Wie gestaltet sich der Führungsalltag bei einem Elektronik-KMU? Julia Gelsebach gibt im Interview Einblicke in Herausforderungen und Chancen der Branche.

Julia Gelsebach hat den Chefsessel bei Cesys übernommen, einem Elektronikunternehmen mit eigenem Produktportfolio und Entwicklungsdienstleistungen. Warum sie trotz fehlendem Technik-Background erfolgreich ein Unternehmen führt, zeigt ein Blick hinter die Kulissen. (Bild: Cesys / all-electronics)

Julia Gelsebach führt schon mit 36 ein traditionsreiches Elektronikunternehmen in zweiter Generation, ohne selbst einen technischen Hintergrund zu haben. Sie jongliert zwischen Geschäftsführung, Teamarbeit und Kinderbetreuung – und liebt es. Was treibt sie an? Warum ist Serendipität ihr Karrierebegleiter? Und wie gelingt es ihr, Elektronik und Menschlichkeit miteinander zu verbinden? Die Antworten liefert unser Karriere-Interview aus der Reihe "Was macht eigentlich ein/e...?"

Frau Gelsebach, welche Position haben Sie im Unternehmen und wie kam es dazu?

Ich bin Geschäftsführerin bei Cesys, einem KMU in der Elektronikbranche. Ich bin quasi in diese Position hineingerutscht, oder besser hineingewachsen. Mein Vater hat das Unternehmen vor jetzt fast 40 Jahren gegründet und irgendwann stand die Frage im Raum, wie es weitergeht. Wir haben gemeinsam viele Diskussionen geführt – mal sachlich, mal emotional – wie ich diesen Weg gehen könnte, da ich keinen technischen Hintergrund habe. Inzwischen leite ich das Unternehmen zusammen mit einem technischen Kollegen in zweiter Generation, mit viel Respekt für die Vergangenheit und noch mehr Lust auf die Zukunft.

Wie haben Sie den Beruf gefunden?

Ich würde eher sagen, der Beruf hat mich gefunden. Ich hätte mir früher nie vorgestellt, mal „Chefin“ zu sein. Es hat sich Stück für Stück ergeben. Ursprünglich bin ich aus gesundheitlichen Gründen geblieben und dann kam die jetzige Position Stück für Stück aus Situationen heraus, in denen ich einfach Verantwortung übernommen habe. Am Ende war es weniger eine Entscheidung mit dem Kopf, sondern eine mit dem Herzen gepaart mit etwas Dickkopf und glücklicher Fügung.

Über Julia Gelsebach

Julia Gelsebach studierte Biologie und Medical Process Management an der FAU Erlangen-Nürnberg und sammelte erste Berufserfahrungen im Gesundheits- und Projektmanagement, bevor sie 2014 ins Familienunternehmen Cesys einstieg. Dort übernahm sie zunächst operative Aufgaben, später die kaufmännische Leitung und schließlich die Geschäftsführung. Mit ihrer Erfahrung aus Medizin, Prozessoptimierung und Qualitätsmanagement bringt sie eine ungewöhnliche, aber wirkungsvolle Perspektive in die Elektronikbranche – analytisch, lösungsorientiert und immer mit einem Blick für das große Ganze.

Was haben Sie studiert und wieso haben Sie sich dafür entschieden?

Ich habe ursprünglich Medical Process Management studiert. Letztlich ist es egal, ob es um Prozessmanagement in der Medizin geht oder im Unternehmen, ob man patienten- oder kundenzentriert arbeiten will, wo das Qualitätsmanagement stattfindet oder Kostenoptimierung wichtig ist. Am meisten habe ich wohl im Job selbst und in den zahlreichen Gesprächen, die ich geführt habe, gelernt. In diesem Prozess habe ich viele Fragen gestellt, viel zugehört und am Ende klare Entscheidungen getroffen.

Der Studiengang war relativ neu und ein nicht-konsekutiver Master und so auch wieder eine Mischung aus Leidenschaft und Zufall für mich. Dafür gibt es das schöne Wort Serendipität. Das ist eines meiner Lieblingswörter und die spielte schon so häufig eine Rolle in meinem Leben.

Wie sehr bereitet das Studium auf das Berufsleben vor?

Methodisch hat es mich vielleicht schon etwas vorbereitet: Man lernt komplexe Themen zu strukturieren, kritisch zu denken und sich selbst zu organisieren. Aber auf das echte Leben mit all seinen zwischenmenschlichen Herausforderungen, Budgetdruck, strategischen Fragen und so vieles mehr bereitet einen nichts so gut vor wie der Job selbst.

