Immersion: Um korrekte Kompromisse zu erzielen, müssen sich Alternativen in einer leicht verständlichen Weise vergleichen lassen. Die Ausgabe von Mentor Graphics Capital Integrator zeigt den Vergleich von zwei Designalternativen und ihre Auswirkungen auf verschiedene Aspekte des Designs.

Bild 4: Um korrekte Kompromisse zu erzielen, müssen sich Alternativen in einer leicht verständlichen Weise vergleichen lassen. Die Ausgabe von Mentor Capital Integrator zeigt den Vergleich von zwei Designalternativen und ihre Auswirkungen auf verschiedene Aspekte des Designs. (Bild: Mentor)

Im Vorfeld dieses Beitrags zum Thema Immersion führte Mentor im Jahr 2015 eine Umfrage unter Führungskräften der Automobilindustrie durch. Eine der Fragen lautete: „Welche Funktionen müssen neue Design-Tools bieten?“ Erwartungsgemäß lauteten die beiden ersten Antworten im Ranking: exakt und schnell soll es gehen. Doch an dritter Stelle hieß es überraschend: „Förderung von Innovationen“. Die Innovation kommt vor der Produktivität und den niedrigen Kosten, sie steht außerdem über allen anderen normalerweise hochbewerteten Tool-Eigenschaften. Das zeigt, dass sich Führungskräfte der Bedeutung von Innovationen für den dauerhaften Erfolg ihres Unternehmens bewusst sind. Doch welche Teile einer Designumgebung fördern Innovationen und wie können diese genutzt werden, damit alle Anwendungen zum Erfolg für das Unternehmens beitragen?

Innovationsgrad im Vergleich zum technologischen Risiko der Innovation. Inkrementelle und fundamentale Innovation lässt sich bei relativ niedrigem Technologierisiko erreichen.

Bild 1: Innovationsgrad im Vergleich zum technologischen Risiko der Innovation. Inkrementelle und fundamentale Innovation lässt sich bei relativ niedrigem Technologierisiko erreichen. Mentor

Innovationsgrade

Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst verstehen, welche Arten von Innovationen es gibt und welche Ziele der Anwender damit jeweils verfolgt. Bild 1 zeigt unterschiedliche Klassifizierungen von Innovationen im Vergleich zu ihren Risiken. Bahnbrechende Innovationen können einen erheblichen Einfluss auf ein Unternehmen haben, aber sie erfordern oft eine Änderung des Geschäftsmodells oder der Organisation. Ein Unternehmen kann daher nur eine begrenzte Anzahl solcher Innovationen umsetzen.

Damit ein Unternehmen auf Dauer zukunftsfähig ist, muss es jeweils das Bestmögliche herausholen. Zudem ist es genauso wichtig, auf inkrementelle Innovationen zu achten – und solche können täglich auf dem Schreibtisch eines jeden Ingenieurs landen. Das wirft die Frage auf, wie sich innerhalb einer Gesamtorganisation inkrementelle Innovationen erreichen lassen – im Unterschied zu wenigen Ingenieuren, die sich auf fundamentale Innovationen konzentrieren.

Erkenntnisse aus der virtuellen Realität

Eckdaten

Ingenieure wollen innovativ sein und sich in einer Umgebung entfalten, die das fördert. Doch allzu oft wird ihre Innovationskraft durch die archaischen Prozesse zermürbt, die in einer Organisation verankert sind und aus einer vergangenen Zeit stammen. Um Innovationen auf allen Ebenen kontinuierlich zu fördern und jedem Ingenieur die Möglichkeit zur Verwirklichung seiner innovativen Ideen zu geben, müssen Organisationen eine Wandlung durchmachen. Passende Tools fördern die Immersion der Ingenieure in ihre Innovationstätigkeit.

Innovationen werden dann möglich, wenn jeder Ingenieur auf eine Weise arbeitet, in der er geistesgegenwärtig leicht auf alle notwendigen Informationen zugreifen kann, die ihm helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Um zu verstehen, wie dies erreicht werden kann, sollte man sich anschauen, wie in der virtuellen Realität verschiedene Arten von Immersionen (Wahrnehmungen) definiert werden:

Narrative Immersion

.. tritt auf, wenn ein Spieler tief in eine Handlung eintaucht. Sie ähnelt der Erfahrung, die man beim Lesen eines Buches oder Betrachten eines Films macht. Man ist geistig voll involviert und folgt, wenn auch nur passiv, dem gesamten Geschehen.

Taktische Immersion

… tritt bei „fühlbaren“ Handlungen auf, die bestimmte Fertigkeiten verlangen. Die Spieler erleben ihre Umgebung, während sie gleichzeitig Handlungen, die zum Erfolg führen, perfektionieren. Dieser Zustand stellt vor allem eine geistige Herausforderung dar: Entscheidungen führen zu Konsequenzen. Der Spieler folgt dem Ablauf, indem er geringfügige taktische Entscheidungen trifft.

