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Bild 1A: Komponenten zur Energie-Messfunktion mit Energiezähler und Messwandlern

Bild 1A: Komponenten zur Energie-Messfunktion mit Energiezähler und MesswandlernLEM

Angesichts der Erweiterung von Hochgeschwindigkeits-Schienennetzen und immer kürzeren Reisezeiten wird der internationale Reiseverkehr auf der Schiene wieder interessant. Nationale Grenzen sind für Reisende – zumindest in der Europäischen Union – fast bedeutungslos geworden; das gleiche gilt aber nicht unbedingt für die Züge selbst. Der Zug-Antrieb muss in den meisten Fällen beim Grenzübertritt von einem Land zum nächsten umgestellt werden. Die Energie, die über die Oberleitung aufgenommen wird, wird in den meisten Fällen von einer nationalen Bahngesellschaft geliefert, am Grenzübergang wechselt dann der Energieversorger: Die Versorgungsspannung kann auf beiden Seiten des Übergangs die gleiche aber auch eine unterschiedliche Spannung und Frequenz haben. Damit wird deutlich, dass ein grenzüberschreitend eingesetztes Schienenfahrzeug mehrere Systeme unterstützen muss – es muss für den Betrieb an sämtlichen Netzspannungen geeignet sein, die auf seiner teilweise durch mehrere Länder führende Fahrstrecke vorhanden sind.

On-Board Energiemessung

Eine weniger offensichtliche Anforderung ist die genaue Erfassung der von der Traktionseinheit verbrauchten Energie. Jeder Energielieferant, auf dessen Strecke sich ein international verkehrender Zug bewegt, muss die aufgenommene Energie mit dem Zugbetreiber abrechnen. Eine Erfassung des an jeden Zug gelieferten Stroms auf der Seite des Stromlieferanten ist nicht realisierbar, und so besteht der einzige praktikable Weg für die Erstellung genauer Abrechnungsinformationen in einer Messung und Aufzeichnung der Energie in regelmäßigen Zeitintervallen direkt auf dem Zug während der gesamten Fahrt. Jeder Eintrag in diesen Aufzeichnungen muss ergänzende Informationen darüber enthalten, wo sich der Zug zum Zeitpunkt der jeweiligen Messung befand. Diese Daten können zum Beispiel durch das allgegenwärtige GPS ermittelt werden. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass moderne Antriebssysteme mit generatorischer Bremsung arbeiten: Dabei arbeiten die Motoren als Generatoren und speisen während des Abbremsens Strom in das Netz zurück. Für eine genaue Abrechnung muss das Energiemesssystem daher bidirektional arbeiten können.

Konzept der prEN 50463 für die Energie-Messfunktion (EMF) auf Schienenfahrzeugen.

Konzept der prEN 50463 für die Energie-Messfunktion (EMF) auf Schienenfahrzeugen.LEM

Zur Harmonisierung des Betriebs internationaler Transportdienste wurde eine europäische Norm konzipiert, die genau beschreibt, wie die Energie-Messfunktion (EMF) auf dem Schienenfahrzeug ausgeführt sein muss (Bild 1). Da sich die Norm in der Entwicklungsphase befindet, ist sie noch provisorisch, was sich am Prefix „pr“ erkennen lässt; das entsprechende Dokument heißt prEN50463. Sie enthält eine Spezifikation für die Aufzeichnung von Parametern wie Datum und Zeit, Zug-Identifikation, Netzfrequenz (16,7 Hz, 50 Hz, 60 Hz oder DC), Lokalisierungsdaten und – ganz entscheidend für die Kernfunktion – einem Energie-Lastprofil. Die Aufzeichnungen müssen absolute Energiewerte sowohl für Wirk- wie auch für Blindleistung enthalten.

