollen anschaulich darstellen, dass wir in der Lage sind, neben unseren Elektronikfertigungs-Dienstleistungen auch Lackierdienstleistungen offerieren zu können“, erklärt Lunkewitz. Zudem sollte das erfolgreiche Zusammenspiel der Anbieter R&S, Nordson Asymtek und Lackwerke Peters herausgestellt werden.

Das Angebotsspektrum – und damit auch die Fertigungstiefe – ist groß: Am Standort in Memmingen befindet sich das größte Fertigungswerk des Konzerns. Hier arbeiten 1300 Mitarbeiter mit den Schwerpunkten Geräte- und Systemfertigung und Baugruppenfertigung. Durchschnittlich liefert R&S monatlich 3888 Artikel in ungefähr 308 verschiedenen Typen. Im Schnitt hat ein Artikeltyp 8,5 Baugruppen. Im Geschäftsjahr 2013/2014 hat das Unternehmen monatlich rund 36.866 Baugruppen mit durchschnittlich 750 Teilen gefertigt. Jährlich – so meldet es das Unternehmen – bestückt R&S 294 Mio. Bauteile. Unter einem Dach vereint sind die Inhouse-Fertigung und die Elektronikfertigungs-Dienstleistung: Das Fertigungswerk in Memmingen ist für die Endfertigung, den Endtest und die Auslieferung der meisten R&S-Produkte zuständig. Als Dienstleistung bietet das Unternehmen seinen Kunden die Fertigung von Hochfrequenz- und Mikrowellentechnik sowie Produktion gemäß dem Standard IPC-A-610-Class 3. Alle Abläufe und Prozesse sind nach ISO 9001 und ISO 14001 zertifiziert, zudem besteht eine Zertifizierung nach AQAP 2110.

Zuverlässige Leiterplattenbeschichtung

Seit 2012 ist die Nordson-Asymtek-Lackierungsanlage bei Rohde

Seit 2012 ist die Nordson-Asymtek-Lackierungsanlage bei Rohde & Schwarz im Produktionswerk Memmingen in Betrieb.Rohde & Schwarz

„Der Weg zur perfekten Beschichtung“ lautete nicht nur einer der Fachvorträge: Diesen Weg gehen stets auch die Memminger Fertigungsexperten. Das unterstreicht die Investition einer Anlage zur Beschichtung von Baugruppen mit Schutzlack. Seit dem Jahr 2012 setzt R&S für seine Schutzlackierungen eine vollautomatische Lackierungsanlage von Nordson Asymtek ein – mit gutem Grund: Geräte und Systeme funktionieren durch ihre elektronischen Baugruppen sicher und zuverlässig. Wenn Baugruppen besonderen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, wie etwa hoher Luftfeuchtigkeit, Schwitzwasser oder Salznebel, kann das Fehlfunktionen der Elektronik auslösen. Durch die hervorgerufenen Störungen vermindert sich die Zuverlässigkeit wie auch Lebensdauer elektronischer Baugruppen. Die Komplexität einer Baugruppe erfordert daher eine Schutzbeschichtung, um die Baugruppen vor solcherlei Umwelteinflüssen zu schützen. Dank großer Flexibilität und kurzer Rüstzeiten der Anlage lassen sich auch kleine Stückzahlen wirtschaftlich und prozesssicher bearbeiten. Die Lackierungsanlage führt einen Lackauftrag mit definierten sowie konstanten Parametern durch und beschichtet dabei auch einzelne Bereiche der Leiterplatte selektiv. Kaschierungen (wie von Steckverbindern oder Kontaktflächen) sind durch die Positioniergenauigkeit nicht notwendig.

Grundlegend für eine zuverlässige Schutzbeschichtung ist die Baugruppenreinigung, um negative Einflüsse wie Flussmittelreste, Fingerabdrücke oder Staub zu eliminieren. Zusammen mit dem Hersteller von Reinigungsmedien Zestron Europe hat sich R&S für Vigon als geeignetes Reinigungsmedium entschieden. Der wasserbasierte, leicht alkalische MPC-Reiniger kommt in unterschiedlichen Anlagenkonzepten und Agitationen wie Spritzen oder Druckumflutung zum Einsatz. MPC steht dabei für „Micro Phase Cleaning“.

Schneller, qualitativ und preiswert

In über 90 Prozent der Anwendungen wird derzeit lösemittelhaltiger Lack eingesetzt. Doch Expertenprognosen zufolge soll der Trend zu lösemittelarmen oder gar lösemittelfreien Lacken unverkennbar sein. Das hat zum Einen mit jenen zu tun, die durch hohe Volumina nur limitiert ihr Lösemittel verbrauchen, und zum Zweiten mit dem Beschichtungsprozess, der schnell trocknen muss und nicht zu viel Platz einnehmen darf. Ein weiterer Trend ist der steigende Anspruch auf Hochwertigkeit – insbesondere eine höhere Klimabeständigkeit und bessere Umweltfreundlichkeitsaspekte. Und natürlich müssen bei all diesen Aspekten die Kosten so niedrig wie möglich sein.