Strategische Immersion

… ist zerebral und mit höheren geistigen Herausforderungen verbunden. Schachspieler erleben eine strategische Immersion, wenn sie aus einer Vielzahl an Möglichkeiten die richtige Lösung wählen. Sie müssen viele Spielzüge vorausdenken und die Konsequenzen ihrer einmal gemachten Entscheidung hinsichtlich diverser zukünftiger Möglichkeiten gedanklich abwägen.

Durch visuelle Darstellungen verschiedener Designdaten können Ingenieure die Auswirkungen von Änderungen schnell erkennen. Das Beispiel von Mentor Graphics Capital Integrator visualisiert verschiedene Aspekte von Designdaten, wenn Änderungen erfolgen.

Bild 2: Durch visuelle Darstellungen verschiedener Designdaten können Ingenieure die Auswirkungen von Änderungen schnell erkennen. Das Beispiel von Mentor Capital Integrator visualisiert verschiedene Aspekte von Designdaten, wenn Änderungen erfolgen. Mentor

Ein Design-Tool sollte genau diese Art der Immersion anbieten. Innovationen, oder zumindest eine verbesserte Produktivität, werden durch die vollständige mentale Immersion gefördert: Der Ingenieur lässt sich verschiedene Szenarien durch den Kopf gehen, um die jeweiligen Vor- und Nachteile zu verstehen und grundlegende Fragen zu beantworten: zum Beispiel, wie sich eine bestimmte Entscheidung auswirkt und wie diese im weiteren Designprozess andere Aspekte beeinflusst.

Die übergeordneten und vermutlich wichtigeren Fragen lauten: Wie bringen wir Ingenieure dazu, dass sie ihre Entwicklungsarbeit mittels strategischer Immersion machen, indem sie ein gedankliches Modell ihres Vorhabens erstellen? Und wie sichern wir dieses gedankliche Modell, wenn von ihnen verlangt wird, dass sie ihre Gedankenspiele unterbrechen, um Informationen für die nächsten Entscheidungen und ihre Auswirkungen woanders zu suchen? Eine Designumgebung muss die Ingenieure dazu bringen, die Aufgaben mittels strategischer Immersion zu lösen.

Strategische Immersion möglich machen

Das Erfassen von Entwurfsnormen in digitaler Form sorgt dafür, dass Ingenieure ihre Zeit nicht mehr für den Entwurf verschwenden müssen, sondern sich auf das Engineering konzentrieren können. Ein Beispiel hierfür ist das digitale Erfassen von Diagramm-Stylings innerhalb der Mentor Graphics Capital Suite.

Bild 3: Das Erfassen von Entwurfsnormen in digitaler Form sorgt dafür, dass Ingenieure ihre Zeit nicht mehr für den Entwurf verschwenden müssen, sondern sich auf das Engineering konzentrieren können. Ein Beispiel hierfür ist das digitale Erfassen von Diagramm-Stylings innerhalb der Mentor Capital Suite. Mentor

Es gibt in einer Engineering-Umgebung einige Schlüsselbereiche, um die strategische Immersion gezielt zu ermöglichen und Ingenieuren damit die Einführung von Neuerungen zu vereinfachen. Um die Konsequenzen von Design-Entscheidungen vollständig zu verstehen, muss man zunächst einen Systems-Engineering-Ansatz verfolgen und, wo immer möglich, auf Plattformebene entwickeln. Das garantiert, dass Entscheidungen getroffen werden, die die gesamte Plattform optimieren und nicht nur einen bestimmten Teil des Designs zum Nachteil anderer. Einige der bestimmenden Merkmale eines Systems-Engineering-Ansatzes sind die Berücksichtigung der Gesamtproblematik, das Durchlaufen mehrerer Abstraktionen (idealerweise über maschinenlesbare ausführbare Spezifikationen), Dokumentation der Anforderungen, Konkrete Verifikationsverfahren sowie neue Charakteristiken, die durch Interaktionen von Sub-Elementen entstehen. Vor diesem Hintergrund können folgende weitere Prinzipien zur Anwendung kommen:

Ablenkungen beseitigen

Einen Großteil ihrer Zeit verbringen Ingenieure mit der Suche nach Informationen. Wenn ihnen diese Informationen nicht sofort zur Verfügung stehen, müssen sie die Immersion unterbrechen und woanders danach suchen. Sobald sie die Informationen gefunden haben, müssen sie mental an die Stelle, wo sie vorher waren, zurückgehen und die Daten im Kontext interpretieren. Dieser Kontextwechsel bietet jedoch kein Umfeld für wirklich innovative Gedanken – die Überlegungen führen eher zum Verlust der Zusammenhänge.

