Vierspurige WBA für hohe Kapazitäten und 150°C . GTL Knödel

Vierspurige WBA für hohe Kapazitäten und 150°C . (Bild: GTL Knödel)

Um diesen Vorgang in der Praxis fachgerecht zu realisieren, sind Kenntnisse der physikalischen Grundlagen ebenso hilfreich wie Informationen zur hierfür verfügbaren Anlagentechnik.

Die Wärmeübertragung

Zum Aktivieren oder Beschleunigen der Vernetzungsreaktion ist bei den genannten Materialien eine bestimmte Menge an Wärmeenergie erforderlich. Die Übertragung der Wärmeenergie findet im industriellen Bereich in Wärmebehandlungsanlagen (WBA) statt, die im allgemeinen Sprachgebrauch vereinfachend, jedoch technisch falsch als Öfen bezeichnet werden.

Folgende Übertragungsarten stehen im Wesentlichen zur Verfügung:

  • Konvektion
  • Infrarotstrahlung
  • Kombination aus Konvektion und IR-Strahlung
  • UV-Strahlung für bestimmte Klebstoffe (hier nicht behandelt)
  • Induktion, weniger zum Aushärten als zum Aufheizen des Bauteils vor dem Verguss gebräuchlich.

Der Wärmeaustausch findet solange statt, bis das zu erwärmende Bauteil dasselbe Temperaturniveau wie die Wärmequelle erreicht hat. Nachdem unterschiedliche Oberflächen und Materialien und deren Körpergeometrie die Wärme unterschiedlich absorbieren und reflektieren, erfolgt auch die Erwärmung des Bauteils und des Vergusses unterschiedlich. Dies ist insbesondere bei der Erwärmung von Elektronikbaugruppen ein wichtiger Faktor, da hier auf engem Raum verschiedenste Materialien mit unterschiedlichen wärmetechnischen Eigenschaften vorhanden sind. Grundsätzlich ist die Aufheizung mittels IR-Strahlung wesentlich schneller als durch Konvektion. Durch entsprechende Gestaltung der Luftströmung ist es jedoch möglich, die Aufheizkurve bei konvektiven Prozessen zu beschleunigen. Der Vorteil der Konvektion hingegen besteht darin, dass eine Überhitzung des Bauteils nahezu ausgeschlossen werden kann.

Die Wärmeleitung

Die „Durchwärmung“ der Klebstoffe oder Vergussmassen wird wesentlich beeinflusst von der Wärmeleitfähigkeit des Materials selbst, aber auch von dem sie umgebenden Körper.  So erwärmt sich ein den Verguss umgebendes Aluminiumgehäuse wesentlich schneller als ein gleich geformtes Kunststoffgehäuse. Bei der Wärmebehandlung von Klebern, die sich zwischen zwei zu fixierenden Oberflächen befinden, muss zunächst das den Klebstoff umgebende Material erwärmt werden.

Zweispurige WBA mit Meander-Fördertechnik für schwere Bauteile. GTL Knödel

Zweispurige WBA mit Meander-Fördertechnik für schwere Bauteile. GTL Knödel

Der Prozess

Der thermische Prozess vollendet, was beim Auftrag von Kleber und Verguss begonnen wurde.  Aus der mehr oder weniger viskosen Flüssigkeit wird eine feste Schicht.  Durch die Wärmezufuhr wird eine je nach Material endotherm oder exotherm verlaufende Reaktion gestartet. Die Dauer des Prozesses ist abhängig von den Aushärteparametern des Materials. Diese werden in der Regel als Zeitdauer bei einer bestimmten Temperatur definiert. Typische Prozesstemperaturen bewegen sich im Bereich von 50 – 150°C, wobei höhere Temperaturen den Prozess abkürzen. Das Bauteil und eingesetzten Chemikalien bestimmen das Prozessfenster. In der Praxis kommt es hierbei häufig zu Unklarheiten, an welcher Stelle des Bauteils die Temperatur gemessen werden soll,  und auch der Zeitfaktor lässt sich unterschiedlich interpretieren.

