Herr Wächter, Herr Bärenstecher, was macht einen Erfinder aus?

Wächter: Wir möchten uns jetzt nicht als die Erfinder schlechthin bezeichnen, da wir hauptberuflich eine eigene Bauträgergesellschaft haben. Aber ich glaube in jedem steckt ein kleiner Erfinder, wenn er mit offenen Augen durch die Welt geht und – neben Mut – eine gewisse Zielstrebigkeit hat, um seine Ideen umzusetzen. In unserem Fall war es auch der glückliche Umstand, dass wir dies gemeinsam angegangen sind. Eine ideale Konstellation, denn ich bin eher für die abstrusen Lösung zuständig und Kollege Bärenstecher wiederum für das Gewichten und Ordnen. So haben wir uns eigentlich ergänzt. Allein hätte wahrscheinlich keiner von uns die Idee in eine konkrete Erfindung umgesetzt.

Benötigten sie ein technisches Hintergrundwissen um aus der Idee eine praktikable Lösung herauszufiltern?

Wächter: In unserem Fall möchte ich behaupten, war es nicht von Nöten. Das Gerät ist relativ einfach und jeder begreift recht schnell das Prinzip dahinter.

Die meisten Erfindungen sind auf dem zweiten Blick recht simpel und ich möchte behaupten, dass sich schon jeder dabei ertappt hat, zu sagen, das es doch viel zu einfach ist um für eine Erfindung zu taugen?

Bärenstecher: Das können wir nur so bestätigen.

Wie kam es dazu, dass Sie ihre Erfindung für den Artur Fischer
Erfinderpreis angemeldet haben?

Erfinderpreis im Detail

Tüftelleidenschaft prämieren
Das Erfinden neuer technischer Geräte und Prozesse ist die Basis der baden-württembergischen Wirtschaft. Ohne Erfindergeist und Schaffenskraft gepaart mit Können und Fleiß hätte sich das rohstoffarme Land sicherlich nicht zu dem entwickelt, was es heute ist. Die Liste der herausragenden Erfinder ist lang: Carl Benz, Gottlieb Daimler, Robert Bosch, Ferdinand Porsche, Ferdinand Graf von Zeppelin oder Margarete Steiff stehen für die Entwicklung des Landes Baden-Württemberg vom armen Agrarland zur wohlhabenden Industrieregion.  Diese traditionsreiche Tüftelleidenschaft zu fördern, wertzuschätzen und der Gesellschaft zugänglich zu machen ist das Ziel der rechtlich unselbständigen Stiftung des Artur-Fischer-Erfinderpreises Baden-Württemberg. Die Stiftung verfügt über ein Stiftungskapital von 711.000 Euro. Mit den Erträgen dieses Kapitals prämiert die Stiftung im Rahmen des Erfinderwettbewerbs alle zwei Jahre die Erfindungen von Schülerinnen und Schülern sowie privaten Erfinderinnen und Erfindern. Auf das Konto von Artur Fischer gehen über 1.100 Patente beziehungsweise Gebrauchsmuster und angemeldete Erfindungen. Damit zählt er zu den ‚glorreichen Sieben‘ der deutschen Erfinder-Elite. Und er wirbt unermüdlich für mehr Kreativität.

Wächter: Wir sind mit unserem Büro in einem Gründerzentrum in Kornwestheim und dort lag im Foyer die Ausschreibung zum Artur Fischer Erfinderpreis aus. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon knapp zwei Jahre das Patent für unsere Erfindung und waren auf der Suche nach einer industriellen Herstellmöglichkeit. Ganz spontan haben wir entschlossen, uns für diesen Wettbewerb anzumelden. Wir sahen darin auch eine mögliche Marketingmaßnahmen.

Reifte die Idee für Ihre Erfindung eher spontan oder war es ein längerer Prozess?

Bärenstecher: Es war wohl ein längerer Reifeprozess. Nachdem wir lange nach einem bereits verfügbaren Produkt gesucht hatten, haben wir uns die Mühe gemacht und auf dem Patentamt nach einer verwendbaren Lösung gesucht. Schnell stellten wir fest, dass es nichts Vergleichbares gab. Die Suche in einem Patentamt ist recht simple, ähnlich wie bei Google. So haben wir die Datenbank nach den Stichpunkten Abwasser, Wärmetauscher, Energie und Abwasserenergie durchsucht. Zwar erhielten wir relativ viele Treffer, diese aber waren von den Abmaßen alle viel zu groß. Auch die Kosten, die für ein geschweißtes Unikat in der Größe eines Öltankes auf uns zu kamen, waren uns zu viel.

Hatten Sie denn bereits eine gegenständliche Vorstellung von dem Produkt? Wenn Sie ins Patentamt gehen, dann suchen sie doch konkret.