Gab es Situationen, in denen der fehlende Technik-Background tatsächlich im Weg stand? Und wie gehen Sie generell damit um, als Quereinsteigerin in einer doch sehr technikgetriebenen Branche unterwegs zu sein?

Bei unseren Kunden habe ich kaum Probleme, da unser CTO, Andreas Doll, die technischen Kundengespräche übernimmt oder wir zu zweit im Gespräch sind. Er ist sehr inhaltlich tief drin. Manchmal ist es sogar ein echter Vorteil, dass ich „übersetzen“ kann, wenn unser Gegenüber technisch auch nicht so bewandert ist.

Bei Events, Messen und anderen Veranstaltungen, wo ich alleine bin, ist es herausfordernder. Zu Beginn dachte ich noch, ich müsste in technischen Gesprächen zumindest etwas mithalten können, aber mittlerweile sage ich oft ganz bewusst „Da bin ich raus“ – und bekomme dann meistens erstaunte Blicke.

Aber dieses Modell funktioniert für uns sehr gut. Ich bringe die Perspektive von außen, stelle Fragen, kann strategisch, wirtschaftlich und organisatorisch begleiten und lenken, während mein CTO sich mit vollem Fokus um die Technik kümmert. In vielen kleineren KMU ist diese Teilung eher unüblich, aber ich glaube, dass sie einen echten Mehrwert bieten kann. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass unser untypischer Weg neue Perspektiven jenseits eingefahrener Denkmuster ermöglicht.

Was macht eigentlich ein...? – Jobs in der Elektronik

Elektronik Entwickler Karriere
(Bild: golubovy @ AdobeStock)

Kaum ein Industriezweig bietet so viele verschiedene Karrieremöglichkeiten wie die Elektronikbranche. Ob Programmierer in der Automatisierung, Entwickler für Elektronik-Systeme, Chip-Designer oder vielleicht doch lieber technischer Redakteur in Marketing und PR – die Auswahl an Jobs in der Elektronik ist riesig. Wir haben mit Entwicklern und Elektrotechnikern gesprochen:

Zurück zur Arbeit: Was verbirgt sich hinter dem Job als Geschäftsführerin? Welche Tätigkeiten und Aufgaben umfasst diese Position?

Hinter dem Titel „Geschäftsführerin“ in einem KMU steckt, ehrlich gesagt, alles. Mal bin ich Strategin, mal Problemlöserin, mal Krisenmanagerin oder einfach nur diejenige, die den Kaffee macht, wenn Besuch da ist. Was mich aber wirklich antreibt, ist die Gestaltung: Ich darf entscheiden, in welche Richtung wir uns entwickeln, mit welchen Projekten wir uns beschäftigen und wie wir als Team zusammenarbeiten. Das ist wahnsinnig herausfordernd, aber auch sehr erfüllend. Meine Aufgaben umfassen dabei eine bunte Mischung. Ich kümmere mich um die strategische Ausrichtung, Partnernetzwerke, Förderanträge, Positionierung des Unternehmens, Vertrieb – und manchmal auch einfach um den kaputten Drucker.

Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag aus?

Typisch ist, dass kein Tag typisch ist. In der Regel finden aber Meetings nur vormittags statt und nachmittags hab ich eher Zeit für meine eigenen Aufgaben, Absprachen mit meinem technischen Geschäftsführer oder intensive Denkarbeit. Ich arbeite aber selten länger als bis 16 Uhr. Dann sind erst einmal die Kinder dran und ich erledige das übrige, wenn sie schlafen.

Frau in weißem Shirt vor blauem Hintergrund mit Pippi-Langstrumpf-Zitat „I've never done that before, so I'm absolutely sure I can do it“ und Slogan „Lead courageously, think unconventionally“ – Leadership-Visual von CESYS mit Leiterin im Elektronik- und Technologieumfeld
(Bild: Julia Gelesebach / LinkedIn)

Welche Eigenschaften braucht man für den Beruf?

Du musst Lust haben, ständig dazuzulernen, dich schnell auf neue Themen einzulassen und trotzdem den Überblick zu behalten. Führung bedeutet für mich nicht, alles besser zu wissen, sondern gut zuzuhören, zu entscheiden und auch mal auszuhalten, wenn nicht alles sofort perfekt und harmonisch ist. Außerdem hilft eine gewisse Frustrationstoleranz, gerade wenn fünf Themen gleichzeitig brennen und man trotzdem einen kühlen Kopf bewahren muss.

Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit und der Austausch mit Kollegen und anderen Fachleuten in Ihrem Arbeitsumfeld?

Austausch ist für mich nicht nur fachlich wertvoll, sondern auch menschlich. Ich bin kein Einzelkämpfer und glaube an gute Teams mit unterschiedlichen Stärken.

Welche Highlights bringt der Job mit sich?

Das Schönste ist, dass ich Dinge bewegen kann, statt nur zu verwalten. Spannende Gespräche mit anderen Unternehmern, inspirierende Events, Team-Erfolge, bei denen man merkt, wie viel Leidenschaft und Können in unserer Arbeit steckt.

Gibt es Projekte, die eine besondere Herausforderung waren oder die Sie nachhaltig beeinflusst haben?

Ich glaube, dass wir allgemein sehr viele technisch sehr anspruchsvolle Projekte haben. Aber genau diese lieben unsere Mitarbeiter auch. Was mich persönlich eher herausgefordert hat, war der Wechsel in die Geschäftsführung an sich. Es macht für das Gefühl einen großen Unterschied, ob man eine hohe Leitungsposition hat oder tatsächlich auch rechtlich und sozial verantwortlich ist.

Welche Herausforderungen sehen Sie in der aktuellen Elektrotechnik-Landschaft?

Die Komplexität wächst. Nicht nur technisch, sondern auch regulatorisch. Gleichzeitig fehlt es an Nachwuchs und die Geschwindigkeit der Innovation ist hoch. Viele Unternehmen haben tolle Ideen, aber scheitern an Zulassungen, Fachkräftemangel oder an der Integration in bestehende Systeme. Ich denke aber, wer jetzt mutig ist und gute Partnerschaften aufbaut, kann wirklich etwas bewegen.

Welchen Rat würden Sie Nachwuchskräften in Ihrem Bereich geben?

  • Hab keine Angst, Fragen zu stellen, egal wie dumm sie dir erscheinen.
  • Hab keine Angst, Fehler zu machen.
  • Such dir ein Umfeld, in dem du wachsen darfst, und Menschen, die dich fordern und fördern

Und ganz wichtig: Du musst nicht sofort wissen, was „dein Ding“ ist. Probier' dich aus, und wenn du das Gefühl hast, dass du irgendwo wirklich du selbst sein kannst, dann bleibe da.

Welche Technologien oder Trends in der Elektronik begeistern Sie derzeit am meisten?

Mich begeistert gerade alles, was mit smarter Sensorik, flexibler Elektronik und KI-vernetzten Systemen zu tun hat. Gerade die Kombination aus klassischer Elektronik mit neuen Denkweisen, zum Beispiel, wenn Maschinen durch Echtzeitdaten lernen, sich selbst zu optimieren oder Ausfälle vorherzusehen, finde ich unglaublich spannend. Ich ganz persönlich liebe Projekte, bei denen Technologie nicht nur technisch beeindruckt  – dafür habe ich ja meinen Kollegen –, sondern einen echten Unterschied in Prozessen oder im Alltag von Menschen macht.

Wie trägt Elektronik-Entwicklung Ihrer Meinung nach zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen bei?

Es gibt so viele Felder, wo Elektronik der stille Held vieler Fortschritte ist. Von smarter Medizintechnik über nachhaltigere Produktion bis hin zur Mobilität der Zukunft könnte man zahlreiche Beispiele nennen. Oft sehen wir gar nicht, was unter der Oberfläche passiert. Aber ohne kluge Sensorik oder effiziente und robuste Steuerungen wären viele Innovationen schlicht nicht machbar. Gerade in den Bereichen Gesundheit, Energie und Bildung kann Elektronik helfen, Systeme gerechter, sicherer und nachhaltiger zu machen.

Welchen Rat würden Sie Ihrem jüngeren Ich geben, was sollte es anders machen oder was wieder genau so?

Du darfst auch mal zweifeln, hinfallen und neu anfangen. Hör auf dein Bauchgefühl, auch dann, wenn – oder gerade dann – der Kopf laut widerspricht. Was würde ich wieder so machen? Mich nie verbiegen für einen Lebenslauf. Ich bin meinen Weg gegangen, manchmal krumm und quer, aber immer mit großer Leidenschaft und Herz. Und das war genau richtig so.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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