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OML hat den praktischen Vorzug, in anderen Industriebereichen einsetzbar zu sein. (Bild: Mentor Graphics)

Ein Standard, der eine allumfassende Lösung für das Industrial Internet of Things (IIoT) sein will, wird immer fundamentale Mängel aufweisen. Deshalb muss der Anwender unterscheiden, wie breit ein Standard eingesetzt werden kann und wie viele Details er enthalten soll. Je weiter sich eine Anwendung über mehrere Industriebereiche erstreckt, desto generischer müssen die Daten sein, um nicht zu kompliziert zu werden. Wird die für einen Prozess spezifische Datenmenge reduziert, verringern sich auch der Wert und die Anzahl der Anwendungen, für die die Daten genutzt werden können. Die SMT-Fertigung ist ein klares Beispiel dafür.

Mit OML wurde jüngst eine neue Fertigungssprache für das IIoT vorgestellt, die sich auf Details und den Wert von Leiterplatten-Fertigungsdaten konzentriert. Um jedoch als Ganzes in das IIoT integrierbar zu sein, muss die OML an weitere Standards angebunden werden. Als hierarchisches Modell hat die OML den praktischen Vorzug, dass sie in anderen Industriebereichen einsetzbar ist.

Sonderfall Leiterplattenfertigung

Die Leiterplattenfertigung ist in der Industrie ein „Sonderfall“. Sie umfasst die Platzierung und Assemblierung von möglicherweise tausenden von Komponenten in ein einzelnes Produkt oder manchmal vielleicht auch nur in zehn. Einige dieser SMT-Komponenten sind so klein, dass sie für das menschliche Auge fast unsichtbar sind.

SMT-Bestückungsprozesse arbeiten sehr schnell. Ohne Hochgeschwindigkeitskameras ist kaum noch zu erkennen, was passiert. Die Prozesse führen viele Arbeiten parallel aus. Sie unterstützen mehrere Bestückungsköpfe, die in verschiedenen Modulen arbeiten, welche verschiedene Produkte gemeinsam auf bis zu vier Linien fertigen. Und all das in einer einzigen Maschine.

Mehr Transparenz im Shop-Floor

Die einzige Möglichkeit, um die SMT-Fertigung im Shop-Floor transparenter zu machen, ist die Verwendung von Daten. Leider gibt es bei diesen Daten Komplikationen. So existieren in einer typischen Elektronikfertigung unterschiedliche Prozesse. Dazu gehören Siebdruck, SMT-Bestückung, automatische optische Inspektion (AOI), In-Circuit-Tests (ICT), mehrere Handbestückungsstationen, wo die Leiterplatten wie auch die Endprodukte montiert werden, sowie verschiedene Arten von Reparaturstationen.

Da jeder dieser Fertigungsprozesse dem gesamten Fertigungsbetrieb verschiedene „Dienste“ zur Verfügung stellt, handhaben diese Prozesse Datentypen und Informationen, sowohl für die Steuerung als auch für die Berichterstattung. Bei der Elektronikfertigung vergrößert sich die Problematik mit steigender Anzahl verschiedener Anbieter von automatisiertem Equipment. Dies alles geschieht in einer Umgebung, in der Standards für Datentransfer und Datenaustausch nie fest etabliert wurden.

Zwei Standards mit Grenzen

Die beiden Standards, die einer Übernahme in die Elektronikfertigung am nächsten kamen, waren SECS-GEM und CAM-X. SECS-GEM eignet sich gut für die Halbleiterfertigung, hat aber im SMT-Bereich nur begrenzten Erfolg. Dies liegt hauptsächlich daran – obwohl der Standard eine gute Architektur und ein Messaging-System definiert –, dass SECS-GEM den tatsächlichen Dateninhalt nicht definiert, verwaltet oder steuert. Für einfachere Halbleiterprozesse ist das kein Problem. Bei der SMT-Fertigung war der Nutzen jedoch begrenzt und die damit verbundenen Kosten wurden als zu hoch empfunden.

CAM-X errichtete zwar eine Dateninfrastruktur und enthielt ein begrenztes Maß an gemeinsamen Datenstandards. Da SMT-Maschinen und –Prozesse immer komplexer wurden, korrumpierten Maschinenanbieter und Third-party-Softwareanbieter den Standard zunehmend durch Einführung von anwendungsspezifischen Funktionen für die Infrastruktur und proprietäre Datenobjekte. Die größeren unabhängigen SMT-Maschinenanbieter greifen heute wieder vorwiegend auf ihre eigenen proprietären Datenstandards zurück. Diese sind zwar effektiv, schränken die Anwenderauswahl beim Maschinenkauf aber erheblich ein und schließen die große Mehrheit der kleineren Nischengeräteanbieter aus.

Die Fertigungswelt als gigantisches Internet

Im Bereich der SMT-Fertigung sind zahlreiche Bestrebungen im Gange, zusätzliche IIoT-Standards zu etablieren, sodass sich die ganze Welt der Fertigung wie ein „gigantisches Internet“ verhält. Problematisch am Internet ist, dass die vielen gefundenen Daten interpretiert werden müssen, damit sie nützlich sind. Ungenauigkeiten und überalterte Informationen erschweren dies zusätzlich. Menschen können die online gefundenen Informationen beurteilen. Automatisierte, computergestützte Systeme, die auf industriellen Internet-of-Manufacturing-Daten basieren, sind dazu nicht in der Lage. Die Daten müssen präzise, detailliert und, so wie sie sind, verwendbar sein.

