Die Grenzen zwischen miniaturisierten elektronischen und optischen Systemen sind fließend geworden. Immer häufiger entstehen optoelektronische Hybride. Eine grundlegende Verbindung stellen dabei die bekannten mikroelektromechanischen Systeme (MEMS) und mikrooptoelektromechanischen Systeme (MOEMS) dar. Dass hier unter Reinraumbedingungen produziert wird, versteht sich von selbst. In der Halbleiterherstellung liegen die Dinge noch relativ einfach – theoretisch jedenfalls: Es geht ganz klar darum, Chips auf eine Siliziumscheibe aufzubringen (Front-end-Fertigung). Dafür wird in der Regel speziell auf Reinraumbedingungen optimierte Fertigungstechnik verwendet.

Hybridbaugruppen erfordern „schwierige“ Reinraumtechnik

Dagegen erfolgt die Zusammenstellung ganzer Baugruppen als nachgelagerter Schritt (Back-end-Fertigung), wobei die primär hergestellten Wafer gezielt zerschnitten, vereinzelt und gegebenenfalls neu zusammengesetzt werden. In diesem Bereich werden oft Maschinen verwendet, wie sie auch in der herkömmlichen Elektronik im Einsatz sind. Diese müssen aber nun mit feinoptischen und mikromechanischen Bauteilen harmonieren, die einen besonderen Schutz vor Verunreinigungen benötigen. Dafür muss in erster Linie die Luftbelastung durch Partikel reduziert werden – bisher bis hinunter zu Größenordnungen von 0,1 µm. Darüber hinaus müssen auch filmische Kontaminationen vermieden werden. Das betrifft auch Schichten, die die Oberflächen überziehen und die noch dazu molekulare Kontaminationen oder Mikroorganismen beherbergen können. Denn schon eine einatomige Störschicht kann das Aufbringen der nächsten funktionell wichtigen Schicht verhindern. In der Optik kann es sich zum Beispiel um eine so genannte T-Schicht handeln. Sie verhindert, dass wir Objekte durch eine Glasscheibe oder Linse doppelt sehen. Liegt unter einer solchen T-Schicht eine (wenn auch noch so dünne) Kohlenwasserstoffschicht, so wird die funktionelle Schicht fast unweigerlich nach einer gewissen Zeit abplatzen.

Der Schutz rein elektronischer Bauteile kann im Allgemeinen noch relativ einfach erfolgen: Man überzieht sie zum Beispiel mit einem Schutzlack. Aber komplex aufgebaute Beschleunigungs- oder Drehsensoren, wie man sie etwa für das Auslösen eines Airbags braucht, und darüber hinaus generell Baugruppen mit bewegten Teilen machen ein optoelektronisches System enorm sensibel. Und ein Biosensor, der etwa Signale des menschlichen Körpers (z.B. Blutfettwerte) kontinuierlich überwachen soll, duldet keinerlei Verunreinigungen zwischen seinem „Chemiebereich“ und den nachgeschalteten Aktoren, Detektoren und Verstärkern. Eines ist inzwischen deutlich geworden: Durch den Übergang von der Mikrotechnik zur Nanotechnik stellt die Baugruppen-Herstellung in der Praxis schärfere Anforderungen an die Reinraumtechnik. Der Begriff NEMS (nanoelektromechanische) als Pendant zu MEMS ist bereits gängig; die NOEMS stehen in den Startlöchern.

Die kommende „Nano-Norm“

Schon sind Strukturen bis hinunter zu 5 oder gar 3 nm innerhalb von mikroelektronischen Baugruppen im Gespräch. Dem entspricht folgerichtig eine Erweiterung der reinraumtechnischen Betrachtung der Luftbelastung durch Partikel auf Feinheiten unter 0,1 µm. Dies stellte bisher eine magische Grenze dar. Darunter tut sich nämlich die herkömmliche Messtechnik schwer. Noch dazu verhalten sich die Partikel selbst anders. Sie folgen nicht mehr im Wesentlichen der Schwerkraft, sondern der Brownschen Bewegung, das heißt, die Partikel bewegen sich ungeregelt in alle Richtungen. Tabellen und Grafiken, mit denen man bisher gearbeitet hat, erfassen den Sub-0,1-µ-Bereich daher nur unzureichend.

Darum dürfte die maßgebliche Empfehlung VDI 2083 des Vereins Deutscher Ingenieure in Kürze eine Modifikation erfahren. So viel lässt sich jetzt schon sagen: Selbst wenn die „Neue“ möglicherweise keine physikalisch vollständige Theorie der Nanopartikel enthalten wird, so wird sie sich sogar in die unbekannten Gebiete jenseits der bekannten Reinräume der ISO-Klasse 1 wagen. Die Klassifizierung in diesem Bereich dürfte feiner werden. Die Hersteller von Messtechnik werden gemäß der neuen „Nano-Norm“ ihre Geräte neu justieren, womöglich zusätzliche Techniken integrieren. Die Ergebnisse werden sich allerdings schwerer interpretieren lassen als bei Partikelgrößen oberhalb von 0,1 µm. Für diesen klassischen, „gröberen“ Bereich gibt es bereits Ansätze, wie dem Anwender als Ergebnis eine reine Ja-Nein-Entscheidung an die Hand gegeben werden kann: entweder „zu starke Verunreinigung durch Partikel“ oder „Vorgaben erfüllt“. Eine solche Vereinfachung erfordert eine intelligente Datenverarbeitung ebenso wie eine intuitiv zu bedienende Software. Im nächsten Schritt wird man dies auch für den „feineren“ Nano-Bereich anstreben.

