Pranish Kunar stellte die Vorzüge von Microsoft Auto vor.

Pranish Kunar stellte die Vorzüge von Microsoft Auto vor.Fotografie Natalie Balleis

Wie das Infotainment in den neuen Audi-Fahrzeugen aufgebaut ist, erläutert Dr. rer. nat. Peter Steiner, Leiter Infotainment Elektrik/Elektronik bei der Audi AG in dem Vortrag „Die Infotainmentarchitektur der Zukunft – flexibel, vernetzt, modular und agil“. Da die Entwicklungsgeschwindigkeiten der Automotive-Welt nicht mit denen der Consumer-Welt mithalten konnten, führte der Volkswagen-Konzern eine komplett neue Infotainment-Architektur ein, die auch die Lieferantenstruktur komplett veränderte. Bisher lieferte ein Lieferant ein Infotainmentsystem an einen OEM. Jetzt liefern viele Lieferanten ein Infotainmentsystem an viele OEMs innerhalb des Volkswagen-Konzerns.

Das Unternehmen nutzt dabei als neue Architektur einen MIB genannten modularen Infotainment-Baukasten, der im Wesentlichen in vier Geräteklassen zur Verfügung steht. Skoda entwickelt hierbei das Entry-Modell, Volkswagen die Standard-Variante und Audi die Lösung für das High- und Premium-Segment. Die Bedienkonzepte lassen sich bei jeweils identischem Unterbau markenspezifisch anpassen.

Dr. Peter Steiner: „Unser Ziel ist es, auch jenseits des Autos einen modularen Baukasten zu haben“

Dr. Peter Steiner: „Unser Ziel ist es, auch jenseits des Autos einen modularen Baukasten zu haben“Fotografie Natalie Balleis

Auf der Hardware-Seite gibt es ein Radio-Car-Control-Unit genanntes Basiselement von Harman, das von einem Multi-Media-Board  (MMX-Board) ergänzt wird. Dieses MMX-Board nutzt einen Prozessor aus der Consumer-Welt von Nvidia als Kernelement. Im Audi A3 ist dies der Dual-Core-Prozessor Nvidia Tegra20, aber ein Design mit dem Tegra30 auf Quad-Core-Basis ist schon in Arbeit.

Auch bei der Software arbeitet der Konzern modular: „Hier sourcen wir nicht mehr bei einem Vollsortimenter, sondern direkt am Weltmarkt“, hebt Dr. Steiner hervor. „Hier gibt es höhere Volumen und damit bessere Preise. Für die Integration haben wir gemeinsam mit EB die e.Solutions gegründet. Wir kaufen 10 Millionen Codezeilen und ergänzen 200.000 Codezeilen für die Integration.“ Damit beliefere e.Solutions acht VW-Marken und nicht nur Audi.

„Unser Ziel ist es, auch jenseits des Autos einen modularen Baukasten zu haben“, führt Dr. Steiner weiter aus. „Wir wollen einen modularen Backend-Baukasten MBB, der Cloud-Content aufbereitet und das Auto vor der Cloud schützt.“ Angefangen hat Audi mit einem Browser, dessen HTML vom Backend kommt und so ähnlich ausschaut wie das normale Audi-HMI, aber jetzt nimmt Audi das Remote-HMI, bei dem das Backend die Oberfläche per XML ausliefert und damit alle Bedienelemente, die im Audi-HMI existieren, wie ein Karussell, auch remote einsetzen kann.

Zwar verursacht diese Modularität auch Kosten, aber „sie bringt Time-to-Market und damit rechnet sie sich“ Dr. Steiner zufolge.

Der roamingfreie Cloud-Computer

Über den „roamingfreien Cloud-Compter“ berichten Dr.-Ing. Michael Würtenberger, Leiter Connected Drive and Infotainment bei der BMW AG, und Marc Sauter, Head of Global M2M Business Development bei Vodafone in ihrem gemeinsamen Vortrag. „Unsere Kunden sind in der digitalen Welt angekommen und nehmen sie ins Auto mit“, stellte Dr. Würtenberger zu Beginn fest, um dann gleich folgende Frage zu stellen: „Wie bekommen wir Connectivity im Auto weltweit hin?“

Dr.-Ing. Michael Würtenberger (links) und Marc Sauter (rechts): Infos rund um den roamingfreien Cloud-Computer

Dr.-Ing. Michael Würtenberger (links) und Marc Sauter (rechts): Infos rund um den roamingfreien Cloud-ComputerFotografie Natalie Balleis

Erste Antworten gibt Marc Sauter: „Aus Sicht eines Mobilfunkbetreibers kann man die Welt in drei Regionen einteilen und USA sowie China und Indien separat betrachten. Der Rest verwendet GSM und kann als ein Markt betrachtet werden. In den USA wird derzeit LTE ausgerollt; insofern kann man USA und Europa künftig auch als einen Markt betrachten.“

