ROS basierte Software für die freie Navigation von mobilen Robotern

(Bild: Fraunhofer IPA/Rainer Bez)

Teilnehmer bei der ROS-Industrial-Konferenz in Stuttgart

Im Dezember 2019 gibt es die nächste ROS-Industrial-Konferenz in Stuttgart. Fraunhofer IPA

Prominente Beispiele für die Akzeptanz von ROS sind Amazon und Google. Dies zeigten deren Vorträge auf der jährlich stattfindenden ROS-Industrial-Konferenz in Stuttgart. Beide stellten 2018 jeweils eine neue Plattform vor, um die Entwicklung von Robotern mithilfe von ROS in der Cloud zu ermöglichen. Auch über die Branche hinaus sorgte dieses Engagement von Firmen, deren Kerngeschäft fern der Robotik liegt, für Aufsehen und zahlreiche Schlagzeilen.

Die Amazon-Plattform Robomaker bietet eine browserbasierte Entwicklungsumgebung und zahlreiche cloudbasierte Dienste wie Sprach- und Bilderkennung für Roboter oder Tools für Maschinelles Lernen und Analyse. Auch Google adressiert mit seiner Plattform Cloud Robotics basierend auf ROS den steigenden Bedarf an Lösungen, die skalierbar sind, kollaborative Fähigkeiten und Verhalten sowie eine robuste Verwaltung von Änderungen und Monitoring bieten. Und das Namenskarussell prominenter ROS-Unterstützer dreht sich 2019 weiter: Sogar Facebook bietet mit „PyRobot“ eine offene, ROS-basierte Plattform, mit der Entwickler Anwendungen mit Robotik oder künstlicher Intelligenz umsetzen können.

Video: Entwickeln, Testen und Bereitstellen von Robotikanwendungen mit dem RoboMaker von AWS

Mit ihrem Angebot bestätigen die Internetgiganten Henrik Christensen, Professor an der UC San Diego. Dieser nannte in seiner Key Note drei treibende Faktoren, warum Roboteranwendungen zunehmend keine Insellösungen mehr sein werden. Stattdessen werden sie in größeren, vernetzten Strukturen oder Ökosystemen agieren und Daten teilen. Zu den entscheidenden Faktoren gehören die geforderte Flexibilität in Produktionen, die alternde Weltbevölkerung verbunden mit dem Wunsch nach mehr automatisierter Dienstleistung zuhause und drittens die Verstädterung, die die Logistik vor stetig wachsende Herausforderungen stellt: Roboter müssen in allen Kontexten kosteneffizient und robust sein, was sich perspektivisch nur über die Cloud bieten lässt. Denn entsprechende Hardware auf den Systemen ist entweder nicht sinnvoll in die Geräte zu integrieren, zum Beispiel bei Haushaltsrobotern, oder die Systeme werden zu teuer, zum Beispiel autonom fahrende Autos.

Neben den großen Playern agieren zahlreiche weitere Firmen vornehmlich aus den USA und Asien innerhalb dieser neuen Ökosysteme. Sie haben ihr Geschäftsmodell dahingehend geändert, Dinge oder Technologien nicht mehr zu besitzen, sondern sie als Plattform-Dienste anzubieten. ROS kann ein entscheidender Faktor sein, um die nötige Standardisierung für diese Entwicklung hin zu gemeinsamen Plattformen zu bieten.

Video: Wie Google ROS in Cloud Robotics einsetzt

Eine Konferenzsession war Anwendungs-Highlights mit ROS gewidmet. So stellte das Forschungszentrum Informatik FZI zusammen mit Opel eine Anwendung vor, bei der ein Roboter eine Autotürdichtung mit rund 35 Metallpins befestigt. Zwar ist die Anwendung bisher nicht in der Produktion im Einsatz, Opel bewertete sie jedoch hinsichtlich der funktionalen Sicherheit positiv.

Zwei Navigationslösungen für mobile Roboter präsentierte das Fraunhofer IPA. Zum einen läuft die IPA-Navigationssoftware mit ROS-Modulen auf fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF) von Bär Automation. Diese FTF sind in einer Automobilproduktion im Einsatz, um die Karosserien flexibel von Montagestation zu Montagestation zu bringen. Außerdem navigieren sogenannte „Smart Transport Robots (STR) “ im BMW Group Werk Regensburg mit der IPA-Software. Auch hier ging es darum, eine sehr flexible und robuste Navigation zu ermöglichen.