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Vertikale Aushärteanlage für manuelle Be- und Entladung. GTL Knödel

So kann man den Parameter Zeit auf der einen Seite als sogenannte Verweilzeit definieren, also eine bestimmte Zeitdauer festlegen, die das Bauteil mit aufgebrachter Chemie bei einer bestimmten Umgebungstemperatur verweilen soll.  Hierbei wird eine Prozesstemperatur festgelegt. Die von der WBA erzeugte Warmluft hat hierbei eine Solltemperatur, die in die Prozesskammer über ein Luftführungssystem eingeleitet wird. Die Luft überträgt ihre Wärmeenergie auf das Bauteil, wodurch sich das Bauteil sukzessive erwärmt.  Am Bauteil selbst entstehen Luftwirbel, die unterschiedliche Temperaturen haben können. Je nachdem an welcher Stelle genau gemessen wird, hat die Luft einen Teil ihrer Wärmeenergie bereits an das Bauteil abgegeben oder ist kurz davor, dies zu tun.  Die Temperatur um das Bauteil herum ist daher nicht homogen und es entstehen messbare Temperaturdifferenzen, je nachdem an welcher Stelle genau der Messfühler sitzt. Je länger das Bauteil in der Wärme ist, desto mehr nähert sich die Bauteiltemperatur der Zulufttemperatur an, und desto einheitlicher wird die Temperatur der das Bauteil umgebenden Luft, die nun weniger Wärmeenergie überträgt.

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Horizontale WBA mit Infrarot-Boost. GTL Knödel

Alternativ kann man eine Prozesszeit auch definieren, indem man den Gesamtzeitraum, den das Bauteil der Wärme ausgesetzt ist, in Aufheiz- und Haltezeit unterteilt. Hierbei wird die Prozesstemperatur an einer vordefinierten Stelle am Bauteil ermittelt. Dies ist in der Regel dort, wo sich das auszuhärtende bzw. das zu trocknende Material befindet. Die Aufheizzeit ist sinngemäß der Zeitraum, der benötigt wird, bis die gewünschte Temperatur am Messpunkt erreicht ist. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die sogenannte Haltezeit, also der Zeitraum in dem die gewünschte Temperatur an der Messstelle anliegt.

Da bei vielen Materialien bereits in der Aufheizphase die Vernetzungsreaktion, also der gewünschte Aushärtungsprozess vor Erreichen der Endtemperatur langsam startet, kann eine längere Aufheizphase die erforderliche Haltezeit verkürzen. Dieser Effekt wird in der Praxis aber normalerweise zunächst nicht berücksichtigt. Entscheidender hingegen ist, an welcher Stelle ein Messfühler für die Temperaturermittlung fixiert wird. Die Aufheizung eines im Inneren eines Gehäuses befindlichen Bauteils dauert naturgemäß deutlich länger, als die Erwärmung einer Oberfläche, die direkt mit erhitzter Luft angeblasen wird. Schlussendlich ist aber das gewünschte Ergebnis entscheidend. Die Ermittlung der individuell auf das Produkt und der verwendeten Chemie passenden Prozessparameter ist Grundlage für einen stabilen Prozess.

Die Anlagentechnik

Die gleichen Prozessparameter können aber in unterschiedlichen Anlagen zu verschiedenen Ergebnissen führen, da auch die Luftmenge eine Rolle spielt.  Für die Anlagentechnik ist heiße Luft nicht gleich heiße Luft. Zur Aushärtung/Trocknung der Materialien benötigt man eine bestimmte Menge Wärmeenergie. Diese als (Wärme-) Dosis bezeichnete Energiemenge ist vereinfachend gesagt das Produkt aus Wärmeübertrag mal Prozesszeit. Eine Anlage (WBA) mit höherer Wärmeübertragungsrate ist effektiver. Gelingt es also mittels Menge und Führung des Luftstromes das zu erwärmende Bauteil möglichst optimal anzuströmen, wird die Aufheizphase kürzer und die Prozesszeit reduziert.