Dr. Würtenberger holt etwas aus, um die neue Konstellation zu erklären: „In den letzten 15 Jahren hieß das Thema Telematik. Der Vorläufer von Vodafone hieß ja Mannesmann, mit denen wir zusammengearbeitet haben. Wir haben diese Zusammenarbeit eingestellt, weil die Geschäftsmodelle und Verträge in wenigen Wochen gewechselt hatten. Heute sind die Provider weiter und verstehen Sieben-Jahres-Verträge.“

Der Provider bietet in diesem Rahmen vor allem die Infrastruktur an. Derzeit läuft das LTE-Rollout mit Datenraten bis 100 MBit/s, um damit auch anspruchsvolle Dienste wie Video ins Auto bringen können. Wichtig ist dabei, dass die Telematik-Box sauber mit dem Netz zusammenarbeitet. „Wir testen dazu komplette Systeme, etwa um das Antennendesign zu prüfen“, erläutert Marc Sauter. „Unsere Testumgebung ist ähnlich komplex wie die komplette Mobilnetzstruktur der Schweiz. Per Over-the-Air-Update können wir für aktuelle Software in der Telematik-Box sorgen. Auch beim Billing haben wir große Kompetenzen aufgebaut, die wir in den Automotive-Bereich ausdehnen können.“

Marc Sauter ergänzt: „Wir haben eine globale m-to-m-SIM-Karte entwickelt, die sich von Smartphone-SIM-Karten deutlich unterscheidet. Sie ist automotive-tauglich in punkto Temperatur- und Schockbeständigkeit) und nicht an ein Land gebunden. Wir können innerhalb Europas einen einheitlichen Preis anbieten, weil wir Netze in mehr Ländern anbieten als jeder andere Provider. Dazu bieten wir Management-Schnittstellen an, über die BMW auch Zugriff auf die Daten hat.“

Dr. Würtenberger will allerdings eine offene Lösung: „Bei BMW geht’s nicht nur um Apps, Service und Kundenportal. Die SIM-Karte darf nicht dem Erstaussteller gehören oder nur von Vodafone gemanaged werden. Wir wollen nicht in Oldtimer-Probleme kommen.“

Auch hierfür hat Vodafone schon die passende Lösung, wie Marc Sauter betont: „Momentan wird die SIM-Karte fest auf den Provider programmiert. Um das zu ändern, müsste man die SIM-Karte ausbauen und austauschen. Derzeit arbeiten wir an einem Modell, bei dem die SIM-Karte mit einer Standard-Personalierung ausgestattet wird und erst im Feld, over-the-air, auf den Provider personalisiert wird.“ Auch Änderungen wären dann später over-the-air möglich, um zum Beispiel den Provider zu wechseln. Die Standardisierung solcher Modelle obliegt dann der GSM-Allianz. Dass dieses Verfahren funktioniert, haben BMW und Vodafone bereits gemeinsam mit Giesecke & Devrient und Gemalto vorgeführt.

Dr. Würtenberger betont die praktische Seite: „Das Thema Roaming muss bei unseren Modellen keines mehr sein, denn wir bieten die Dienste grenzüberschreitend an. Dort wo ein Fahrer hinfahren kann, funktioniert der Online-Zugang auch. Wir wollen unseren Kunden keine Grenzen geben – weder beim Fahren noch bei der Nutzung von Funktionen.“

Bei dem neuen System, das BMW seit Juli nutzt, liegt der Kundenstamm bei BMW, und über die Vodafone-Plattform kann BMW die SIM-Karten freischalten und sperren. „Der Kunde muss dafür nichts extra zahlen!“, betont Dr. Würtenberger. „Das geht nur für den kontrollierten Kanal. Wenn jemand allerdings einen Hotspot haben will, muss er seine eigene SIM-Karte einstecken.“

Trends und Herausforderungen

„Das Connectivity-Rennen ist ein Marathon, den wir in der Geschwindigkeit eines 100-m-Sprints laufen“, konstatierte Klaus Beck, Vice President Engineering bei Harman Becker Automotive Systems GmbH, in seinem Vortrag „Trends und Herausforderungen im Bereich der Infotainment-Systeme“. Die „Enabling Technologies“ sind dabei das Daten-Management in der Cloud, LTE-Netzwerke und die HTML5-Web-Technologie. Damit werde das Auto ein vollintegrierter Teil unseres vernetzten Lebens.

