Industrie 4.0 lebt von Daten aus der Feldebene, die über Edge-Gateways strukturiert in einer Cloud bereitstehen müssen.

Industrie 4.0 lebt von Daten aus der Feldebene, die über Edge-Gateways strukturiert in einer Cloud bereitstehen müssen.Hilscher

Das Internet der Dinge (IoT) wurde wesentlich geprägt durch die durchgängige Wertschöpfungskette von der Fertigung bis hin zum Endverbraucher. 2014 wurde der Anteil industrieller Wertschöpfung durch die Einführung des ‚Industrial Internet of Things‘ hervorgehoben. Wesentlich war hierfür der Einfluss der Industrie auf die Gestaltung der einzusetzenden Technologien. Noch allgemeiner gefasst wurde das IoT zum ‚Internet of Everything‘ (IoE) erweitert, das auch die nicht-verbundenen sowie nicht-adressierbaren Dinge umfasst.

Denn auch diese Objekte spielen im IoT/IoE-Raum eine Rolle, zum Beispiel als Gegenstände die (noch) nicht mit eigener Intelligenz und Identifikationsmöglichkeit ausgestattet sind. Die Kommunikationstechnologie wird mit den Realtime Ethernet Systemen im Bereich des IoT eine wesentliche Rolle spielen. Auch die traditionellen Feldbusse werden weiterhin einsetzbar sein in diesem Kontext. Da sie nicht direkt mit Cloud-Technologien kombinierbar sind, bleibt nur, sie als Teil des Internet of Everything einzubinden. Ein IoT-fähiges Produkt erfüllt oder unterstützt Funktionen zur: Selbstorganisation, Semantik, cyber-physisches System, Cloud-basierte Anwendung. Aus technologischer Sicht erfahren die Kommunikationsstandards gerade die notwendigen Erweiterungen. OPC UA, 2010 als IEC 62541 veröffentlicht, wird aktuell um den Publish/Subscribe-Mechanismus erweitert. Das Ziel: Die Anforderungen an eine dezentrale, durch die Feldebene unterstützte und initiierte Kommunikation umsetzen. Im gleichen Kontext wird das Standard-Ethernet durch die Einführung von ‚Time Sensitive Networking‘ (TSN) um Echtzeitfähigkeit ergänzt. Die vielleicht wichtigste Auswirkung auf die Kommunikationstechnologie hat das bereits absehbare Zusammenwachsen der klassischen Informationstechnologie (IT) mit der Produktionswelt (OT: Operational Technology).

IoT und Industrie 4.0 – was ist wirklich neu

Die Vision, die IoT und Industrie 4.0 spannend machen, ist die Idee einer sich selbst organisierenden Fertigung und automatischen Fertigung selbst bei Losgröße 1. In Zukunft ist es das Werkstück oder der Werkstückträger, der aufgrund eigener Informationen und Intelligenz die jeweiligen Arbeitsstationen mit Anweisungen steuert. Diese Art der Fertigungsautomation verlangt eine wesentlich höhere Intelligenz auf der Feldebene. Diese Intelligenz wiederum benötigt erweiterte Kommunikationsfähigkeiten, die über eine einfache Datenübertragung weit hinausgehen. Es gibt eine wechselseitige Beeinflussung zwischen lokaler Intelligenz und der Funktionalität, welche die Kommunikation liefern muss. Denn intelligente Algorithmen machen nur Sinn, wenn die erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen. Die Informationen wiederum dürfen in Zukunft nicht nur Daten beinhalten, sondern auch die semantischen Inhalte.

Für eine Selbstorganisation sind die semantischen Informationen, zum Beispiel die Herkunft und Lokalität eines Signals zusätzlich zu übertragen, zum Beispiel die Oberflächentemperatur des Werkstücks mit eindeutiger Identifikation. Künftige Erweiterungen um solche Prozessinformationen werden wesentlich sein, um die Selbstorganisation in der Fertigung in Form von Workflows umzusetzen: „Bei einer Oberflächentemperatur von über 30 °C keine Beschichtung aufbringen und Service anfordern.“

CPS ist eine Innovation für die Zukunft

Ein cyber-physisches System (CPS) besteht aus einem elektromechanischen Gerät mit zugehörenden Softwarekomponenten. Letztere beschreiben die wesentlichen Funktionen und das Verhalten des Gerätes, ermöglichen die Steuerung und Kommunikation über ein Netzwerk. Ein CPS stellt also einen Verbund von Kommunikation, Verarbeitung und Steuerung dar. Deren Einsatz in der Fertigungsautomation wirft einige Fragen auf: Wie verändern CPS die Anforderungen an die industrielle Kommunikation (Semantik für Selbstorganisation)? Wie wirkt sich der Anteil an Verarbeitungslogik von CPS auf die klassische Automationspyramide aus?