Neue Dimensionen der Messgenauigkeit

Die prEN50463 setzt erhöhte Anforderungen an die Messgenauigkeit, diese sind in Genauigkeitsklassen R (R wie Railway) spezifiziert. Die Norm definiert für die komplette Energiemesseinrichtung eine globale Genauigkeit von ±1,5 % für Wechsel- und ±2 % für Gleichstrom. Drei Hauptkomponenten werden für die Messung und Aufzeichnung des Energieverbrauchs benötigt: Messwandler, um den aktuellen Strom und die aktuelle Spannung zu erfassen, und einen Zähler, der diese Werte erfasst und daraus Leistungswerte berechnet, die anschließend abgespeichert werden. Bei Wechselstrom-Werten ist die Phasenverschiebung zwischen der Spannung und dem Strom zu berücksichtigen, um daraus die Werte für Wirk- und Blindleistung abzuleiten. Jedes dieser drei Komponenten hat einen gewissen Anteil am Gesamtmessfehler, dieser errechnet sich als Effektivwerte aus den Einzelfehlern. Damit Antriebssystem-Entwickler die Anforderungen der prEN50463 erfüllen können, hat LEM eine abgestimmte Kombination aus Messwandlern mit verbesserter Genauigkeit und dem neuen EM4T II Energiezähler entwickelt.

Hoch präzise Strom- und Spannungswandler

Die Messung von Strömen auf einem der neuen Norm entsprechenden Genauigkeitsniveau ist eine Herausforderung. Eine solche Messung in der Bahn-Antriebstechnik ist umso schwieriger, da die Messwandler in diesem Umfeld stark schwankenden Umgebungstemperaturen, großen externen Magnetfeldern und einem hohen Grad an elektrischen Störungen ausgesetzt sind. Der zu messende Strom enthält zudem hohe Spitzen und große Transienten. Die direkte Messung über einen Shunt-Widerstand ist zulässig, und LEM kann, sofern diese Messmethode gewünscht ist, mit der DI-Serie passende Messwandler anbieten. Der Messwiderstand als Teil des Lastkreises muss aber einen ausreichend kleinen ohmschen Wert haben, um Verluste vor allem im oberen Strombereich gering zu halten. Zugleich bringt dieser kleine Wert Probleme, weil die Messgenauigkeit bei niedrigen Stromwerten dann nicht mehr die erforderlichen Genauigkeitsanforderungen erfüllt. Aufgrund der Eigenerhitzung des Messwiderstandes ist es außerdem sehr schwierig, eine gute Linearität über den gesamten Strombereich zu gewährleisten. Darüber hinaus bietet ein Shunt-Widerstand keine galvanische Isolation. Aus diesen Gründen bevorzugt man in vielen Fällen eine indirekte Strommessung. Verschiedene indirekte Messverfahren nutzten das vom Laststrom im Leiter (Kabel oder Schiene) erzeugte Magnetfeld. In ihrem physikalischen Aufbau sehen die verschiedenen Techniken auf den ersten Blick ähnlich aus: Ein Sensor in der Form eines Ringkerns, bei dem der Primärleiter durch das Zentrum des Ringes geführt wird. Die Messung des durch den Primärstrom in den Ringkern induzierten magnetischen Flusses ist direkt proportional zum Wert dieses Stromes.

On-Board Energie-Messfunktion wird standardisiert

Die genaue Messung und Abrechnung des Leistungsverbrauchs von Schienenfahrzeuge steht im Mittelpunkt des Beitrages.  Zur Harmonisierung des Betriebs internationaler Transportdienste wird europäische Norm prEN 50463 konzipiert, die genau beschreibt, wie die Energie-Messfunktion auf dem Schienenfahrzeug ausgeführt sein muss.

