Zunächst ist es wichtig zu verstehen, wie die Umsetzungsstrategie Industrie 4.0 und das IIC-Referenzmodell entstanden sind und wo deren spezifische Ziele liegen. Beiden gemeinsam ist die Vision des IoT (Internet of Things) – der vernetzten Kooperation von Geräten und der Auswertung ihrer Daten auf zentralen Servern zur Ableitung optimierter Handlungen. Doch schon der Fokus auf Anwendungsfelder unterscheidet den IIC-Ansatz von Industrie 4.0 (I4.0). Die Plattform I4.0 konzentriert sich auf die industrielle Fertigung und dessen Umfeld. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Deutschland aufgrund seiner bedeutenden Automationsindustrie viel Know-how bezüglich moderner Automationsansätze vorweisen kann und darauf aufbauend die Fabrik der Zukunft mit IoT-Methoden optimieren will.

Ganz anders das IIC: Vorrangig getragen von großen IT-Konzernen, zielt dessen Referenzmodell auf die Breite der IoT-Anwendungen, von der Medizin bis zur Energietechnik. Darin enthalten ist auch die Fabrik, wird jedoch nicht speziell adressiert.

RAMI 4.0 – das Referenzmodell für die Industrie

Die Verwaltungsschale regelt Kommunikation und Datenhaltung in der Industrie 4.0.

Die Verwaltungsschale regelt Kommunikation und Datenhaltung in der Industrie 4.0.Plattform Industrie 4.0, Pepperl+Fuchs

Grundbaustein eines I4.0-Systems sind I4.0-Komponenten (I4.0K). Sie sind definiert über ein beliebiges Asset (Sensor, Aktor, Antrieb, Steuerungsfunktion), verpflichtend angereichert mit einer sogenannten Verwaltungsschale (VS). Dabei gilt es zu beachten, dass ein Asset nicht zwangsläufig eine Hardware sein muss. Eine Steuerungsfunktionalität kann zum Beispiel auch als Task auf einem beliebigen Rechner implementiert sein. Die obligatorische Verwaltungsschale ist der dem Asset zugehörige Datenspeicher sowie das Interface zum IoT unter Nutzung standardisierter Services. Wahlweise kann die VS im Asset selbst oder auch in einer separaten IT implementiert werden. Da die Kommunikation mit der I4.0-Komponente nur per Web-Service möglich ist, erkennt ein anfragender Dienst oder das anfragende Asset den Unterschied zwischen beiden Realisierungen nicht. Dieser Freiheitsgrad erleichtert die Implementierung hinunter bis zu relativ preiswerten Assets, die nur eine geringe interne Rechenleistung bereitstellen können. Denn damit lassen sich mit I4.0-Methoden auch in einfachen Feldkomponenten Funktionen wie Asset-Management oder Condition Monitoring realisieren.

Bleibt die Pyramide?

Das RAMI-4.0-Referenzmodell – Das IoT auf die besonderen Bedürfnisse der produzierenden Industrie umgesetzt: Die auf der y-Achse gezeigten hierarchischen Funktionen dienen der funktionalen Strukturierung, korrelieren aber nicht 1:1 mit Hardware-Komponente

Das RAMI-4.0-Referenzmodell – Das IoT auf die besonderen Bedürfnisse der produzierenden Industrie umgesetzt: Die auf der y-Achse gezeigten hierarchischen Funktionen dienen der funktionalen Strukturierung, korrelieren aber nicht 1:1 mit Hardware-Komponente. Plattform Industrie 4.0, Pepperl+Fuchs

Die klassische Architektur für Automatisierungssysteme ist die Automatisierungspyramide. Generationen von Anlagenplanern sind es gewohnt, mit diesem Modell die Komplexität zu strukturieren. Durch die hierarchische Zuordnung entstehen immer wieder für sich beherrschbare Baugruppen, die getrennt in Betrieb genommen und gewartet werden können. Das allgemeine IoT-Modell sieht vor, dass im Grunde alle Assets eines Automatisierungssystems über eine Web-Schnittstelle verfügen. Damit geht die sinnvolle Gruppenbildung zunächst verloren. Das RAMI 4.0 ermöglicht dennoch eine Gruppenbildung: Als eines von drei Kriterien können Komponenten- und Anlagen-Designer über die y-Achse eine Struktur vorgeben. Die Bildung der Hierarchie dient allerdings einzig und alleine der funktionalen Strukturierung und korreliert nicht 1:1 mit den Hardware-Komponenten, ist aber für die Anlagenplanung von großem Nutzen.

