Komplexe Analogchips entwickeln – das ist eine der großen Herausforderungen in der Halbleitertechnik. Zu Beginn eines Projekts ist es schwierig vorherzusagen, wie viele Iterationen nötig sind bis der Chip alle Design- und Systemspezifikationen erfüllt. Analog-Simulationswerkzeuge und -modelle wurden in den letzten Jahren zwar immer genauer, die Interaktion von empfindlichen Analogschaltungen auf der einen Seite und schnellen Digitalschaltkreisen auf der anderen Seite bereitet ihnen aber weiterhin Probleme. Komplexe System-on-Chip-Bausteine (SoC) verknüpfen häufig analoge Funktionen mit einem Mikro­controller und viel RAM, ROM oder sogar EEPROM. In dieser Konstellation ist eine aussagefähige Analogsimulation der gesamten Schaltung beinahe unmöglich. Die Entwickler müssen also Annahmen treffen, sprich: schätzen.

Bild 1: Die Kosten für eine Fotomaske sind so hoch, dass es sich lohnt, für Testmuster verschiedene Chips auf eine Maske zu integrieren und sich die Kosten zu teilen – also: ein MPW-Projekt aufzusetzen.

Bild 1: Die Kosten für eine Fotomaske sind so hoch, dass es sich lohnt, für Testmuster verschiedene Chips auf eine Maske zu integrieren und sich die Kosten zu teilen – also: ein MPW-Projekt aufzusetzen.austriamicrosystems

Fehler in den Annahmen führen zu weiteren – teuren – Design-Iterationen, die schnell die geplanten Kosten überschreiten. Nach den Personalkosten des Entwicklungsteams sind Masken (Bild 1) und Wafer die wichtigsten Posten in Entwicklungsbudgets für SoC-Bausteine. Es gilt also, Masken- und Waferkosten von Mixed-Signal-SoC-Entwicklungsprojekten deutlich zu reduzieren.

Kostenbremse

Entwickler digitaler ICs haben es hingegen gut: Deren Schaltungen sind einerseits besser vorauszusehen, und zusätzlich können sich mehrere Projekte die Kosten für eine Maske teilen, sie also gemeinsam nutzen, ohne gegenseitig die Ergebnisse zu beeinflussen. Neue Entwicklungen in der Wafer-Fertigung ermöglichen es jetzt, diesen Ansatz auch bei Mixed-Signal-Projekten zu verwenden.

Der MPW-Ansatz (Multi Project Wafer) dient dazu, die Masken- und Waferkosten zwischen mehreren Projekten zu teilen. Etabliert wurde MPW in den frühen 1980er Jahren von US-amerikanischen Universitäten, um den verschiedenen Forschungsinstituten eine Möglichkeit zu bieten, die Kosten der Chipentwicklung zu verringern. In der Folge erkannte auch die kommerzielle Halbleiterbranche das Potenzial der MPW-Programme.

Von technischer Seite ist die Fertigung eines MPW unkompliziert, solange alle Teilnehmer den geometrischen Designregeln folgen und die gleiche Technologie verwenden. Analog- und Mixed-Signal-Designs benötigen jedoch häufig spezielle Technologien, etwa RF-CMOS oder Hochvolt-CMOS, mit oder ohne integriertem nichtflüchtigen Speicher und einmalprogrammierbare Blöcke (OTP) zur Einstellung analoger Parameter. Daher unterstützen MPW-Dienstleister traditionell nur Standardprozesse, die sich selten für analoge Schaltungen eignen.

Vielfalt auf einem Wafer

Analog- und Mixed-Signal-Chips stellen die Halbleiterbranche vor besondere Herausforderungen: Ein Standard-CMOS-Fertigungsprozess reicht hier nicht mehr, es sind spezielle Prozessoptionen nötig, die sich von Baustein zu Baustein unterscheiden. Nicht komplexer wird die Lage bei Sensoren – hier hat oft sogar jeder Kunde seine eigenen Abläufe. Austriamicrosystems schafft es trotzdem, ein MPW-Programm aufzusetzen, bei dem sich die Entwickler über Projekt- und Firmengrenzen hinweg die Kosten für Design-Iterationen teilen.

Consumer-Elektronik und andere Bereiche brauchen immer mehr Mixed-Signal-SoCs. Die Foundry-Anbieter reagieren, in dem sie Techniken zur Fertigung von MPW-Wafern mit anspruchsvollen analogen Leistungsmerkmalen entwickeln. Ein zentrales Element eines solchen MPW-Programms ist eine modulare Technologie, die flexible Front-End-Module (unterschiedliche Versorgungsspannung, Optionen für Widerstände und Polysiliziumkondensatoren) und Back-End-Module (Anzahl der Verschaltungslagen und Optionen für Metallkondensatoren) bietet. Dabei sollte das automatisierte Fertigungssteuerungssystem (MES; Manufacturing Execution System) insbesondere in der Lage sein, diese Optionen automatisiert bereitzustellen.