Wächter: Ja, von der Grundidee ist es ganz einfach. Warmes Wasser, Wärmetauscher – die Wärme wird übergeben, die Kälte fließt ab. Da fehlen nur noch eine Mechanik und eine Steuerungselektronik. Wer irgendwann einmal etwas von Thermodynamik gehört hat, weiß, dass die absolute Temperatur wichtig ist. Also 100 Liter Wasser zu 10 Grad Celsius haben einen geringeren Wirkungsgrad als 10 Liter Wasser zu 100 Grad Celsius. Aufgrund dieser Gesetzmäßigkeit haben wir uns entschlossen, das warme Abwasser von dem kalten zu trennen. Deshalb auch der Name ‚Thermosplitter‘. Das Gerät misst die Temperatur des abfließenden Abwassers über zwei Sensoren und an einer definierten Temperatur, wird das Wasser mittels einer Pumpe entzogen. Stimmt die Temperatur nicht, strömt das Wasser an der Siebfläche vorbei. Dies ist der Grundgedanke.

Als Architekt wissen sie, dass alle Abwasserleitungen dieser Welt nahezu waagerecht verlegt werden und somit nicht verstopfen. Wenn sie jedoch die Abwasserleitung um 10 bis 20 Grad neigen, verstopft die Leitung. Wird die Leitung jedoch mit nur einem Grad Schräge verlegt, schwimmen die Abwasserpartikel auf, reiben nicht mehr am Untergrund und werden abtransportiert. Nach diesem Prinzip ist unser Splitter aufgebaut. Eine Siebfläche, die quasi in der Fortsetzung des Abwasserrohres verlegt ist. Wenn das Wasser kalt ist, steigt der Wasserspiegel im Rohr und die Partikel schwimmen durch.

Wie viele Prototypen haben sie gebaut, bis einer zufriedenstellend funktionierte?

Wächter: Oh, nicht nur einen. Das erste Modell war ganz primitiv, mit Rohren aus dem Baumarkt. Daran haben wir zuerst die Temperaturen und die Wassermengen gemessen. Es war erstaunlich, wie sich das Sieb immer wieder selbsttätig reinigte. Wir haben sogar Gartenerde eingefüllt und die wurde ausgespült. Das hat uns motiviert, das Prinzip weiterzuverfolgen. Daraufhin haben wir einen zweiten Prototypen gebaut, den wir im Haus verlegt haben, um entsprechende Messungen durchführen zu können. Der Wirkungsgrad war mit über 50 % erstaunlich hoch. So hoch, dass ich behaupten möchte, dass Ingenieure daran zweifeln.

Warum sollten Ingenieure daran zweifeln?

Wächter: Naja, sie wissen ja, nur wissenschaftlich durchgeführte Testreihen werden von Ingenieuren anerkannt. Unsere Messgeräte und Sensoren waren nicht hundertprozentig geeicht und kalibriert. Wir hatten diese ja im Baumarkt gekauft. Sollte einmal ein Institut eine wissenschaftlich belegbare Messreihe durchführen, wird man sicherlich noch ein paar Prozente mehr feststellen.

Wie geht es jetzt weiter?

Bärenstecher: Das ist wohl das Los jedes Erfinders. Unser Bestreben ist es nun, einen Partner oder Lizenznehmer in der Industrie zu finden, der unseren Thermosplitter auch produzieren möchte. Der vielleicht auch die Entwicklungsabteilung dazu hat, um ihn zu verfeinern oder weiterzuentwickeln. Das Potenzial ist vorhanden. Wir haben in Deutschland etwa 1,5 Millionen Neubauten und Sanierungen im Jahr. Wenn man statistisch annimmt, dass in jedem Haus etwa zwei Haushalte sind, dann können sie sich bei einer möglichen Marktdurchdringung von 10 bis 20 % ausrechnen, wie viele Geräte man pro Jahr verkaufen kann. Das ist jetzt nur auf Deutschland herunter gebrochen. Auch in allen Gewerbeanwendungen wie in Wäschereien oder Hotels, Sportstätten oder Wellness-Oasen und Hallenbäder, ließe sich der Thermosplitter rentabel einsetzen.

Das hört sich doch überzeugend an. Gab es denn schon erste Reaktionen aus der Wirtschaft?

Wächter: Ja, die gab es schon. Aber die Gespräche hatten nicht die Dynamik, wie wir sie gewünscht hätten.

Hatten Sie eine Strategie um Ihre Erfindung an den Mann zu bringen?