Über das Robot Operating System

ROS, das steht für Robot Operating System, ist ein Open Source Framework, um Software für Robotik-Anwendungen zu schreiben. Dieses Programmiergerüst besteht aus einer Sammlung von Funktionalitäten, Treibern sowie einer Kommunikationsschicht. Es wurde 2007 veröffentlicht und war ursprünglich für den Einsatz im Forschungsbereich und der schnellen Prototypenentwicklung, z.B. mit dem Serviceroboter PR2, vorgesehen.

Aufgrund seiner Offenheit und einfachen Erweiterbarkeit konnte ROS sehr schnell eine breite Entwickler- und Anwendergemeinde anziehen und sich sehr schnell zum De-facto-Standard in der universitären Roboterforschung entwickeln. Entsprechend dem vorgesehenen Einsatzzweck standen Aspekte wie Echtzeitfähigkeit oder Safety- & Security-Funktionen nicht im Fokus der ursprünglichen Entwicklung. Vielmehr soll ROS einfach zu erlernen sein und dem Entwickler möglichst wenig Steine im Aufbau und Umbau, in der Analyse und Beobachtung seines Systems in den Weg legen.

ROS bietet Komponenten für Manipulation, Navigation oder Bildverarbeitung, aber auch Treiber, Algorithmen sowie Diagnose- und Entwicklungswerkzeuge. Diese sind frei verfügbar, herstellerunabhängig, standardisiert und entstehen partizipativ. Einmal entwickelte Komponenten können mehrfach verwendet werden, was die Entwicklung und Inbetriebnahme von Robotersystemen effizienter macht. Und jedermann kann die Komponenten als Basis für die Neu- oder Fortentwicklung nutzen. Auch eine kommerzielle Nutzung ist bereits recht verbreitet und beinhaltet häufig sowohl Open-Source- als auch Closed-Source-Komponenten.

Was sich mit ROS2 ändern soll, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Pilz Robotikmodul mit ROS-Komponenten

Auch die auf Sicherheit spezialisierte Firma Pilz setzt mittlerweile auf ROS-Komponenten in ihren Serviceroboter-Armen. Fraunhofer IPA

Der Einsatz von ROS im industriellen Kontext stellt andere Anforderungen als in der Forschung, insbesondere hinsichtlich der IT-Security sowie einer robusten, echtzeitfähigen Kommunikation als ein Baustein zur normenkonformen Umsetzung funktionaler Sicherheit. Da ROS (oder ROS1) selbst nicht echtzeitfähig ist, wurde im Dezember 2017 die erste Distribution Release von ROS2 veröffentlicht, das auf den „Data Distribution Service“ (DDS) Standard für Echtzeitsysteme setzt. ROS2 ist – obwohl mit dem Fokus auf bessere Unterstützung industrieller Anforderungen entwickelt – momentan im Vergleich zu ROS1 noch deutlich forschungslastiger und ist am stärksten in der mobilen Robotik und dem autonomen Fahren verbreitet.

Die Bahnplanungskomponente „MoveIt!“ wurde erst Ende Mai dieses Jahres für ROS2 vorgestellt und ist somit auch noch klarer Entwicklungsgegenstand. Der aktuellste Stand dazu wird am 9. Oktober im Rahmen eines ROS-I Tech-Workshops am Fraunhofer IPA präsentiert.

Von der Forschung in die Industrie

Termine

Nächste Schulungstermine zum Thema ROS am IPA:
18.-22. November 2019

Anmeldung unter: https://rosindustrial.org/events/

Nächste ROS-Industrial-Konferenz in Stuttgart:
10.-12. Dezember 2019

Weitere Informationen hier

Auch dank Initiativen wie dem ROS-Industrial Consortium mit aktuell 74 Mitgliedern wurde die Anwendung von ROS auf den Industrierobotikbereich ausgebaut, sodass allein 2018 1,6 Millionen Downloads von ros.org gezählt wurden und es heute für über 120 verschiedene Roboter ROS-Treiber und viele Applikationen wie Scan-N-Plan mit einem sehr hohen Reifegrad gibt. Daher gilt ROS für industrielle Automatisierungslösungen bereits als vergleichsweise etabliert.

