Bild 1: Querschnitt einer 60-phasigen ISCAD-Maschine, bei der die Kupferwicklungen herkömmlicher Asynchron-Maschinen entfallen können und durch Aluminiumstäbe mit Kurzschlussring (Statorkäfig) ersetzt werden.

Bild 1: Querschnitt einer 60-phasigen ISCAD-Maschine, bei der die Kupferwicklungen herkömmlicher Asynchron-Maschinen entfallen können und durch Aluminiumstäbe mit Kurzschlussring (Statorkäfig) ersetzt werden. (Bild: Universität der Bundeswehr München)

Hybrid- und Elektrofahrzeuge arbeiten mit Spannungen im Hochvoltbereich (HV) und müssen daher hohe Anforderungen an die Sicherheit erfüllen, um Menschen vor den Gefahren des elektrischen Stromes zu schützen. Statt der derzeit üblichen Batteriespannungen von 400 V streben Entwickler und Automobilbauer Systeme mit Betriebsspannungen von bis zu 800 V an. Wesentliche Vorteile von 800-V-Systemen sind eine höhere Batterie-Ladeleistungen sowie kürzere Ladezeiten.

Bild 1: Querschnitt einer 60-phasigen ISCAD-Maschine, bei der die Kupferwicklungen herkömmlicher Asynchron-Maschinen entfallen können und durch Aluminiumstäbe mit Kurzschlussring (Statorkäfig) ersetzt werden.

Bild 1: Querschnitt einer 60-phasigen ISCAD-Maschine, bei der die Kupferwicklungen herkömmlicher Asynchron-Maschinen entfallen können und durch Aluminiumstäbe mit Kurzschlussring (Statorkäfig) ersetzt werden. Universität der Bundeswehr München

Das Verbesserungspotenzial herkömmlicher HV-Antriebe ist jedoch nahezu erschöpft. Ernüchternd wirkt zudem die Erkenntnis, dass die heute eingesetzte Technologie der PM-Synchronmaschinen bereits aus den 1960er-Jahren bekannt ist und dass Entwickler in dieser Zeit nur den komplexen Regelungsaufwand nicht beherrschen konnten.

Viele Automobilhersteller aus USA, Japan und Deutschland setzen auf die seit Jahrzehnten bekannten verteilten Wicklungen, die weder den vorhandenen und immer knapper werdenden Bauraum gut ausnutzen, noch durch günstige Fertigung überzeugen können. Durch den Ersatz der Kupferwicklung im Stator durch massiv ausgeführte und auf einer Stirnseite miteinander kurzgeschlossenen Stäbe, entsteht ein neuer Maschinentyp (Bild 1), der viele bisher nicht vorhandene Freiheitsgraden für Verbesserungen und eine Effizienzsteigerung nutzen kann – das Herzstück des ISCAD Konzepts.

ISCAD: Intelligent Stator Cage Drive

Mit dem ISCAD-Konzept (Intelligent Stator Cage Drive), was so viel bedeutet wie intelligenter Statorkäfig-Antrieb, lassen sich die Vorteile einer verteilten Wicklung wie ruhiger Lauf und hohe Effizienz sowie der kompakte Aufbau und die einfache Produzierbarkeit einer konzentrierten Wicklung kombinieren.

Eine einfache Käfigstruktur im Stator, die an die Struktur eines Asynchronmotorläufers erinnert, ermöglicht eine hohe Qualität des magnetischen Drehfelds und bleibt dabei platzsparend im „Wickelkopf“, den nun ein einfacher und kompakter Kurzschlussring bildet. Durch individuelle Ansteuerung jeder Phase mit Halbbrücken lässt sich zudem eine nahezu beliebige Polpaarzahl einstellen und während des Betriebs umschalten (Bild 2). So lässt sich die Eisenausnutzung für jeden Drehzahlbereich ausschöpfen. Zur Unterstützung der Polumschaltbarkeit von der Rotorseite dient ein Käfigläufer, dessen Anzahl der Leiterstäbe an die möglichen Variationen der im Stator einstellbaren Polzahl angepasst wird und der ebenfalls eine Polumschaltung oder sogar einen Multipol-Betrieb für einen sanften Umschaltvorgang ermöglicht.

Ein nahezu ideal sinusförmig verteiltes Magnetfeld macht eine Schrägung im Blechpaket überflüssig. Dies verbessert die energetische Ausnutzung, erhöht die Leistungsdichte und schont die Batterie. Die massiven Aluminiumstäbe in den Statornuten ermöglichen eine Verdopplung des Nutfüllfaktors und machen das teure und schwere Kupfer in der Maschine überflüssig. Mit einem Nutfüllfaktor von nahezu 100 Prozent ist Aluminium die bessere Alternative gegenüber Kupfer. Aluminium bietet gegenüber Kupfer ein geringeres Gewicht und hilft, Kosten in der Materialbeschaffung sowie in der Verarbeitung einzusparen. Außerdem lassen sich mit Aluminium Fertigungsprozesse sowie das Recycling bei gleichzeitiger Schonung der Umwelt vereinfachen.

