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Für den HiL-Test von Batteriemanagementsystemen (BMS) ist die Simulation von Hochvoltbatterien auf Zellenebene erforderlich.

Für den HiL-Test von Batteriemanagementsystemen (BMS) ist die Simulation von Hochvoltbatterien auf Zellenebene erforderlich. dSPACE

Batterien für Hybrid- oder Elektrofahrzeuge bestehen üblicherweise aus Li-Ionen-Zellen mit einer nominalen Spannung von zirka 3,6 V bis 4,2 V. Durch Reihenschaltung werden Spannungen über 600 V erreicht. Dabei beeinflusst eine einzelne fehlerhafte Zelle das Verhalten der gesamten Batterie. Wesentliche Aufgabe des Batteriemanagementsystems (BMS) ist es daher, die einzelnen Zellen gegen Überladung, Tiefenentladung und Überhitzung zu schützen. Hierzu dient das Cell Balancing, das einen stets gleichen Ladezustand aller Zellen gewährleistet. Zusätzlich muss das BMS die aktuelle Restkapazität der Batterie abschätzen.

Aufbau des BMS

Ein BMS gliedert sich in das eigentliche BMS-Steuergerät und die Zellmodule (ZM). Beide sind über einen galvanisch isolierten CAN miteinander verbunden. Ein ZM ist jeweils einem Zellstapel zugeordnet. Das ZM ist sowohl für die Messung der Zellenspannungen als auch für die gezielte Entladung einzelner Zellen zuständig. Dazu gibt es im ZM für jede Zelle einen Transistor, der im eingeschalteten Zustand die Zelle über einen Widerstand entlädt. Das übergeordnete BMS-Steuergerät sorgt dafür, dass immer die Zellen entladen werden, die eine höhere Spannung haben als die übrigen Zellen. Dieser Mechanismus hält alle Zellen der Batterie auf demselben Ladungsniveau.

HiL-Tests für BMS

Bild 1: Anstelle der realen Batteriezellen werden die Zellenemulationsmodule an die Zellmodulen angeschlossen. Gesteuert werden sie vom ASM-Zellenmodell.

Bild 1: Anstelle der realen Batteriezellen werden die Zellenemulationsmodule an die Zellmodulen angeschlossen. Gesteuert werden sie vom ASM-Zellenmodell.dSPACE

Für einen Test der Regelstrategie des BMS reicht es, das BMS-Steuergerät alleine zu testen. Die Zellmodule werden in diesem Fall mittels Restbussimulation über CAN simuliert. Für den Test des gesamten Batteriemanagements muss mindestens ein ZM in das HiL-System eingebunden werden. Für den Closed-Loop-Betrieb sind sowohl ein echtzeitfähiges Batteriesimulationsmodell als auch ein Zellenspannungsemulator zur Ausgabe der analogen Klemmenspannung an das ZM erforderlich. dSPACE stellt beides in Form des Multizellenmodells der Automotive Simulation Models (ASM) und des Batteriespannungsemulators EV1077 zur Verfügung (Bild 1).

Echtzeitfähige Batteriemodelle

Im Unterschied zu herkömmlichen Batteriemodellen für die Bordnetzsimulation müssen Modelle für den BMS-Test das Verhalten der Batterie als Zusammenschaltung mehrerer Einzelzellen abbilden. Ein Zellenmodell bildet dabei Zellenspannung und Ladungszustand einer Batteriezelle ab. Technologiebedingte Verhaltensunterschiede beim Laden und Entladen, das dynamische Verhalten bei Belastungssprüngen sowie Verlustströme werden berücksichtigt.

ASM-Zellenmodell

Das Zellenmodell der ASM setzt sich aus einem Zellenspannungsmodell und einem Modell für den Ladungszustand zusammen. Das Zellenspannungsmodell ermöglicht die Parametrierung einzelner physikalischer Effekte wie Innenwiderstand, Diffusion und Doppelschichtkapazität. Das Ladungszustandsmodell berücksichtigt sowohl den Lade- und Entladestrom der Zelle als auch Verlustströme. Ein kompletter Zellenverbund aus n Zellen kann durch die Zusammenschaltung von n Einzelmodellen gebildet werden. Bei großer Zellenanzahl ist so ein Modell allerdings nicht mehr gut handhabbar undgegebenenfalls nicht mehr echtzeitfähig.

Referenz- und Deltamodell

Bild 2: Die Referenzzelle erhält als Eingangswerte den Eingangsstrom des Zellenverbundes.

Bild 2: Die Referenzzelle erhält als Eingangswerte den Eingangsstrom des Zellenverbundes.dSPACE

Das neue Multizellenmodell besteht aus einem komplexen Referenzzellenmodell zur Beschreibung des grundsätzlichen Verhaltens des verwendeten Zellentyps und einem Deltamodell. Dies berechnet die Abweichung der Zellenspannung jeder einzelnen Zelle von der Referenzspannung. Dafür können Kapazität, anfänglicher Ladungszustand und die Abweichung vom Referenzwert des Innenwiderstandes für jede Zelle vorgegeben werden (Bild 2).