Wächter: Wir hatten einige relevante Unternehmen angeschrieben, aber leider war die Resonanz nicht wie gewünscht. Die Firmen die unseres Erachtens in Frage kämen, zeigte gar kein Interesse. Deshalb sahen wir ja im Erfinderpreis eine Chance, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Wir haben auf dem Stand des Steinbeis-Transferzentrums, auf der Erfindermesse in Nürnberg, ebenfalls den ‚Thermosplitter‘ ausgestellt.

Artur Fischer kann man schon als einen der bedeuteten Erfinder Deutschland bezeichnen. Die jüngere Generation kann aber mit dem Namen direkt nichts anfangen.

Bärenstecher: Sicher ist er der bekannteste Erfinder und mit seinem Namen verbindet man Produkte wie den Fischer-Dübel oder die Fischertechnik-Baukästen. Aber Patente wie die Blitzlampen für Fotoapparate sind nur den Wenigsten bekannt. Wir hatten ja die Gelegenheit ihn bei der Preisverleihung kennen zu lernen. Und mit seinen 92 ist noch so geistig rege, dass er heute noch Anregungen für Produktideen gibt.

Wenn man für seine Idee mit einem Preis gewürdigt wird, liegt es dann nicht nahe, das Erfinden zum Lebensinhalt zu machen?
Wächter: Naja, da sind noch einige Ideen, über die wir nachdenken. Aber da wir ja eine eigene Bauträgergesellschaft haben, bleibt wenig Zeit, diese aufzugreifen und umzusetzen.

Wir sind hier im Porsche-Museum und stehen vor dem elektrischen Radnaben-Antrieb welchen Ferdinand Porsche 1897 entwickelte. Heute suchen die Entwickler nach ‚dem‘ Antrieb für die Elektromobilität?

Location im Detail

Porsche Museum – Motorkunst vs. Architektur
Als ein architektonisches Testimonial für die Marke ist nach rund dreijähriger Bauzeit ein Museum entstanden, das als das spektakulärste in Auftrag gegebene Bauprojekt der Firmengeschichte gilt. Das ganz in Weiß gehaltene Museum, dessen Ausstellungskörper auf nur drei Stützen ruht und wie ein Flieger zu schweben scheint, erregte wegen seiner kühnen Architektur Aufsehen in der Fachwelt. Rund 80 Fahrzeuge und zahlreiche Kleinexponate werden hier präsentiert. Neben weltberühmten Automobilikonen wie dem 356, 550, 911 oder 917 werden auch die technischen Hochleistungen aus den frühen Jahren von Professor Ferdinand Porsche gezeigt. Das Ausstellungskonzept des Stuttgarter Museumsgestalters Professor HG Merz verzichtet bewusst auf eine inszenierte Erlebniswelt mit Showeffekten und lässt die Sportwagen für sich selbst sprechen.

Wächter: Das ist ja die Crux. Ideen werden ausgeschlagen, weil sie in diesem Moment nicht benötigt werden. So war es wohl auch damals bei Ferdinand Porsche.

Es gibt den Verband der deutschen Erfinder mit etwa 500 Mitgliedern. Ist ein solcher Verband hilfreich?

Bärenstecher: Also wir haben einen solchen Verband nicht gebraucht. Es könnte sein, dass er für die Vermarktung einer Erfindung hilfreich sein kann. Gerade bei so etwas wie professionellen Erfindern, die ganz viele Patente besitzen oder im Laufen haben, ist ein Verband vielleicht nützlich.  Wir haben ja gerade einmal ein Patent und sind da eher atypisch.

Sie haben sicherlich schon Folgeprojekte im Blick?

Bärenstecher: Die werden wir umsetzen, wenn wir die Zeit dazu haben. Wir sind ja keine hauptberuflichen Erfinder. Unser normales Geschäft, also unsere Einnahmequelle, die Bauträgergesellschaft, fordert gerade unsere volle Aufmerksamkeit.
Wächter: Bis jetzt hat uns die Erfindung, mal angesehen vom Preis, noch nichts eingebracht.

Wenn wir den Auslöser für Ihre Erfindung nochmals aufgreifen. In einem Haus stecken sicher noch mehr Ideen für eine Erfindung? Machen sich andere Architekten nicht die Gedanken wie Sie?

Wächter: Bei den Architekten ist es eigentlich verpönt etwas zu erfinden. Architekten sind Gestalter und Designer. Erfinder sind Tüftler und Bastler. Und das passt nicht zusammen, so ist die landläufige Meinung der Architekten. Das bekommen sie schon im Studium vermittelt. Es muss schön aussehen, ob es funktioniert ist zweitrangig. Mit viel Geld wird es dann realisiert. Aber ich gebe Ihnen recht, in einem Haus steckt sicher noch Potenzial, sicher mehr noch im Haustechnikbereich.

Harald Wollstadt

: Chefredakteur der IEE

(hw)

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