Diese Popularität bestätigen auch aktuelle Meldungen. Laut einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom zum Einsatz von Open-Source-Software (nicht nur ROS) sehen neun von zehn Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern Vorteile beim Einsatz von Open-Source-Software. Am häufigsten nennen sie Kosteneinsparungen als Mehrwert. Und das amerikanische Institut „ABI research“ geht davon aus, dass 2024 mehr als jeder zweite ausgelieferte gewerblich genutzte Roboter mindestens ein ROS-Paket nutzen wird. Nicht zuletzt gibt es zunehmend das Bestreben, ROS auch für roboterbasierte Anwendungen in der Agrar- und Lebensmittelbranche weiterzuentwickeln und hier einen neuen Markt aufzubauen. In diesem Kontext agiert beispielsweise das kürzlich gestartete EU-Projekt AgROBOfood.

Öffentliche Fördermöglichkeiten

ROS weiter in industrielle Anwendungen zu bringen und noch zu verbessernde Themen wie eine einfachere Systemintegration oder bessere Qualitätssicherung anzugehen, sind auch das Ziel zweier Forschungsprojekte mit IPA-Beteiligung. Das EU-Projekt ROSIN bietet neben der finanziellen Förderung von ROS-Softwarekomponenten, zum Beispiel auch für die Entwicklung von ROS2-Komponenten, verschiedene Weiterbildungsmaßnahmen.

Seit Beginn dieses Oktobers läuft ein öffentlicher Aufruf des nationalen Forschungsprojekts SeRoNet (Serviceroboter-Netzwerk zur geförderten Beteiligung. Hier geht es darum, eine Plattform zu etablieren, die Komponenten und Dienstleistungen für die Entwicklung professioneller Servicerobotik bereitstellt und die kooperative Zusammenarbeit von Hard- und Softwareanbietern, Systemintegratoren und Endanwendern ermöglicht. Während sich der erste Aufruf an Komponentenhersteller richtet, adressiert der zweite Aufruf, voraussichtlich ab Juni 2020, Systementwickler und Endanwender von Servicerobotiklösungen. Der erste Aufruf wird noch bis Anfang Januar 2020 offen sein.

Veranstaltung ‚Roboter in der Verpackungsindustrie‘

Die Veranstaltung richtet sich primär an Betreiber aus der verpackenden Industrie, Verpackungsmaschinenbauer sowie Hersteller von Roboterlösungen und Komponenten und dient als Plattform zum Austausch zwischen Anwendern und Lösungsanbietern. Hüthig

Die Veranstaltung richtet sich primär an Betreiber aus der verpackenden Industrie, Verpackungsmaschinenbauer sowie Hersteller von Roboterlösungen und Komponenten und dient als Plattform zum Austausch zwischen Anwendern und Lösungsanbietern. Hüthig

Roboter kommen mittlerweile in faktisch jedem Bereich des Verpackungsprozesses zum Einsatz. Und das gilt schon lange nicht mehr nur für Hochlohnländer in Europa, die ihre Wettbewerbsfähigkeit durch erhöhte Automatisierung sichern wollen, sondern auch für Emerging Markets wie Indien und China, die aufgrund einer schwer planbarer Personalfluktuation auf Roboter in der Produktion angewiesen sind.

Zusammen mit den Kollegen des Verpackungstitels neue verpackung veranstaltet die IEE darum am 30. Oktober 2019 in München die Praxistagung „Roboter in der Verpackungsindustrie“. Die Veranstaltung gibt einen Überblick zum bereits technisch Möglichen in Form von Best-Practices sowie einen Ausblick in die (nicht allzu ferne) Zukunft. Begleitet beziehungsweise ergänzt wird die Veranstaltung durch eine kleine Fachausstellung.

Weitere Informationen, natürlich inklusive der Möglichkeit zur Anmeldung, finden Sie unter www.verpackungsroboter.com.

Dr. Björn Kahl

Projektmanager am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA

(ml)

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