Dieser neue Modellansatz verringert die Rechenzeit im Vergleich zu einer Reihenschaltung aus 100 Einzelzellenmodellen auf einem dSPACE-Echtzeitsystem um den Faktor 12. In der Offline-Simulation ist die Einsparung noch deutlich größer.

Hardware-Anforderungen für die Zellenspannungsemulation

Wie in der realen Batterie müssen die Zellenspannungen bei der Emulation ebenfalls in Reihe geschaltet werden, da die Messung der Zellenspannung im ZM jeweils nur über eine Leitung erfolgt. Deshalb muss die Emulation aus galvanisch isolierten Spannungsquellen bestehen.

Li-Ionen-Zellen haben eine sehr flache Entladekennlinie. Die Spannungsmessung im Steuergerät erfolgt daher mit hoher Genauigkeit. Deshalb müssen die Zellenspannungen mit einer Genauigkeit von mindestens 1 mV emuliert werden können. Diese Genauigkeit muss auch bei auftretenden Balancing-Strömen von einigen hundert mA erhalten bleiben. Die Zellenemulationshardware misst die Balancing-Ströme und gibt sie an das Batteriemodell für eine korrekte Simulation des Ladezustands weiter.

Fehlersimulation

Eine vollständige HiL-Simulation schließt auch die Nachbildung fehlerhafter Zustände der Batterie ein. Dies kann die Simulation einer defekten Zelle mit verändertem Innenwiderstand oder Kapazität sein oder ein Kabelbruch beziehungsweise Kurzschluss.

Hohe Anforderungen an die Dynamik

Bei schnellem Wechsel der Belastung einer Batterie verändert sich die Spannung an allen Zellen nahezu gleichzeitig. Daher müssen die einzelnen Zellen ihre Spannung innerhalb eines Modelltaktes ändern können. Das erfordert sowohl eine schnelle Übertragung der Sollwerte wie auch eine schnelle Ausregelung der Ausgangsspannung. Weitere typische Forderungen sind Kurzschlussfestigkeit, Überlastfestigkeit sowie eine hohe Isolationsfestigkeit, da durch die Reihenschaltung hohe Spannungen erreicht werden können.

Aufbau der Emulationselektronik

Die Zellenspannungsmodule liefern eine einstellbare Spannung im Bereich 0 bis 6 V. Der relativ weite Bereich erlaubt die Emulation schadhafter Zellen, so zum Beispiel kurzgeschlossener Zellen (0 V) oder von Zellen mit erhöhtem Innenwiderstand (höhere Spannung beim Laden).

Die Genauigkeit der ausgegebenen Spannung beträgt ±1 mV über den gesamten Arbeitstemperaturbereich. Die galvanische Isolierung erlaubt eine Reihenschaltung der Module bis zu einer Gesamtspannung von 800 V. Ein Sollwertsprung ist in weniger als 500 µs vollständig ausgeregelt. Sämtliche Zellmodule erhalten ihren neuen Sollwert in weniger als 1 ms. Jeder Kanal kann maximal 1 A liefern und senken. Er ist damit für die üblichen Balancing-Ströme ausreichend dimensioniert. Für besondere Anforderungen können bis zu vier Module parallel geschaltet werden, wodurch ±4 A erreicht werden.

HiL-Integration der Emulationseinheit

Der Datenaustausch zwischen Echtzeitprozessor und der Zellenspannungsemulationshardware erfolgt über eine LVDS-Schnittstelle. Sie gewährleistet sowohl eine hohe Genauigkeit als auch die galvanische Isolation. Eine Steuerkarte empfängt die Sollwerte der einzelnen Zellen vom Echtzeitprozessor und überträgt die Daten an die einzelnen Module zur Zellenspannungsemulation. Neben den Sollwerten werden auch Steuerkommandos zum Schalten von Relais empfangen. In umgekehrter Richtung werden die gemessenen Zellenströme sowie die Temperatur jedes Moduls übertragen. Die Relais auf einem Modul haben die Aufgabe, die Verbindung zum Steuergerät herzustellen oder zum Zwecke der Fehlersimulation zu trennen.

Markus Plöger, Dr. Hagen Haupt, Jörg Bracker

: Die Autoren arbeiten bei dSPACE: Markus Plöger als Gruppenleiter für HIL, E-Drive und Testautomatisierungs-Kundenprojekte, Dr. Hagen Haupt als Leiter der Modellierungsgruppe im Bereich Application/Engineering und Jörg Bracker als Gruppenleiter in der Abteilung Kundenspezifische Simulatorhardware

(av)

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