Die Ergebnisse einer Entscheidung sollten hingegen unverzüglich und leicht verständlich im Designkontext verfügbar sein. Diese Ergebnisse haben unter Umständen völlig unvorhersehbare Auswirkungen auf andere Teile des Systems. Dadurch könnte eine gute Entscheidung im Hinblick auf das gesamte Systems schlecht sein. Die Lösung ist das unmittelbare und intuitive Darstellen von Designdaten. Ein Beispiel hierfür sind die Metriken, die die Tools aus Mentor Graphics Capital Software zur Verfügung stellen.

Alltägliche Aufgaben eliminieren

Weltweite Umfrage von Mentor Graphics in der Automobilindustrie, 2015

Tabelle 1: Weltweite Umfrage von Mentor in der Automobilindustrie, 2015. Mentor

In Unternehmensprozessen muss ein Ingenieur viele Standardaufgaben bewältigen. Er muss sicherstellen, dass die Konstruktionszeichnungen dem Unternehmensstandard entsprechen, so dass nachfolgende Anwender die Zeichnungen korrekt interpretieren können. Andere Aufgaben umfassen das Abarbeiten von Standard-Checklisten für allgemeine Designfehler, die es zu vermeiden gilt. Diese Aufgaben sowie die erneute Eingabe von Daten, die zwar in einem einheitlichen Format zur Verfügung stehen, die aber vor der nächsten Entwicklungsphase in ein anderes Format übertragen werden müssen, kosten Zeit und führen zu Fehlern.

Die Lösung, um diese Aufgaben zu vermeiden und dem Ingenieur zu erlauben, Neuerungen einzuführen, liegt in der Anwendung von Standards und in der Automatisierung. Wenn es zum Beispiel einen digital festgelegten Unternehmensstandard für Zeichnungen gibt, durch den sie Text nicht mehr genau an der richtigen Stelle, mit genau der richtigen Schriftart und der exakten Trennung von anderem Text einsetzen müssen, dann können sich Ingenieure auf das Einbringen der richtigen Daten ins System konzentrieren. Sie müssen nicht Stunden damit verbringen, in einem Diagramm Daten an die richtige Stelle zu setzen und endlose Optimierungen durchzuführen, wenn weitere Daten hinzukommen.

Um diesen Automatisierungsgrad zu unterstützen, muss ein Design-Tool die Möglichkeit zur digitalen Erfassung dieses Modells bieten, damit es für den täglichen Einsatz geeignet ist.

Das digitale Erfassen eines Prozesses ist der grundlegende Baustein, um die Automatisierung reproduzierbar anzuwenden. Oftmals deckt das digitale Erfassen Löcher und Mängel im aktuellen Prozess auf. Diese Lücken haben zuvor Ingenieure mit ihrer Erfahrung behoben – allerdings auf Kosten der Innovation. Das digitale Erfassen von Prozessen hat einen weiteren großen Vorteil – die Daten bleiben im Unternehmen, wenn ein Mitarbeiter ausscheidet. Das digitale Modell wird zu einem Kernstück der Unternehmens-IP, das sich aktualisieren lässt, wenn neue Informationen zur kontinuierlichen Verbesserung und Optimierung des Designprozesses gewonnen werden.

Unmittelbares Feedback

Immersion: Um korrekte Kompromisse zu erzielen, müssen sich Alternativen in einer leicht verständlichen Weise vergleichen lassen. Die Ausgabe von Mentor Graphics Capital Integrator zeigt den Vergleich von zwei Designalternativen und ihre Auswirkungen auf verschiedene Aspekte des Designs.

Bild 4: Um korrekte Kompromisse zu erzielen, müssen sich Alternativen in einer leicht verständlichen Weise vergleichen lassen. Die Ausgabe von Mentor Capital Integrator zeigt den Vergleich von zwei Designalternativen und ihre Auswirkungen auf verschiedene Aspekte des Designs. Mentor

Die beste Möglichkeit, um das Verhalten zu ändern, ist eine sofortige und direkte Rückmeldung nach Abschluss einer Aufgabe. Viele Ergebnisse aus Ingenieursentscheidungen, die heute noch im Gebrauch sind, stehen nur als textbasierte Berichte zur Verfügung, die erst erzeugt und dann interpretiert werden müssen. Das alles ist ein Überbleibsel aus den Tagen der Mainframe-Computer und Batch-Jobs und muss vermieden werden, um Ingenieuren eine strategische Immersion zu ermöglichen. Ingenieure sind meistens Menschen mit visueller Wahrnehmung; sie möchten die Daten in einer leicht verständlichen und vergleichbaren Form. Je verständlicher etwas ist, desto einfacher können sie Entscheidungen über die Qualität eines Designs treffen.

Zusätzlich zur Darstellung des Ist-Zustands der Daten muss es möglich sein, alternative Designs zu vergleichen. Nur so lässt sich verstehen, welches das bessere ist. Um ein optimales Design für den weltweiten Einsatz zu erstellen, muss das zugrundeliegende Prinzip der Designmethodik auf dem Systems-Engineering-Ansatz beruhen.

Glenn Reynholds

(Bild: Mentor Graphics)
Central Engineering bei Mentor

(av)

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