Innovationen wie das IIoT, das manchmal auch als „Internet of Manufacturing“ (IoM) bezeichnet wird, unterstützen sowohl die von Industrie 4.0 vorgeschlagene automatisierte Computerisierung als auch Smart-Factories, die von präzisen und aktuellen Daten abhängig sind. Wenn das Niveau der Herausforderungen bei der Datenerfassung von verschiedenen Maschinenschnittstellen, Protokollen und Datendefinitionen bestehen bleibt, wird es diese High-level-Lösungen zumindest für die Elektronikfertigung nicht geben. Sie wären außerordentlich teuer oder nicht erfolgreich. Es ist Zeit für einen Umbruch, der die wichtigste Revolution ermöglicht: Industrie 4.0 in der Elektronikfertigung.

Offene Spezifikation

Diese revolutionäre neue Technologie gibt es nun in Form der OML. Die Spezifikation hinter dieser Initiative ist offen und es steht jedem frei, sie von der Website der Open Community unter www.omlcommunity.com herunterzuladen und zu verwenden. Die Spezifikation unterstützt einen vollständigen bidirektionalen Datenaustausch zwischen allen Prozessen in der Elektronikfertigung. Die Absicht ist, dass sowohl große, kleine und mittlere Unternehmen eine einfache, kostengünstige Möglichkeit finden, um ihre eigenen Industrie-4.0- und Internet-of-Manufacturing-Lösungen zu schaffen und einen Einblick in mögliche Anwendungsfälle und die damit verbundenen Werte zu erhalten.

Plug-and-Play-Hardwarelösung

Viele Maschinenanbieter werden wahrscheinlich die direkten Ausgabemöglichkeiten von OML von ihren Maschinen übernehmen. Für alle in Betrieb befindlichen Maschinen gibt es bereits eine Plug-and-Play-Hardwarelösung. Mit dieser lassen sich alle Prozesse anbinden, die zur Erstellung von OML-Daten erforderlich sind. Ein Softwareentwicklungs-Kit (SDK) für die Integration der OML in MES, ERP und andere IT-Lösungen wird ebenfalls zur Verfügung gestellt, um moderne Industrie-4.0-Computerlösungen zu unterstützen. Das bedeutet, dass all diese revolutionär neuen Fertigungstechnologien verwirklicht werden können, ohne dass teure Fertigungsanlagen wie SMT-Maschinen oder deren IT-Lösungen ersetzt werden müssen. OML bildet einen Kanal zwischen allen Shop-Floor-Prozessen und denjenigen IT-Systemen, welche aus diesen Prozessen ausgeleitete Informationen benötigen.

Ausfallzeiten und Fehler vermeiden

Für Industrie 4.0 kann der erforderliche Detailierungsgrad ausschlaggebend sein. Zum Beispiel benötigen einfache linienbasierte Closed-Loop-Lösungen zu jeder hergestellten Leiterplatte für alle individuell platzierten Komponenten Details zum Drift der Position und Rotation. Diese Daten werden dann als Teil einer computergestützten Six-Sigma-Analyse verwendet, um den Bestückungsprozess in Echtzeit anzupassen und die „In control“-Bedingungen der Platzierung aktiv zu managen. Dadurch lassen sich Ausfallzeiten sowie Fehler vermeiden. Die bei solchen Beispielen gesammelten Informationen können pro Tag und Linie leicht in den Gigabytebereich gehen. Nicht alle dieser Informationen bringen durch das Teilen mit anderen Unternehmenssystemen einen Nutzen.

Eine Verbindung zwischen den detaillierten Shop-Floor-Daten wäre viel effizienter, sodass Enterprise-Systeme nur die aus ihrer Higher-Level-Perspektive benötigten Daten austauschen und Details lokal belassen, um die erforderlichen Werte lokal zu erzeugen. Da auf einer höheren Ebene keine detaillierten Daten benötigt werden, wird das Format der umfassenden IIoT-Protokolle nicht gebraucht, um diese Daten zu definieren. Durch Vermeidung dieses Overheads werden die High-Level-IIoT-Protokolle und Systeme sinnvoll. Das Beispiel der Closed-Loop-Lösung für SMT-Linien ist nur eines von hunderten von Anwendungsfällen von Industrie 4.0, welches spezielle Daten erfordert. Damit Vorteile realistisch zu erwarten sind, muss das lokale IoM-Protokoll wohl weit aus anspruchsvoller sein.

Die Erfindung der OML ist auf die Elektronikfertigung fokussiert. Wenn andere Bereiche ähnliche Anforderungen an detaillierte lokale Daten für ihre Industrie-4.0-Lösungen stellen, benötigen sie vielleicht ihre „eigene“ OML. Diese Bereiche werden dann alle mit weiteren IIoT-Standards verbunden. Verbindungssysteme für hierarchische Daten bieten einen schnellen, flexiblen Weg, um Werte zu bewahren und Transparenz zu fördern. Auf der Website der Open Community stehen die freien und offenen Spezifikationen, die Valor/Mentor Graphics erstmals auf der SMT Hybrid Packaging in Nürnberg zeigt, zum Download zur Verfügung: www.omlcommunity.com

SMT Hybrid Packaging 2016: Halle 7, Stand 439

Michael Ford

(Bild: Mentor Graphics)
arbeitet zurzeit im Marketing-Development-Team innerhalb der Valor Division von Mentor Graphics.

(mrc)

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