Klaus Beck: „Das Connectivity-Rennen ist ein Marathon, den wir in der Geschwindigkeit eines 100-m-Sprints laufen“

Klaus Beck: „Das Connectivity-Rennen ist ein Marathon, den wir in der Geschwindigkeit eines 100-m-Sprints laufen“Fotografie Natalie Balleis

Zur Erhöhung des Komforts kommt noch die NFC-Technologie hinzu. Gleichzeitig sollen alle Systeme möglichst wenig Energie verbrauchen. Darüber hinaus liefert der Navi-Teil des Infotainments Daten-Inputs für die Fahrerassistenzsysteme, während das Infotainment gleichzeitig zur Anzeige von diversen Fahrzeugdaten dient.

In Summe sieht Klaus Beck dabei drei Trends: „Connected, Green und Safe“. „Bei LTE haben wir im Feldtest bis zu 70 MBit/s nachweisen können“, berichtet Klaus Beck aus der Praxis. „Die Stabilität und Abdeckung sind besser als bei 3G+ und anderen – es ist wirklich für den mobilen Einsatz gedacht.“ Entscheidend sei dabei die Antennen-Technologie, und hier gebe es noch einiges zu tun.

Grüner wurden die Head-Units unter anderem mit Megnesium-Druckguss-Gehäusen, die 30 % leichter sind, und ein ausgeklügeltes Power-Management. „Wir haben auch grüne Applikationen und Dienste, etwa den Eco Assist“, hebt Klaus Beck hervor. „Wenn Sie die Route eingeben, wissen wir wo Sie hinfahren und wie die Strecke ausschaut. Wir können dem Fahrer rechtzeitig sagen, wann er vom Gas gehen oder schalten soll. Damit kann der Fahrer bis zu 10% Diesel sparen.“

In punkto Safety integriert Harman die Bilder der Rückfahrkamera und erkennt Objekte. Neben Birdview hat das Unternehmen auch Algorithmen entwickelt, in dem man virtuell vor dem Auto steht und nach hinten blickt, was er in einem eindrucksvollen Video unter Beweis stellte. Auch ein angepasstes HMI oder Verkehrszeichenerkennung stehen auf der To-Do-Liste.

Touch-Elemente

Sascha Kunzmann: Touch-Elemente bringen auch neue Anforderungen mit sich – und zwar auch „auf längst beherrscht geglaubten Gebieten“.

Sascha Kunzmann: Touch-Elemente bringen auch neue Anforderungen mit sich – und zwar auch „auf längst beherrscht geglaubten Gebieten“.Fotografie Natalie Balleis

Über die „Herausforderungen und Potenziale von Touchpad-Bedienelementen im Automobil“ informiert Sascha Kunzmann, Vertriebsleiter Alps München bei der Alps Electric Europe GmbH, die Anwesenden. Die neuen Möglichkeiten, welche die Touch-Elemente den Gestaltern des Interieurs bieten, bringen auch neue Anforderungen mit sich – und zwar auch „auf längst beherrscht geglaubten Gebieten“, wie Sascha Kunzmann betont. In diesem Rahmen stellt er das Innenleben von Touch-Bedienelementen sowie die dahinter liegenden Technologien vor.

Head-Up-Displays

Hiroshi Araki: Für SOP 2016 werden HUDs verfügbar sein, deren Schärfenebene in 5 m Abstand liegt.

Hiroshi Araki: Für SOP 2016 werden HUDs verfügbar sein, deren Schärfenebene in 5 m Abstand liegt. Fotografie Natalie Balleis

Hiroshi Araki, Senior Operating Officer and General Manager Instrument Cluster Design and Engineering bei Nippon Seiko Co. Ltd., gab einen Statusbericht zum Thema Head-Up-Displays (HUDs) und wagte einen Blick in die Zukunft. Derzeit laufen intensive Entwicklungs- und Integrationsaktivitäten im Bereich der Augmented-Reality-HUDs, bei denen dem realen Fahrerbild noch virtuelle Bilder überlagert werden, beispielsweise ein virtuell auf die Fahrbahn gezeichneter Pfeil einer Abbiegespur. Dabei soll die Schärfenebene des virtuellen Bildes möglichst weit weg liegen, um die Augen des Fahrers zu entlasten. Für SOP 2016 sollen dann HUDs verfügbar sein, deren Schärfenebene in 5 m Abstand liegt.

Bei HUDs mit Laser-Projektionssystmen, wo so zu sagen ein Laser direkt ins Auge projeziert, sei noch viel Entwicklungsarbeit nötig, um die Augen nicht zu gefährden. Derzeit stelle die Optimierung der Systemkosten wohl die größte Herausforderung dar, um HUDs bis ins Mittelklasse-Segment zu bringen – und das wäre auch unter Sicherheitsaspekten wünschenswert.

Alfred Vollmer

ist Reakteur der Zeitschriften AUTOMOBIL-ELEKTRONIK und emobility tec sowie von all-electronics.de.

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