Wirkungsphasen der Baugruppenreinigung

Da MPC-Reiniger filtrierbar sind und keine Verarmungen an aktiven Komponenten auftreten, sind lange Badstandzeiten möglich. Die Badbedingungen bleiben dabei stabil. Die Vorteile liegen darin, dass zum Ersten die kritische Beladungsgrenze nicht erreicht wird, wodurch sich die Prozesssicherheit zusätzlich erhöht. Des Weiteren resultiert aus der langen Lebensdauer des Reinigers ein geringer Verbrauch. Geht es nach Zestron, dann sind MPC-Reiniger sehr wirtschaftlich und warten mit einem geringen Entsorgungsaufwand auf.

Wegen Verschleppungen und Verdünnung unterliegt die Konzentration des Reinigungsbades stetigen Schwankungen: Eine kontinuierliche und auf den Prozess abgestimmte Überwachung ist daher erforderlich. Um die Überwachung so effektiv wie möglich zu gestalten, hat R&S folgende Kriterien erstellt: Die Badüberwachung sollte eine einfache und schnelle Messmöglichkeit der Konzentration sein, die zuverlässige Messergebnisse unabhängig von der Badbeladung ergibt und gleichbleibend gute Reinigungsergebnisse aufweist. Zudem soll die Zuverlässigkeit der Ergebnisse durch Vergleichsmessungen belegbar sein. Aber auch die Wirtschaftlichkeit darf nicht zur kurz kommen: Die definierten Badwechselintervalle sollten dadurch bedingt sein, einen reduzierten Arbeits- und Kostenaufwand widerzuspiegeln. Um die Reinigerkonzentration im Reinigungsbad zu überwachen, entschied sich R&S für den Bath-Analyzer 20. Dieser misst die exakte Konzentration bei sowohl neu angesetzten als auch gebrauchten Reinigungsbädern. Bei dem Bath-Analyzer 20 handelt es sich um ein mobiles Testkofferset, das Anwender mit wenigen Handgriffen und ohne aufwändige Schulung in der SMT-Fertigung benutzen können.

Viel hilft viel?

Bei der Werksbesichtigung: Der Teilnehmerandrang war so groß, dass Rohde

Bei der Werksbesichtigung: Der Teilnehmerandrang war so groß, dass Rohde & Schwarz den Coating Day an zwei Tagen veranstaltete. Rohde & Schwarz

Nach der Baugruppenreinigung folgt die Schutzbeschichtung. Mit dem richtigen Lack und dem richtigen Prozess lassen sich typische Oberflächen-Phänomene wie Nadelstiche, Kocher (auch Mikroschaum) oder Blasen verhindern. Der Beschichtungsprozess birgt allerdings noch weitere Herausforderungen, weiß Peter Holger von Lackwerke Peters zu berichten. Ist Feuchtigkeit in die Schutzbeschichtung eingelagert, läuft der Lack weiß an. Die negativen Auswirkungen äußern sich durch Lösemittelgeruch, die reduzierte Schutzwirkung, schlechte elektrische Isolierung, schlechte Haftung, Einlagerung von Feuchtigkeit während klimatischer Belastung und gegebenenfalls auch durch Einlagerung anderer Schadstoffe. Dabei kann es zu Rissbildungen kommen.

Sind die Schutzlacke in zu hohen Schichtdicken aufgetragen, kommt es zu Spannungen innerhalb der Lackschicht – also zu Rissbildungen. Demnach sollten Anwender Schichtdicken im Bereich zwischen 20 µm und 50 μm auf ebenen Flächen einhalten und Schichtdicken >100 μm vermeiden. Im Falle von Dickschichtlacken sind Schichtdicken von 300 μm üblicherweise ausreichend. Gegebenenfalls hilft ein elastischeres Lacksystem, sofern Risse nicht auf zu hohe Lackschichtdicken zurückzuführen sind (hohe Temperaturschockbelastung).

Premiere einer Wissensplattform

Die Leistungsfähigkeit des Standortes in Memmingen widerspiegeln – das lag den Organisatoren des 1. Coating Day, der am 15. und 16. September 2014 stattfand, am Herzen. Die fundierten Fachvorträge, flankiert durch die Live-Demo-Lackierung und eine Führung durch die Fertigungshalle, sorgten für eine überaus positive Besucherresonanz. Die Veranstaltung diente auch dem Wissenstransfer, konnten sich die Teilnehmer über Produktionsmethoden und Applikationen am Standort Memmingen in allen Fertigungsbereichen informieren.

Jennifer Kallweit

ist Volontärin im Hüthig Verlag

(mrc)

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Unternehmen

Lackwerke Peters GmbH & Co. KG

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47906 Kempen
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Zestron a business division of Dr. O.K. Wack Chemie GmbH

Bunsentraße 6
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