"mapp View ist unsere Antwort auf die Anforderungen moderner HMI-Lösungen." Dr. Hans Egermeier Redaktion IEE, B&R

"mapp View ist unsere Antwort auf die Anforderungen moderner
HMI-Lösungen." Dr. Hans Egermeier (Bild: Redaktion IEE, B)

Herr Egermeier, schon auf der SPS 2014 stand mit mapp Technology die Erweiterung des Automation Studios um modulare Funktionsmodule im Mittelpunkt. Dieses Jahr war es mit mapp View erneut Software. Was verbirgt sich dahinter?

mapp View ist unsere Antwort auf die Anforderungen moderner HMI-Lösungen. Das betrifft unter anderem die Laufzeitkomponente, also den Teil, der auf der Maschine zu sehen ist. Das sind Widgets, Server und die Kommunikationstechnologie. Hinzu kommt das Engineering. Mit mapp View haben wir einen Editor zum Erstellen der Bedienoberfläche im Automation Studio entwickelt. Die Visualisierung setzt auf mapp Technology auf, ein Framework, das bislang hauptsächlich die Logikebene abdeckt und inzwischen rund 150 Module für die verschiedensten Funktionen umfasst. mapp View zeigt, wohin die Reise geht: Wir modularisieren das Automation Studio.

Ein Aspekt von mapp View ist die Web-Integration mit HTML 5 als Core-Technologie der Visualisierung.

Hauptmotivation, HTML 5 oder Web-Technologien zu nutzen, sind schlichtweg deren Verbreitungsgrad und die Masse an Pro­tagonisten, die dahinter stehen. Ein Treiber ist Google, die viel in Web-Standards investieren. HTML 5 hat sich daher als Standard sehr schnell etabliert und hat eine enorme Innovationsdynamik. HTML 5 ist aber nur das Synonym für Web-Technologie. Technologisch steckt eine größere Vielfalt dahinter, etwa Javascript und Cascading-Stylesheets als Layout-Mechanismen.

Demnach nutzen Sie nicht nur HTML 5?

Wenn wir von Web-Technologie sprechen, meinen wir genau diese Vielfalt. Unser Hauptanspruch bei der Entwicklung von mapp View war, dass Automatisierungskunden mit diesen Technologien zurechtkommen. HTML 5 allein ist vielleicht noch ganz gut zu beherrschen. Damit ein Web-HMI funktioniert, müssen im Hintergrund aber viele Technologieräder ineinandergreifen. Und jedes dieser Rädchen entwickelt sich sehr schnell weiter. Mit der Kapselung dieser Technologien in mapp View können Projekteure nun Web-Technologien für ihre Visualisierung nutzen.

"Die Integration der Web-Visu in unsere Systemlandschaft, hebt uns von anderen Lösungen ab." Dr. Hans Egermeier Redaktion IEE

"Die Integration der Web-Visu in unsere Systemlandschaft, hebt uns von anderen Lösungen ab." Dr. Hans Egermeier Redaktion IEE

Wie funktioniert die Integration ins Automation Studio beziehungsweise in mapp?

Die sichtbare Integration ist ein grafischer Editor für das Layout sowie eine übersichtliche Strukturierung der Visualisierungsbestandteile, dem Logical View. Hier sind alle wiederverwendbaren Softwarekomponenten aufgelistet. mapp View ist hochgradig modular, sodass jede einzelne Layout-Seite einer Visualisierung einfach wiederverwendbar ist.

Das ist ein wesentlicher Unterschied zu heute: Aktuell werden Visualisierungsprojekte meist als geschlossene Kapsel eines einzigen Projekts verwaltet. Mit mapp View können Anwender nun einzelne Seiten verwalten und zusammenstellen. Der Vorteil besteht darin, neben dem Steuerungsprogramm nun auch die Visualisierung für einzelne Maschinenmodule flexibel konfigurieren zu können.

mapp View zielt also in Richtung modularer Maschinenbau und Variantenmanagement?

Die maschinenspezifische Konfiguration ist ein Aspekt. Die Aufteilung in unterschiedliche Seiten verbessert ebenso die Wiederverwendbarkeit beim Engineering. Zusätzlich lassen sich einzelne Seiten auch dynamisch zur Laufzeit aufschalten. Das bringt eine Flexibilität zur Laufzeit, die man mit einem fest definierten Visualisierungsumfang so nie erreichen kann.

HTML 5 ist ebenso Synonym für mobile Bedienlösungen auf Tablets oder Smartphones. Die unterschiedlichen Display-Größen verlangen eine dynamische Anpassung. Berücksichtigt Ihre Visualisierung diese Responsiveness?

