Retrofit: Sie hat schon über 100 Jahre auf dem Buckel und ist dank IoT-Gateway trotzdem fit für Industrie 4.0: Robert Boschs Drehbank aus dem Jahr 1887.

Sie hat schon über 100 Jahre auf dem Buckel und ist dank IoT-Gateway trotzdem fit für Industrie 4.0: Robert Boschs Drehbank aus dem Jahr 1887. (Bild: Bosch)

Was eine Drehbank wohl für Geschichten erzählen würde, könnte sie reden? Sicherlich einige, hat sie doch die erste industrielle Revolution überstanden und ist heute bereits in der vierten angekommen. Denn das Unternehmen Bosch hat eine historische Drehbank aus dem Jahr 1887 aus dem Museum geholt und für die Industrie 4.0 hochgerüstet. Unternehmensgründer Robert Bosch arbeitete noch persönlich an der gusseisernen Drehbank, die er für 507 Mark gekauft hatte (heutiger Wert rund 30 000 bis 40 000 Euro). Unter anderem entstanden auf der Drehbank Teile für den Magnetzünder, mit dem das Unternehmen Ende des 19. Jahrhunderts seinen Durchbruch schaffte.

Industrie-4.0-tauglich ist die Drehbank mithilfe eines technischen Unterstützers geworden: Das IoT-Gateway von Bosch kombiniert Sensorik, Software sowie eine IoT-fähige Industriesteuerung und ermöglicht damit die Zustandsüberwachung der Drehbank. Bosch-Tochter Bosch Rexroth stellt die Lösung zur SPS IPC Drives 2016 vor. „Unser weltweit einmaliger Aufbau zeigt, dass selbst älteste Maschinen mit dem IoT-Gateway schnell und einfach vernetzt werden können“, erläutert Dr. Werner Struth, in der Bosch-Geschäftsführung unter anderem für die Industrietechnik und die Fertigungskoordination verantwortlich. Allein in Deutschland seien mehrere zehn Millionen Maschinen im Handwerk oder in der Fertigung noch ohne Industrie-4.0-Anbindung. „Unter anderem fehlen ihnen Sensoren, Software oder die Anbindung an IT-Systeme“, so Struth weiter. Diese sind jedoch eine Voraussetzung für die vernetzte Fertigung. Global betrachtet besteht laut Struth also ein Milliardenmarkt für Retrofit-Lösungen. Der Grund: Im Maschinenbau bleiben einmal angeschaffte Maschinen oft über Jahrzehnte im Einsatz. Sie lassen sich nur mit Aufwand und damit verbundenen Kosten an neue Anforderungen anpassen.

Rechtzeitige Wartung

Mit der nun Industrie-4.0-tauglichen Drehbank sind zum einen die Prozessüberwachung für die ständige Qualitätssicherung und zum anderen die fortlaufende Zustandsüberwachung (Condition Monitoring) möglich, um ungeplante Ausfallzeiten zu verhindern. Für die Prozessüberwachung erfassen Sensoren unter anderem die Drehzahl des Werkstücks und übertragen die Daten an das Gateway: Zu hohe oder zu niedrige Schnitt­geschwindigkeiten verschlechtern die Qualität beim Drehen von Metall und können das Werkzeug beschädigen.

Der Bediener sieht nun jederzeit auf einem Monitor, ob er schneller oder langsamer treten muss, um die optimale Drehzahl einzuhalten. Zudem erkennt die jetzt vernetzte Drehbank schleichende Veränderungen am Antrieb: Mit zunehmendem Alter kann der lederne Treibrieben zwischen dem Antriebsrad und der Spindel mit dem Werkstück durchrutschen. Für das menschliche Auge ist dies zunächst nicht sichtbar. Sensoren erkennen aber bereits Abweichungen im Prozentbereich. Ist ein voreingestellter Schwellenwert erreicht – zum Beispiel ein Durchrutschen von 2 % – sendet das vernetzte System automatisch eine Nachricht an den zuständigen Instandhalter. Der wechselt den Riemen innerhalb einer vorgegebenen Zeit. So verhindert das Trio aus Sensoren, Gateway und Software, dass die Drehbank ungeplant ausfällt.

Daten an die Cloud

Längst setzt Bosch das IoT-Gateway auch in der eigenen Produktion im Werk in Homburg ein. Hier haben Ingenieure einen Prüfstand für Hy­draulikventile aus dem Jahr 2007 vernetzt. Durch zusätzliche Sensoren, die die Qualität des Öls überwachen, lässt sich der Zeitpunkt für den nötigen Ölwechsel nun weitaus genauer bestimmen als zuvor. In diesem konkreten Fall amortisierte sich das Nachrüsten mit dem IoT-Gateway bereits nach 18 Monaten. Das Unternehmen will außerdem weitere 22 Prüfstände und andere Produktionsanlagen nachrüsten.

Zu dem Gateway gibt es eine Software, um die Daten in der Cloud zu analysieren, aufzubereiten und darzustellen. Je nach Anwendung lässt sich das Gateway um Sensoren erweitern, die an der nachzurüstenden Maschine angebracht werden. Die Sensoren erfassen beispielsweise Temperatur, Druck, Vibration, Stromverbrauch, Ölqualität, Neigungswinkel oder die Drehzahl. Diese Daten übersetzt die Software in Echtzeit in ein Format, das sich in bestehenden Produktionsumgebungen eingliedern lässt, „wie ein nimmermüder Simultan­übersetzer für die Industrie 4.0“, so Struth. Anwender brauchen das IoT-Gateway hierfür nicht zu programmieren, sondern lediglich über einen Browser zu konfigurieren. Hierbei nutzt Bosch unter anderem die im September vorgestellte offene Maschinensprache PPMP (Production Performance Management Protocol).

Aussteller SPS IPC Drives 2016:  Halle 7, Stand 450

(mns)

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Bosch Rexroth AG-1

Bgm.-Dr. -Nebel-Straße 2
97816 Lohr am Main
Germany