Ein wesentliches Ziel für Industrie 4.0 ist es, neben der Vernetzung der Assets mit Web-Technologien auch ein durchgängiges Engineering zu adressieren. Durchgängiges Engineering heißt: Konsistente Datenhaltung entlang des gesamten Lebenszyklus aller verwendeten Assets. Assets bedeuten dabei sowohl die Komponenten, die in der Fabrik eingebaut sind, als auch das dort hergestellte Produkt. Alle diese Assets haben ihnen zugeordnete Daten. Jedoch sind nicht alle Daten der spezifischen individuellen Instanz zugeordnet, sondern dem jeweiligen Typ, zum Beispiel die Datenblatt-Angaben. Diese Informationen entstehen bereits zu einer Zeit, wo die jeweilige Instanz des Assets noch gar nicht existiert. Erst nach der Produktion des Assets werden auch Daten wie Seriennummer oder spezifische Messprotokolle verfügbar. RAMI sieht vor, dass solche Typ-Daten genauso wie nachher der aktuelle Messwert eines Sensors in der Verwaltungsschale abgelegt und über einen Web-Service abgerufen werden können. Das bedeutet: Der Zugriff auf den aktuellen Messwert zur Laufzeit erfolgt mit derselben Methode wie der Zugriff auf einen Parameter im Datenblatt. Somit findet das Datenmanagement entlang des Lebenszyklus eines Assets ebenfalls in der Verwaltungsschale statt.

Dies ist ein neuer und in dieser Form im IIC-Modell nicht vorgesehener Aspekt, der jedoch gerade für die produzierende Industrie mit ihren langen Anlagenlaufzeiten, Dokumentationspflichten und Service-Aufgaben von unschätzbarer Bedeutung ist. Diesen Lifecycle-Aspekt bildet das RAMI-4.0-Modell auf der x-Achse ab.

Viewpoint oder Layer?

Die verschiedenen ‘Architecture Viewpoints’ des IIRA entsprechen den Layern (z-Achse) des RAMI-4.0-Modells.

Die verschiedenen ‘Architecture Viewpoints’ des IIRA entsprechen den Layern (z-Achse) des RAMI-4.0-Modells. Industrial Internet Reference Architecture

Vergleicht man die Layer des RAMI-Modells (z-Achse) mit dem IIRA-Ansatz sind durchaus Gemeinsamkeiten zu erkennen. Die Layer strukturieren den Zugriff auf die I4.0K in Themenfelder. IIRA nennt das Viewpoints, RAMI schlicht Layer. In beiden Modellen identisch ist der Business-Layer. Hinter den Layern ‚Functional und Information‘ (RAMI) sowie ‚Functional und Usage‘ (IIRA) verbergen sich Services, die den Zugriff auf Daten und Funktionalität der angesprochenen I4.0-Komponenten erlauben. Diese drei obersten Layer sind auch die Schnittstelle, die das I4.0K-Modell nach außen vorweist. Darunter liegende Layer beschreiben die reine Basis-Kommunikation (teilweise mit den notwendigen Security-Funktionalitäten) und die herstellerspezifische Integration des Assets in die Verwaltungsschale. Für das Communication Layer gilt OPC-UA innerhalb der Plattform Industrie 4.0 als Favorit.

RAMI und IIRA müssen keine Gegensätze sein: Speziell auf die Anforderungen der produzierenden Industrie optimiert, präzisiert RAMI 4.0 das Internet of Things für diese Anwendungen. Aufgrund der Berücksichtigung des Data-Managements über den kompletten Lebenszyklus und die Unterstützung funktionaler Hierarchien bei der Definition der I4.0-Komponenten, ist RAMI 4.0 eine sinnvolle Ergänzung der sehr allgemein gültigen IoT-Ansätze.

Doch RAMI und die Definition der I4.0K sind erst der erste, wenn auch sehr wichtige Schritt. Die Hauptaufgabe wird es nun sein, eine breit akzeptierte Semantik für die I4.0-Kommunikation zu definieren. Dazu soll zunächst eine Basis-Grammatik vorgegeben werden, die anschließend in den jeweiligen Anwendungsdomänen (zum Beispiel für die verschiedenen Branchen des Maschinenbaus) weiterführend angepasst wird. Für dieses Vorgehen braucht die Plattform Industrie 4.0 eine enge Abstimmung der verschiedenen Akteure, zu der alle Interessierten herzlich eingeladen sind.

SPS IPC Drives 2015 – Halle 7A, Stand 330

Dr.-Ing. Peter Adolphs

ist CTO bei der Pepperl+Fuchs GmbH in Mannheim.

(sk)

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