Es gibt verschiedene Arten der Belüftung, die sich jedoch nicht beliebig bei allen Anlagentypen umsetzen lassen. So kann die erwärmte Prozessluft zum Beispiel direkt von oben auf ein Bauteil geblasen werden, als sogenannte Vertikalbelüftung. Hierdurch entsteht meist ein sehr guter Wärmeübergang. Bei der Aushärtung niederviskoser Materialien kann es aber dabei auch zu einem unerwünschten Verblasen (Wellenbildung oder Vertiefungen) der Materialoberfläche kommen.  Anlagen, in denen die zugeführte Luftmenge mittels elektronischer Regelung einstellbar ist, bieten dem Anwender flexiblere Möglichkeiten, sein Prozessfenster zu gestalten. Eine Kombination aus Infrarot und Vertikalbelüftung liefert bei passendem Teilspektrum schnelle Aufheizungen.

Alternativ hierzu lassen sich Teile auch quer von der Seite belüften. Der Wärmeübergang ist dabei meist schwächer als bei der Vertikalbelüftung, was jedoch in manchen Fällen durchaus erwünscht sein kann. Ebenso kommt es vor, dass nur eine bestimmte Stelle am Bauteil das Ziel der Erwärmung ist.  Mit verschiedenen Düsenarten, aus denen die Luft in die Prozesskammer geblasen wird, können zudem unterschiedliche Arten an Luftströmungen erzeugt werden. Die unterschiedlichen Belüftungssysteme können wiederum in verschiedene Anlagentypen eingebaut werden.

Die Auswahl beginnt bei Kammertrocknern ohne eigene Fördertechnik und reicht von Horizontalsystemen mit ein- oder mehrspuriger Fördertechnik mit teils übereinander angeordneten Spuren bis hin zu anspruchsvollen Vertikalsystemen. Nicht zu vernachlässigen ist der zur Verfügung stehende Platz. Teilweise lange Prozesszeiten beim Aushärten, gepaart mit kurzen Teile-Taktzeiten und hohen Durchsatzanforderungen, führen schnell zu großen Anlagenmaßen. Eine Möglichkeit unter beengten Platzverhältnissen trotzdem ein gutes Ergebnis zu liefern, bieten Anlagen mit vertikalen oder kombiniert horizontal/vertikalen Fördersystemen. Hierbei wird die Höhe des Raumes mitgenutzt, um Bodenfläche zu sparen.  Meistens werden die Anlagen automatisch, seltener manuell beladen. Die Be- und Entladung kann sowohl an derselben Stelle der Anlage erfolgen, als auch mit frontseitiger Beladung und rückseitiger Entladung. Zudem können die Anlagen um zusätzliche Kühlmodule ergänzt werden. Dadurch können die Bauteile gekühlt wieder entnommen werden.

Fazit

In dem bei erster Betrachtung so simpel anmutenden Vorgang der Aushärtung mittels Wärme steckt viel Knowhow.  Für die fachgerechte Umsetzung ist die Unterstützung durch Spezialisten angeraten. Diese können anwenderspezifische Forderungen mit kreativer und leistungsfähiger Anlagentechnik vereinen, was infolge der benötigten erheblichen Energiemengen, auch unter wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten zwingend erscheint.

Thermal Systems

Knödel entwirft und fertigt seit 1986 Schutzlackiersysteme für elektronische Bauteile. Schwerpunkt sind Tauchlackieranlagen für kleine bis größte Durchsätze. Kunden sind sowohl weltweit führende Automobilzulieferer als auch Firmen, die Elektronikbaugruppen herstellen, die besonderen Belastungen ausgesetzt sind und daher einen besonderen Schutz benötigen. Weitere Schwerpunkte sind Wärmebehandlungsanlagen für Aushärteprozesse und andere Anwendungen wie Lacktrocknung, Underfiller Curing oder Optical Bonding.

 

Robert Hallgarten

(Bild: GTL Knödel)
Geschäftsführer GTL Knödel

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