Die Fläche nutzen

Die Anzahl der Wafer in einer MPW-Charge ist auf die Losgröße eines Produktionsloses beschränkt, üblicherweise 25 Wafer. Entsprechend wichtig ist eine gut geplante Flächennutzung (Floor Plann­ing, Bild 3) auf den Belichtungsmasken (Bild 1), um möglichst wenige Losteilungen für verschiedene Optionen zu benötigen. In der Praxis sind jeweils ein oder zwei Losteilungen für Front-End- sowie Back-End-Verarbeitung realisierbar. So sollte es beispielsweise möglich sein, mehrere 4- und 6-Metall-ICs auf dem gleichen MPW zu platzieren.

Um einsatzfähige Muster für beide Kategorien herzustellen, ist ein Back-End-Teillos auf dem Metallisierungsniveau notwendig. Kombiniert man dies mit der Anforderung verschiedener Wafer­dicken zur Unterstützung unterschiedlicher Gehäuseanforderungen, kann die Anzahl der Teillose exponentiell steigen. Front-End-Teillose (Prozessierung bis vor die Verdrahtungsebenen) sind noch schwieriger zu handhaben. In der Praxis können mit geschickter Planung bis zu 50 Teilnehmer einen MPW mit dem gleichen Maskensatz nutzen. Die einzige Beschränkung ist die Belichtungsfläche der Masken, die typischerweise um 500 mm² beträgt.

Ein MPW-Programm ermöglicht Kostenersparnisse für jeden Teilnehmer von bis zu 90 Prozent im Vergleich zur Waferfertigung mit chipspezifischen Masken. Damit können die Entwickler höhere Risiken bei ersten Prototypendesigns in Kauf nehmen, was wiederum einen höheren Innovationsgrad erlaubt.

Schwierige Sensoren

Die beschriebenen modularen Fertigungstechnologien eignen sich für zahlreiche Mixed-Signal-SoC-Bausteine auf MPW-Wafern. Noch schwieriger wird es aber, wenn das SoC Sensorstrukturen enthalten soll: Im Chip integrierte Sensoren verletzen oft die geometrischen Designregeln der Foundry oder stören andere Chips auf dem MPW durch ihren Einfluss auf die Gesamtdichten von Poly-, Dünnoxid- oder Metalllagen. Diese Dichten sind oft sowohl lokal (innerhalb des Chips) als auch global (für den gesamten MPW) definiert.

Das Floor-Planning (Bild 3) muss daher so erfolgen, dass angrenzende Chips durch die Unterschiede in den Fertigungsmethoden beim Ätzen der Metallisierungslagen nicht beeinträchtigt werden. Eine effektive Technik hierfür ist der Einsatz von Dummy-Strukturen zwischen Sensor-ICs, um den Plasmaätzprozess über den ganzen Wafer hinweg zu vereinheitlichen.

Viele Sensoren brauchen kundenspezifische Nachverarbeitungsschritte über den Standard-CMOS-Fertigungsprozess hinaus. Aus Vertraulichkeitsgründen ist es aber nicht möglich, einem einzelnen Kunden uneingeschränkten Zugriff auf den gesamten Wafer zu gestatten. Eine Lösung: die nicht dem Kunden zugehörigen Chips mit einer Metallschutzschicht abdecken, um sie so vor Reverse Engineering zu schützen. In diesem Fall muss der Restwafer nach dem Sägen an den MPW-Hersteller retourniert werden. Die zusätzlichen Kosten für den Kunden umfassen nur den Preis einer Maske und der Herstellung einiger zusätzlicher Wafer. Ein anderer Ansatz wäre die Entfernung der anderen Chips durch ein Laserschneidgerät. Allerdings führt das zu mechanischer Instabilität, die eine Nachverarbeitung häufig verhindert.

Verschiedene MPW-Einsatzvarianten

Sobald MPW-Wafer fertiggestellt sind, erhält jeder Teilnehmer eine kleine Menge Chips, typischerweise 30 bis 50 Stück. MPW-Anbieter offerieren meist das Assembly in keramischen oder Plastikgehäusen. Zu diesem Zeitpunkt ist es für den Entwickler hilfreich, den Chip mittels Prüfnadeln kontaktieren zu können – gleichzeitig wird er aber die elektrischen Eigenschaften des kompletten Gehäuses testen wollen. Ein nützlicher Mittelweg ist ein so genanntes Scoop-and-Goop-Gehäuse, also ein verändertes Plastikgehäuse mit einer ausgefrästen Vertiefung, durch die die Chipoberfläche zugänglich bleibt. Diese Gehäuse verhalten sich elektrisch wie die Produktionsgehäuse und können auf die für die Serienproduktion vorgesehene Leiterplatte aufgelötet werden, da sie die gleichen Abmessungen wie das endgültige Gehäuse besitzen. Zur Verifizierung des elektrischen Verhaltens kann ein Scoop-and-Goop-Gehäuse mit einem Auffüllmaterial aus Plastik verschlossen werden.

