Die Tiefbohranlage demonstriert Kunden über einem 1.000 m Bohrloch was sie alles kann. Um die 20 Millionen Euro kostet eine solche Anlage.

Die Tiefbohranlage demonstriert Kunden über einem 1.000 m Bohrloch was sie alles kann. Um die 20 Millionen Euro kostet eine solche Anlage.Bartec

Bauer Deep Drilling hat sich seit 2007 auf Tiefbohranlagen mit hohem Automatisierungsgrad spezialisiert. „Wir kommen aus dem Bereich bis 100 m. Es ist dasselbe Metier, es wird einfach nur ein bisschen tiefer gebohrt“, schmunzelt Lothar Schirmel, Head of Design and Development Electronics Deep Drilling, bei Bauer Deep Drilling. Der große Unterschied: die Preisklasse. Ein Standardbohrgerät kostet zwischen 2.000 und 3.000 Euro. Für diese Tiefbohranlagen müssen die Kunden schon etwas tiefer in die Tasche greifen. Sie sind für rund 20 Millionen Euro zu haben.

„Wer diese Summe investiert, kauft nicht die Katze im Sack. Der Kunde will sehen, dass sie funktioniert. Nur auf dem Papier lässt sich eine solche Anlage nicht verkaufen“, weiß Schirmel. Deshalb haben die Bayern ihr neuestes Modell, die TBA 440 M 2, zu Demonstrationszwecken auf ihrem Werksgelände in Edelshausen über einem 1.000-m-Bohrloch aufgebaut. Franz Both, Projektmanager bei Bauer Deep Drilling, erklärt, worauf es in dieser Branche ankommt: „So können wir den Einbau, das sogenannte Drip-in, simulieren und den Kunden zeigen, dass der automatisierte Pipehandler das Gestänge bei hohen Geschwindigkeiten – bis zu 50 m/h – sauber ein- und ausfahren kann.“ Natürlich gilt auch hier: Zeit ist Geld. Bei Bohrtiefen bis 5.000 m dauert der Einbau entsprechend lange. Je schneller sich der Umbau bewerkstelligen lässt, desto besser. Ein weiteres Plus: Die Bohrrohre sind bei Bauer Deep Drilling mit auf der Anlage. „Das automatisierte Gestänge-Handling sorgt für Aufmerksamkeit auf dem Markt. Viele waren überrascht, dass das Pipehandling so gut funktioniert. Dass die gesamte Anlage inklusive Pipes walken kann, hat vielen gefallen“, so Both. Ein Feature, das an einen Science-Fiction-Film erinnert: Mit vier großen Hydraulikfüßen kann die ungefähr 1.000 t schwere Konstruktion in 75 cm Schritten bis zu 30 m/h zurücklegen.

Das I/O-System steckt platzsparend unter dem Führersitz

Das I/O-System steckt platzsparend unter dem FührersitzBartec

Durch den hohen Automatisierungsgrad erhöht das Unternehmen die Sicherheit und spart Personal. Weniger Personal im Gefahrenbereich bedeutet auch ein geringeres Verletzungsrisiko. Ein wesentlicher Punkt, denn wenn sich jemand verletzt, steht die Anlage komplett. Bis ergründet ist wieso, weshalb und warum der Unfall geschah, vergeht schnell ein halber oder ganzer Tag. Und ein Stillstand kostet gut und gerne 25.000 Euro pro Tag.

Sicher unterm Sitz verstaut

Die Kabinen zur Steuerung der Anlage wurden bis vor kurzem fix und fertig beim Wettbewerb gekauft. „Wir haben dann entschieden, dass wir sie in Zukunft selber bauen“, sagt Schirmel. Bei den Vorgängern war eine Standardsteuerung in einem druckfesten Gehäuse verbaut. Doch wenn man im Fehlerfall den Deckel öffnen musste, war kein Ex-Schutz mehr gegeben und die Anlage musste komplett stillgelegt werden. Das nach den aktuellen Richtlinien Atex und IECEx zertifizierte Remote I/O-System Antares von Bartec lässt sich hingegen direkt im Ex-Bereich in den Zonen 1 und 2 oder  21 und 22 installieren. Mit dem System lassen sich 32 mehrkanalige Module über eine Rail Control Unit (RCU) versorgen, woraus sich eine hohe Anzahl von Input/Output-Kanälen ergibt. Die RCU ist die zentrale Einheit des Systems mit Host-Kommunikation, Ethernet-Switch, Power-Management und I/O-Datenverwaltung. Eine SD-Speicherkarte sichert die Konfigurationsdaten als Backup.