In der Version 1.0 unterstützt mapp View natürlich unterschiedliche Bildschirmdiagonalen. Wir haben sichergestellt, dass sich Visualisierungsvarianten für unterschiedliche Displayvarianten leicht erstellen lassen. Bei Responsive-Design-Anwendungen können Sie das Visualisierungsfenster beliebig klein oder groß ziehen. Abhängig davon ordnen sich dann alle Bildelemente entsprechend der Größe an. Diesen hohen Grad an Dynamik, der vom Maschinenbauer ja auch entworfen werden muss, den unterstützen wir zu Beginn noch nicht. Wie sich Responsive Design langfristig entwickelt, werden wir beobachten. Denn die Zuordnung der Displaygrößen an einer Maschine oder von industriellen Endgeräten ist einerseits meistens fixiert. Andererseits erwarten unsere Kunden oftmals ein einheitlich exakt definiertes Layout, auch bei unterschiedlichen Diagonalen.

"Die Trennung von Daten-Server im Controller und HMI-Client im Grafik-Prozessor vermeidet Performance-Probleme." Dr. Hans Egermeier Redaktion IEE

"Die Trennung von Daten-Server im Controller und HMI-Client im Grafik-Prozessor vermeidet Performance-Probleme." Dr. Hans Egermeier Redaktion IEE

B&R hat eine breite Kundenbasis im Maschinen-/Anlagenbau. Kann jeder seine bestehende Applikation migrieren und mit wieviel Aufwand ist das verbunden?

Um es klar zu sagen: Wir raten von einer Konvertierung bestehender Visualisierungen ab. Bei wirklich guten Visualisierungsprojekten liegt der Hauptaufwand im Interaktionskonzept und dem Test mit Anwendern. Die technologische Umsetzung in Web-Technologie macht dann nicht mehr das Gros aus. Viele Visualisierungsprojekte sind heute deswegen so aufwendig und teuer, weil sie – platt gesagt – zusammengebastelt werden und zu spät von Anwendern getestet werden. Dementsprechend bekommen die Entwickler das Feedback viel zu langsam zurückgespielt. Lange Durchlaufzeiten und unbefriedigende Ergebnisse sind so unvermeidlich. Richtig konzipiert und strukturiert aufgesetzt, ist eine Umsetzung relativ schnell erledigt. Deswegen sollten sich Anwender die guten, das heißt erprobten Bedienfolgen und Seitenstrukturierungen aus ihren bestehenden Visualisierungslösungen übernehmen und auf der neuen Technologie aufsetzen.

Für die Konzeption von Bedienlogik und Design gibt es Usability-Experten und auch spezielle Tools. Können Sie solche Systeme anbinden?

Sie meinen Mockup-Systeme. Eine direkte Überführung von Usability-Tests in unser System ist Stand heute nicht vorgesehen. Wir setzen hier wie bisher üblich auf Skizzen, Scribbles und Screendesigns auf, die der Programmierer sozusagen in Web-Technologie nachbaut. Was Anwender implementieren können, sind individuelle Widgets, die beispielsweise ein Webdesigner entworfen hat. Darüber bringen wir Web- und Layout-Know-how zusammen.

Mit Aprol gibt es in Ihrem Haus auch eine ausgewachsene Scada-Lösung. Werden die Konzepte von mapp View auch in die nächste Leitsystem-Version einfließen?

Derzeit konzentrieren wir uns auf Maschinen und Anlagen. Ob an der Maschine oder als übergeordnete Leittechnik genutzt – die Anforderungen an eine Visualisierung sind prinzipiell identisch. Daher wird die Technologie mittelfristig auch in Aprol einfließen.

"Die Kapselung von HTML 5, Javascript und CSS erschließt HMI-Projekteuren nun auch die Web-Technologien." Dr. Hans Egermeier Redaktion IEE

"Die Kapselung von HTML 5, Javascript und CSS erschließt HMI-Projekteuren nun auch die Web-Technologien." Dr. Hans Egermeier Redaktion IEE

Das Thema Web-Visualisierung ist nicht neu und es gibt weitere Anbieter von Web-Visualisierungen. Worin unterscheidet sich der B&R-Ansatz?

Jede Lösung hat ihre Unterschiede und Feinheiten. Unsere Stärken liegen in der Integration in unsere Automatisierungslandschaft, der gelungenen Kapselung der Web-Technologie und der Skalierbarkeit der Visualisierung über sämtliche Controller-Plattformen hinweg.