Edge-Gateways übertragen Daten an die Cloud.

Edge-Gateways übertragen Daten an die Cloud.Hilscher

Die Herausforderungen des Internet of Things

Die Initialkosten für die derzeit in Entwicklung befindlichen Produkte sind zunächst höher, da die aktuelle Technologie um zusätzliche Funktionen angereichert werden muss. Das betrifft nicht nur die Implementierung neuer Protokolle, sondern auch die Zugriffsschichten auf Steuerungs- und Unternehmensebene. Die Abhängigkeit zwischen erforderlicher Intelligenz und notwendigen Informationen verlangt eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Herstellern von Feldgeräten und den Kommunikationsanbietern: Welche Informationen benötigt ein intelligentes Feldgerät und welche Applikation ist erforderlich, um mit den zur Verfügung gestellten Informationen zu arbeiten?
Eine konsequente Umsetzung der IoT-Konzepte entflechtet und vereinfacht die Automationsstrukturen. Allerdings ist die Inter-operabilität zwischen den Geräten unterschiedlicher Hersteller dafür sowohl eine Bedingung als auch Herausforderung. Und bei den Betreibern muss die Kompetenz in den Bereichen Engineering und Instandhaltung erweitert werden.

Nutzen und Mehrwert der IoT-Technologien werden durch die neuen Geschäftsmöglichkeiten bestimmt. Eine besondere Rolle spielen dabei Cloud-basierte Anwendungen, die zum Beispiel zu einer höheren Anlagenverfügbarkeit aufgrund besserer Wartbarkeit führen.

Kampf der Cloud-Architekturen

Die Standardisierung hat sich bereits als Hemmschuh bei der Umsetzung von Industrie-4.0-bezogenen Konzepten herausgestellt. Sowohl das Industrial Internet Consortium als auch die Plattform Industrie 4.0 sehen sich derzeit nicht in der Aufgabe, bestimmte Standards vorzuschreiben. Auch der Verweis auf OPC UA in den Dokumenten der Plattform Industrie 4.0 hat ledig den Charakter einer Empfehlung. Im Bereich der Cloud-Infrastrukturen ist eine Positionierung zu beobachten. Da in der Cloud ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung erfolgt, ist das Potenzial vorhanden, einen Wettbewerb der Cloud-Architekturen zu erleben, der vergleichbar sein kann mit ähnlichen Situationen bei Feldbussen und Echtzeit-Ethernet Protokollen in der Vergangenheit.

Wertschöpfung in der Cloud

Die Erweiterung von Geräten der Feldebene sowie die erforderliche Einsatz von Komponenten der Feldnetzwerke und des Zugriffsnetzwerkes wie zum Beispiel Edge-Gateways stellen zunächst nur zusätzliche Investitionen dar – diese Infrastruktur dient gewissermaßen als Türöffner. Der eigentliche Nutzen entsteht für Anwender durch Applikationen, die Cloud-basierte Technologien verwenden. Die CPS werden mithilfe der Cloud-Applikationen und der gemeinsamen Nutzung von Daten aus der Cloud und aus dem Feld neue, intelligente Funktionen anbieten und verwenden. Eine schrittweise Einführung ist möglich, weil CPS auch in die vorhandene Automationspyramide integriert werden können. Ebenso lassen sich Feldgeräte in Cloud-Applikationen einbinden, sofern sie über eine passende Kommunikationsschnittstelle verfügen.

Armin Pühringer

ist Business Development Manager bei der Hilscher Gesellschaft für Systemautomation mbH in Hattersheim.

(sk)

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Hilscher GmbH Gesellschaft für Systemautomation mbH

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