Ein ex-geschützes Gehäuse ist nicht nötig. Das I/O-System lässt sich direkt im Ex-Bereich in der Zone 1 und 2 oder Zone 21 und 22 einsetzen.

Ein ex-geschützes Gehäuse ist nicht nötig. Das I/O-System lässt sich direkt im Ex-Bereich in der Zone 1 und 2 oder Zone 21 und 22 einsetzen.Bartec

Im Vorfeld testete Bauer Deep Drilling verschiedene Anbieter für ex-geschützte Remote I/Os. „Im Endeffekt war entscheidend, dass Antares den Vorteil der Fehlersuche im Ex-Bereich bietet, sich ohne großes Gehäuse verbauen lässt und seine Kompaktheit. Wir haben wenig Platz, die kompakte Bauweise vereinfacht es uns, das System im Steuerstand unterzubringen“, betont Schirmel. In der neuen Kabine ist das Remote I/O direkt im Sockel des Stuhls für den Anlagenfahrer integriert – eine platzsparende Lösung. Den Stuhl kann die Montage in der Werkstatt komplett fertigen und auf Herz und Nieren testen. Am I/O-System sind zwei Joysticks sowie Schalter und Bedienelemente angeschlossen, über die sich die ganze Anlage steuern lässt. Die Unterstützung offener Kommunikationsstandards vom redundanten Profibus-DP bis zu Ethernet-Standards wie Profinet, Modbus TCP und Ethernet/IP sorgt für eine komfortable Integration. Zudem lassen sich Standard-Bussysteme direkt an das System ankoppeln, zusätzliche explosionsgeschützte Komponenten wie Trennverstärker sind überflüssig.

Damit Bauer Deep Drilling im Ex-Bereich einen Standard-Joystick einsetzen kann, mussten die Ex-Spezialisten eine weitere Hürde nehmen. Dazu musste die Möglichkeit geschaffen werden, über das I/O-System auch Potenziometer einlesen zu können. „Die Höchstgeschwindigkeit für die Auf- und Abbewegung des Bohrkopfes liegt bei 1 m/s. Wenn 5 s vergehen bis die Stopp-Meldung kommt, schlagen wir oben oder unten durch“, veranschaulicht der Project Manager das Problem. Die Lösung: Ein Temperaturmodul mit einer ursprünglichen Ansprechzeit von 5 s wurde so umgebaut, dass es schneller reagiert. Die sportliche Vorgabe für die neue Ansprechzeit: 50 ms.

Damit das I/O-System auch mit dem Standard-Joystick zusammen arbeiten kann, muss es auch Potenziometer lesen können. Ein Temperaturmodul sorgt für die passenden Ansprechzeiten.

Damit das I/O-System auch mit dem Standard-Joystick zusammen arbeiten kann, muss es auch Potenziometer lesen können. Ein Temperaturmodul sorgt für die passenden Ansprechzeiten.Bartec

Flexible Zulassung spart Zeit und Kosten

Ein weiteres Argument, das für das System spricht, ist seine Flexibilität. „Änderungen und individuelle Wünsche gibt es immer, egal aus welchem Grund“, sagt Schirmel. „Da ist Flexibilität gefragt. Bei Bedarf lassen sich einfach Module dazu stecken oder austauschen.“ Hier bietet das I/O-System einen großen Vorteil: eine flexible Systemzulassung. Bis jetzt kam niemand daran vorbei, sein Remote-I/O-System eindeutig zu planen und in zertifizierte Ex-e-Gehäuse mit starrer Zulassung einzubauen. Vor allem musste der Anwender das gesamte System bei jeder kleinen Änderung zeit- und kostenaufwendig erneut zertifizieren lassen. Bei dem I/O-System reicht es hingegen aus, das Systemschild auszutauschen, wenn sich durch eine höhere Leistung die Temperatur ändert. Ab sofort kann jede Elektroplanung ihr System frei planen, nach Belieben ändern sowie erweitern und in ein Standard-Industriegehäuse einbauen.

Jan Rieks Zonderman

ist Leiter Automatisierungstechnik bei der Bartec GmbH in Bad Mergentheim.

(mf)

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