Wie viele Mannjahre stecken in der Entwicklung von mapp View?

Vordergründig mag Web-Technologie einfach zu beherrschen sein. Aber es ist etwas ganz anderes, HTML 5 und Co in die Steuerungswelt zu integrieren. Das haben wir bei dem Projekt gelernt und mussten selbst zuerst einiges an Know-how aufbauen. Die Entscheidung, in Richtung Web zu gehen, liegt bereits über fünf Jahre zurück. Auch wenn wir nicht sofort mit der Umsetzung begonnen haben, sind doch einige Mannjahre in die Entwicklung geflossen.

Die Entwicklung ist bei HTML 5 sehr dynamisch. Wie stellen Sie die Rückwärtskompatibilität sicher? Schließlich ticken die Uhren in der Steuerungswelt anders.

Hinsichtlich Kompatibilität habe ich keine Bedenken, weil diese für viele große Player im Web-Bereich eine enorme Rolle spielt. Daher wird es keine harten Inkompatibilitäten bei der Weiterentwicklung geben. Wir werden eine Version der Rendering-Engine Blink, bekannt aus dem Google-Chrome-Browser, festlegen. Ab dieser Version sorgen wir für Kompatibilität.

"Google Blink ist aus unserer Sicht die performanteste, stabilste und damit auch die industrietauglichste Komponente in dem Bereich." Dr. Hans Egermeier Redaktion IEE

"Google Blink ist aus unserer Sicht die performanteste, stabilste und damit auch die industrietauglichste Komponente in dem Bereich." Dr. Hans Egermeier Redaktion IEE

Klassische Visualisierungen bringen Funktionen wie Alarmlisten oder Trendkurven mit. Ist das alles mit HTML 5 realisierbar, auch mit Ihren kleineren Controllern als Server?

Das ist es. Unterm Strich ist die Leistung des Visualisierungsclient, das heißt Browser plus Hardware, der ausschlaggebende Teil. Wenn die Steuerung I/O-Signale und Bedieneingaben loggen kann, dann funktioniert auch das Trending mit unserer Web-Visu, die solche Funktionen unterstützt. HTML 5 alleine könnte das ohne Javascript und CSS so nicht. Genau an der Stelle kommt mapp View ins Spiel, das dieses komplexe Zusammenspiel unterschiedlicher Technologien koordiniert und kombiniert. Dann haben Anwender nur noch ein Widget, bei dem sie einstellen, ob und wie Daten zu archivieren und anzuzeigen sind – bis hin zu Audit Trail.

Welche Performance erreicht mapp View in Verbindung mit verschiedenen Hardware-Plattformen?

Wir haben Tests gemacht und untersucht, ob und wo es Overhead gibt. Dass man bei Web-Technologien Performance-Einbußen in Kauf nehmen muss, ist ein Irrglaube. Der Server-Anteil, der zur Laufzeit die Daten von der Steuerungs-Task abholt, belastet die CPU kaum. Das Aufwendige ist das Rendering, also die grafischen Operationen. Das erfolgt getrennt von der Haupt-CPU im Client, der im Grafik-Prozessor des HMI-Terminals oder Tablets läuft. Und in den Geräten stecken Grafikprozessoren, die jede SPS-CPU schwindlig rechnen.
Aufgrund der Trennung können wir serverseitig bis auf ganz kleine Steuerungen runtergehen. Zudem: Wir haben auch keine Szenarien, mit Tausenden oder Dutzenden von Usern, die sich auf einen Server schalten und ständig Daten abrufen. Auf Maschinen­ebene beschränken wir die Anzahl aktuell auf maximal zwölf User je Server.

Mit welchen Widgets gehen Sie an den Start?

Das sind mehrere Widgets, die beispielsweise sämtliche Arten von Menüs und Buttons bereitstellen, auch Radiobuttons oder Pushbuttons. Passend dazu gibt es Trend- und Chart-Widgets. Alle Module werden natürlich konfigurierbar sein und haben einen von uns definierten Styleguide. Das ermöglicht Anwendern vom Start weg ein gutes und einheitliches Look-and-feel ihrer Visualisierung als Ganzes hinzubekommen. Interessant ist auch das Widget zur Einbindung von Videostreams in die Maschinenvisualisierung. Aufgenommen vom Maschinenbediener mit einem Smartphone oder Tablet, braucht sich der Support des Anlagenlieferanten nur auf die Visualisierung aufzuschalten und kann mit dem Bediener vor Ort die Fehlerursache beheben.

Das Interview führte IEE-Chefredakteur Stefan Kuppinger.

(sk)

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