MPW ist nicht nur ein Ansatz für unterschiedliche Unternehmen und Institutionen zum Teilen von Masken- und Waferkosten. Designhäuser ohne eigene Fertigungsmöglichkeiten verwenden oft einen dedizierten MPW-Service für verschiedene Projekte innerhalb des einen Unternehmens. Eine weitere interessante Möglichkeit ist die Fertigung verschiedener Versionen des gleichen Chips auf einem MPW. Falls sich der Unterschied zwischen den Varianten allein auf die Verdrahtungslagen beschränkt, kann der MPW sogar in einen Einzelchip-Maskensatz für die Volumenproduktion umgewandelt werden.

Peter Pann ist Section Manager im Foundry Engineering.

Peter Pann ist Section Manager im Foundry Engineering.Austriamicrosystems

Durch die mehrfache Platzierung eines Chips auf einem MPW kann die Anzahl verfügbarer Teile auf bis zu mehreren Hundert oder sogar Tausend steigen, wenn der Kunde den MPW-Service zum Beispiel in jedem Quartal nutzt. In einigen niedrigvolumigen Anwendungen genügt das zur Volumenproduktion – Satelliten und Teilchenbeschleuniger hat Austriamicrosystems auf diese Weise bereits unterstützt.

An MPW-Programmen teilnehmen

Foundry-Anbieter wie Austriamicrosystems bieten häufig einen eigenen MPW-Service an. Daneben existieren auch unabhängige Organisationen, die Verträge mit Foundry-Anbietern abschließen und ihren Kunden eigene MPW-Programme anbieten. Diese Organisationen sind besonders hilfreich für Universitäten, Forschungseinrichtungen und Start-up-Unternehmen, denn sie bieten einen Zugang zu den Leistungen großer Waferfabs (Giga-Fabs), die üblicherweise Kunden mit weniger als einigen Tausend Waferstarts pro Jahr nicht bedienen. Die unabhängigen MPW-Organisationen besitzen enge Beziehungen zu den Foundry-Dienstleistern und können kleineren Kunden technische Unterstützung anbieten und für sie den Kontakt zur Fab halten.

Besonders für analoge Designs ist eine Engineering-Unterstützung von zentraler Bedeutung. Foundries und Serviceanbieter können Fabless-Unternehmen unterstützen, indem sie den Zugang zu umfangreichen Designwerkzeugen ermöglichen und hochspezialisierte analoge Zellbibliotheken entwickeln, die sich mit diesen Tools leicht einsetzen lassen. Hier gibt es auch komplexere Designblöcke wie hochauflösende Konverter und Bandgap-Spannungsreferenzen sowie kundenspezifisch angepasste Speicherblöcke. Wer über keine vertieften Kenntnisse analoger Designmethoden verfügt, erhält vom MPW-Anbieter sogar Training und Unterstützung bei der Integration eigener IP-Blöcke.

Sigurd Hellinger ist MPW-Manager im Full- Service Foundry

Sigurd Hellinger ist MPW-Manager im Full- Service FoundryAustriamicrosystems

Diese Design-Unterstützung ist bei der Entwicklung von Sensorschaltkreisen besonders wichtig, bis hin zur Beteiligung von Prozessentwicklungsexperten. Hier sollte ein Foundry-Anbieter den direkten Kontakt zwischen den Senior-Designern und den Entwicklern der Technologiemodule ermöglichen. Diese Zusammenarbeit kann für beide Seiten von hohem Nutzen sein und hat schon häufig wertvolle Erfindungen hervorgebracht.

Spannende Aktivitäten

Mit die spannendsten Designaktivitäten betreffen heute Consumer-Geräte wie Mobiltelefone und Tablets, die auf komplexe analoge Sensorschaltungen zur Unterstützung von GPS, Kamera-Autofokus, Beschleunigungssensor und anderen Funktionsmerkmalen aufbauen. Die Anforderungen an Weiterentwicklung und Innovation werden in diesem Bereich voraussichtlich weiter ansteigen – dabei wird die Möglichkeit, mit MPW eine kostengünstige Prototypenerstellung umzusetzen, einen ganz besonderen Stellenwert erhalten. 

Peter Pann und Sigurd Hellinger

: Peter Pann ist Section Manager im Foundry Engineering und Sigurd Hellinger ist MPW-Manager im Full- Service Foundry, Austriamicrosystems in Unterpremstätten.

(lei)

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