Eine Sensor-Variante nutzt den Hall-Effekt zur Detektion des magnetischen Flusses und Umsetzung in einen Messwert. Bei großen Dynamikbereichen, wie sie zum Beispiel in der prEN50463 definiert sind, haben Hall-Effekt-Wandler aber Schwierigkeiten mit der Linearität. Außerdem bieten sie am oberen und unteren Ende ihres Messbereiches aufgrund von Sättigungs- und Restmagnetisierungseffekten im magnetischen Material des Ringkerns nur eine eingeschränkte Genauigkeit. LEM hat dieses Problem mit einem Fluxgate-Wandler gelöst, der nach Klasse 0,5R (±0,5 % Genauigkeit) zertifiziert sein wird. Er arbeitet nach dem Kompensationsprinzip: Dabei erzeugt der Wandler einen magnetischen Fluss im Ringkern, der den vom Primärstrom erzeugten Magnetfluss genau ausgleicht. Aus dem dafür nötigen Treiberpegel lässt sich auf den Wert des Primärstroms schließen. Im Betrieb wird auf dem Magnetkern des Wandlers ein hochfrequentes Wechselstrom-Signal eingeprägt, das kontinuierlich die Magnetisierung des Kerns umkehrt und dabei seine charakteristische B-H-Kurve abfährt. Das zusätzliche, aufgrund des Primärstroms erzeugte Magnetfeld verändert diese Anregung. Mit dieser Technik kann der Wandler den Ursprungszustand (ohne Primärstrom) mit extremer Empfindlichkeit ermitteln.
Der Messwandler ITC 4000 ist für einen Nennstrom von 4000 A spezifiziert und kann ±6000 A messen. Er arbeitet mit einer Versorgungsspannung von ±24 V und verbraucht weniger als 80 mA (bei Primärstrom gleich Null) bis höchstens ±340 mA (bei 4000 A Primärstrom). Der Linearitätsfehler des Messwandlers liegt bei weniger als 0,05 %. Der Offset-Strom des Wandlers liegt unter ±10 µA und hat eine äußerst geringe Temperaturdrift.

Die Spannungsmessung erfolgt über einen Messwandler aus der LEM DV-Serie. Diese sind erhältlich mit einer Vollbereichs-Genauigkeit von 1 % oder 0,75 % (Klasse 1R oder Klasse 0,75R zertifizierte Genauigkeit entsprechend der prEN50463). Die Serie erfüllt sämtliche Leistungs- und Sicherheitsanforderungen aller heute verwendeten oder für die Zukunft geplanten Eisenbahn-Antriebssysteme. Die DV-Messwandler ermöglichen galvanisch getrennte Spannungsmessungen für Nennspannungen von 1200 bis 4200 V in einem relativ kleinen Gehäuse (Bild 1A).

Energiemessung nach fiskalen Standards

Bild 2: Blockdiagramm des Energiezählers EM4T II.

Bild 2: Blockdiagramm des Energiezählers EM4T II. LEM

Eine verbesserte Version von LEMs EM4T-Energiezähler ergänzt das Angebot: Der EM4T II wird ebenfalls für eine Genauigkeit nach Klasse 0,5R spezifiziert und zertifiziert. Der Einphasen-Energiezähler erfüllt alle aktuellen Normen für eine bordinterne Energieüberwachung für Eisenbahnantriebe sowie vor allem alle Anforderungen des neuen EN 50463-Entwurfs. Er besitzt vier Eingangskanäle, mit denen die Messung der Energie an allen existierenden Wechsel- oder Gleichstrom-Bahnnetzen möglich wird. Aus den Spannungs- und Strommessungen berechnet das Gerät die Wirk- und Blindleistung, stellt ein Lastprofil zusammen und legt die Werte in einem internen Flash-Speicher ab. Datenpunkte werden zu wählbaren Zeitintervallen zwischen 1 und 60 Minuten aufgezeichnet. Die Datensätze in den Aufzeichnungen sind versehen mit Informationen wie Zeit und Datum, Zug-Identifikation und den genauen Positionsdaten des Zuges für jedes Intervall. Die Lokalisierungsdaten werden dem EM4T II über eine GPS-Schnittstelle zugeführt. Bei einer Aufzeichnung der Energiedaten in 5 min-Intervallen hat der EM4T II eine Speichertiefe von über 100 Tagen.

 

Hartmut Graffert und Christian Harms

: sind Mitarbeiter der LEM Deutschland.

(jj)

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