Kompakter und kühlerer Rotor

Ein weiterer positiver Effekt der Polumschaltbarkeit sind deutlich geringere Rotorverluste sowie eine daraus resultierende thermische Entlastung, begründet durch einen kleineren Schlupf und kompaktere Kurzschlussringe.

Bild 2: Beim ISCAD-Konzept lässt sich durch individuelle Ansteuerung jeder Phase mit Halbbrücken eine nahezu beliebige Polpaarzahl einstellen und während des Betriebs umschalten.

Bild 2: Beim ISCAD-Konzept lässt sich durch individuelle Ansteuerung jeder Phase mit Halbbrücken eine nahezu beliebige Polpaarzahl einstellen und während des Betriebs umschalten. Universität der Bundeswehr München

Der Rotor einer Asynchronmaschine rotiert mit einer geringeren Frequenz als das Statorfeld (Schlupf). Ohne diesen Schlupf kann der Motor keine Leistung entwickeln. Doch mit steigendem Schlupf steigen die Verluste überproportional. Üblicherweise steigt der Rotorschlupf einer Asynchronmaschine bei kleineren Drehzahlen. Durch das Hochschalten der Polpaarzahl lässt sich der Rotorschlupf spürbar reduzieren so in jedem Betriebspunkt klein halten, wodurch die Verlustleistung im Rotor sinkt und dieser ohne zusätzliche und teure Kühlvorrichtungen auskommt.

Der Kurzschlussring führt hohe Ströme, die den Strom in jeder Phase um ein Vielfaches übersteigen. Er verhält sich proportional zum Phasenstrom und kann bei hohen Drehmomentanforderungen im unteren Drehzahlbereich mehrere Kiloampere betragen. Gleichzeitig ist der Ringstrom umgekehrt proportional zur Polpaarzahl und wird beispielweise beim Umschalten vom zwei- in den vier- oder sechspoligen Betrieb halbiert oder gedrittelt. Eine Erhöhung der Polpaarzahl im Überlastbetrieb entlastet den Kurzschlussring durch niedrigere Stromdichten. Dies ermöglicht einen kompakteren Aufbau sowie einen kühleren Betrieb.

48 V ist mehr als genug

Durch eine höhere Phasenzahl lässt sich die Betriebsspannung reduzieren und kann sich selbst für Hochleistungsanwendungen auf einem für Menschen ungefährlichen Niveau von UDC = 48 V befinden. Der zulässige Betriebsbereich von 48-V-Batterien liegt zwischen 36 und 52 V. Für Entwickler bedeutet dies, dass der Motor auch bei der reduzierten Batteriespannung von 36 V – oder übersetzt bei einer Phasen-Wechselspannung von 12,7 V – volle Leistung bringen muss.

Wegen der geringen Spannung sind anstelle von teuren Hochvoltkomponenten wie IGBTs preiswertere, für niedrigere Spannungen ausgelegte MOSFETs verwendbar. Hierdurch lassen sich Kosten einsparen sowie die Effizienz erhöhen. Besonders hohe Steigerungen der Wirkungsgrade des Gesamtsystems lassen sich in realen Fahrprofilen feststellen, was eine deutlich größere Reichweite zur Folge hat.

Die aktuelle, auf MOSFETs basierende Leistungselektronik ist platzsparend, kostengünstig und leistungsstark. Mit 60 Phasen im aktuellen Aufbau lässt sich damit eine Leistung von über 500 PS mit nur einem Motor erreichen. Bei einer vollgeladenen Batterie ist eine noch höhere Leistung abrufbar.

Bessere Kühlung für mehr Reichweite

Eine niedrige Betriebstemperatur ist wichtig für die Systemeffizienz und damit für die Reichweite des Fahrzeugs. Auch hier bietet das ISCAD-Konzept durch einen zweiten integrierten direkten Kühlkreislauf eine passende Lösung.

In verteilten Wicklungen tritt die höchste Temperatur in der Regel in den Wickelköpfen auf, da sich diese nur mit erheblichem Aufwand kühlen lassen. Das ISCAD-Konzept löst dieses Problem durch eine direkte und damit effiziente Kurzschlussringkühlung. Der statorseitige Kurzschlussring ist nicht nur deutlich kompakter als die herkömmlichen Wickelköpfe, sondern auch der kühlste Teil der Maschine, da in seinem Inneren ein Kühlmedium fließt.

Bild 3: Mit einem ISCAD-Antrieb lassen sich 30 Prozent Energie einsparen.

Bild 3: Mit einem ISCAD-Antrieb lassen sich 30 Prozent Energie einsparen. Universität der Bundeswehr München

So lässt sich die Verlustwärme direkt an ihrem Entstehungsort abführen. Das Leitermaterial in den Statornuten (Wärmequelle) wird damit zu einer Wärmesenke. Da die Wärmeleitfähigkeit von Aluminium elfmal höher ist als die von Elektroblech und Isolationspapier oder Harz den Wärmetransport nicht zusätzlich erschwere, bleibt das Leitermaterial im Motor stets bestens gekühlt. Um eine höhere Kühlleistung zu erreichen oder die Überlastfähigkeit des Motors zu erhöhen, lässt sich ein zusätzlicher konventioneller Kühlmantel verwenden.