Kostengesichtspunkte und Kostenrisiken

Für die Praxis kann man sich als Faustregel merken: Reichte für die Mikrotechnik noch ein Reinraum der ISO-Klassen 6 oder 7, so muss es nun immer häufiger ISO-5 sein. Im Bereich der AMC („airborne molecular contamination“) sind dann nur noch 5 Nanogramm organische Stoffe pro Liter Luft zulässig. So wird man in stärkerem Maße Filter benötigen, die nicht nur Partikel, sondern auch Chemikalien zurückhalten können. Zudem spielen elektromagnetische Effekte und Vibration eine größere Rolle. Messtechnisch muss man dann in den Bereich von 200 Nanotesla hinunterkommen.

Reinraum zur Miete

Um die Kosten im Griff zu behalten und gleichzeitig Flexibilität zu gewinnen, bieten sich häufiger gemietete Reinräume an. Da mag zum Beispiel ein Wasserschaden den Reinraum lahmgelegt haben oder es sind Produktionsspitzen zu überbrücken oder eine zeitlich begrenzte Produktion zu bewältigen. In diesen Fällen kann sich der Betreiber heute vom Reinraumspezialisten einen Bausatz zum Selberbauen schicken lassen und den temporären Reinraum quasi im Bierzelt auf dem Betriebsparkplatz aufbauen. Ein geschultes Service-Team benötigt für einen Reinraum mit 20 m² Grundfläche nur eine Viertelstunde – schon steht er bereit.

Die Betreiber von Reinräumen werden hier nicht zuletzt fürchten, dass ihnen die Kosten davonlaufen könnten. Die Lösungen liegen jedoch oft sehr nahe, denn Reinraumtechnik heißt keineswegs zwingend, dass die Fertigung in einem großen Reinraum stattfinden muss. Oft stellen so genannte Mini-Environments die erste Wahl dar. Die Idee: Es wird nicht eine große Maschine für die Elektronikfertigung in einen Reinraum gestellt, sondern ein Teil dieser Maschine abgekapselt und als kleiner dimensionierter Reinraum betrieben. Das ist die intelligente Lösung für kleines Geld – aber keine „Billigvariante“. Man spart hier große Reinräume, dafür ist es aber erforderlich, den Prozess genau zu kennen. Das kann mit Bewertungen unter Berücksichtigung der einschlägigen Normen und Empfehlungen beginnen. „In der Reinraumtechnik greift prinzipiell in allen Fällen die VDI 2083 des Vereins Deutscher Ingenieure“, erläutert Joachim Ludwig, Geschäftsführer von Colandis. „Sie betrachtet alle Aspekte der Reinraumtechnik, aber sie kann es nicht allen recht machen. Darum gibt es neben der VDI 2083 heute schon eine ganze Reihe von Werksnormen, und das ist auch sinnvoll. Denn wenn es keine Norm gibt, die auf den eigenen Prozess genau passt, dann darf man eben nicht darauf vertrauen, dass es schon irgendwie gutgehen wird, sondern muss selbst überlegen und eine eigene Vorschrift herleiten. Viele Anregungen dazu findet der Messebesucher auf der Cleanzone in Frankfurt am Main.“

Zukunftsthema: tauglich oder nicht tauglich

Was die Mikroelektronik in den nächsten Jahren darüber hinaus verstärkt begleiten dürfte, ist die Thematik der Reinraumtauglichkeit von Equipment jeglicher Art. Denn gut überwacht wird zwar die Luftreinheit, wobei stets der Mensch als die wesentliche Quelle von Partikelverunreinigungen angesehen wird. Aber auch Maschinen im (menschenleeren) Reinraum können – erst recht mit den ultrastrengen Anforderungen nanotechnischer optoelektronischer Baugruppen – regelrecht verdrecken. Doch kann es durchaus passieren, dass zum Beispiel der externe Reinigungsdienst das Risiko scheut, an den Maschinen etwas zu beschädigen und lieber bei der Reinheit „spart“. Das ist sogar menschlich verständlich. Notwendig sind in diesem Falle Schulungen sowohl zum apparativen Aufbau als auch zu den Reinigungsverfahren: Wo sind sensible Baugruppen angebracht? Welche Mittel dürfen verwendet werden?

Cleanzone

Gelegenheit zum persönlichen Austausch über diese Fragen, über die Nanotechnologie und ihre Implikationen für die Reinraumtechnik sowie über innovative Messtechnik und vieles mehr bietet die internationale Fachmesse und Kongress für Reinraumtechnologie, Cleanzone in Frankfurt am Main. Am 27. und 28. Oktober 2015 findet sie zum vierten Mal statt. Neben den Neuheiten der Hersteller können sich Besucher auf dem Kongress über aktuelle Aspekte zu Bau, Planung und Betrieb eines Reinraums informieren.

Dr. Christian Ehrensberger

Freier Fachjournalist

(mrc)

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