Aufbau der Batterie

In Hochvoltsystemen besteht die Batterie aus einer komplexen Verschaltung vieler in Serie geschalteter Einzelzellen. Durch die so vorhandenen hohen Spannungen sind aufwendige und teure Isolationsmaßnahmen Pflicht. Der Defekt einer einzelnen Zelle reduziert in einem solchen Aufbau sofort die Kapazität und somit die Reichweite des Fahrzeugs.

In einer Niedervoltbatterie sind deutlich mehr Zellen parallel statt seriell geschaltet. Durch die Parallelschaltung entsteht eine höhere Redundanz, sprich, der Einfluss schwacher Zellen ist damit geringer. Zudem symmetrieren sich die Spannungen in parallelgeschalteten Zellen automatisch, was zu einer leicht erhöhten Lebensdauer sowie zu sinkender Komplexität und sinkenden Kosten des Batteriemanagementsystems führt. Auch der mechanische Aufbau lässt sich einfacher als bei einer Reihenschaltung gestalten. Durch das Unterschreiten der Berührschutzgrenze von 60 V entfallen notwendige Berührschutzmaßnahmen, Isolationsüberwachung sowie allpolige Batterieabschaltung, die bei Hochvoltsystemen vorgeschrieben sind.

Eine Herausforderung stellen die hohen Ströme am Ausgang der Batterie dar. Trennschütze und Kontaktierungsmethoden für solche Stromklassen sind bisher nur in der Bahntechnik oder ähnlichen Anwendungen zu finden. Technisch gesehen lassen sich diese Komponenten aber aufgrund der geringen Spannung auch für hohe Ströme sehr kompakt ausführen.

Auch bezogen auf eine Verkürzung der Ladevorgänge sind im Niedervoltsegment Fortschritte zu verzeichnen. Zwei Einflussgrößen begrenzen die Ladegeschwindigkeit. Dies ist einerseits die chemische Maximalbelastung der Einzelzellen und andererseits die durch die Verschaltung bedingte ungleiche Belastung der verbauten Zellen. Bei niedrigen Spannungen ist die Gefahr einer ungleichen Belastung geringer, weshalb die Ladezeit hier kürzer ausfallen kann als bei Hochvoltbatterien.

Fazit und Ausblick

ISCAD ist ein grundlegend neues Konzept eines elektrischen Antriebstrangs, in dem alle Einzelkomponenten – von der Batterie über die Leistungselektronik bis hin zur elektrischen Maschine – präzise aufeinander abgestimmt sind. Die Technologie ermöglicht einen platzsparenden kostengünstigen und zuverlässigen Aufbau.

Der erste Prototypaufbau wurde bereits realisiert und vermessen. Die Leistung des Aufbaus erzielt typische, heute in Mittelklassefahrzeugen verfügbare Traktionsleistungen. Gute Übereinstimmungen mit den analytischen Berechnungen und FEM-Untersuchungen bekräftigen die Aussagen bezüglich der erhöhten Effizienz und Reichweite. Als nächster Schritt steht der Aufbau einer nach dem ISCAD-Konzept aufgebauten mobilen Prüfanwendung mit Straßenzulassung an.

Niedervoltantriebe im Straßenverkehr bieten zahlreiche Vorteile. Dazu gehören eine höhere Sicherheit im Fehlerfall oder bei einem Verkehrsunfall sowohl für die Fahrzeuginsassen als auch für das Wartungspersonal oder Rettungskräfte sowie die Einsparung von Kosten durch Verzicht auf teure Isolations- und Schutzkomponenten (Trennung der Batteriepole im Stillstand, IGBTs und so weiter). Desweiteren lassen sich mit Niedervoltantrieben eine höhere Zuverlässigkeit und Lebenserwartung der Batterie erreichen.

Die ISCAD-Technologie bringt neben einem reduzierten Energiebedarf (Bild 3) weitere, auch umweltrelevante, Aspekte mit sich. So beispielsweise eine erhöhte Verfügbarkeit durch die systemspezifische hohe Redundanz im gesamten Antriebstrang sowie eine erhöhte Dauerleistung durch innovative direkte Wicklungskühlung. Außerdem kommt die ISCAD-Technologie ohne Kupfer und seltene Erden (Magnete) aus und ermöglicht ein nahezu vollständiges Recycling aller Komponenten. CO2-Einsparungen bei der Herstellung aufgrund der verwendeten Materialien ist ein weiterer Vorteil.

Oleg Moros, Adrian Patzak, Andreas Baumgardt, Andreas Greifelt, Benjamin Rubey, Florian Bachheibl, Dieter Gerling

(hb)

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