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(Bild: Pentair)

Bei dem COM-Modul handelt es sich um eine aufsteckbare Mezzanine-Karte mit definierten Steckverbindern, das einem vollständigen Single-Board-Computer mit Prozessor, Chipsatz und Hauptspeicher gleicht. Es wird auf ein Trägerboard, den Carrier, aufgesteckt. Der Carrier führt die I/O-Signale vom COM-Modul zu den Interfacesteckern, wie beispielsweise PCIe, Ethernet oder USB. Auf dem Carrier befinden sich zusätzliche oder spezielle Schnittstellen, die der Anwender für seine individuelle Applikation benötigt. Das bedeutet, dieser I/O-Teil wird immer kundenspezifisch entwickelt. Es liegen eine Vielzahl spezifizierter COM-Module vor, die etwa die bekannten Bussysteme, den PCI-Bus und den ISA-Bus kombinieren, oder andere, die PCI-Express nutzen.

Bei den neuesten COM-Module handelt es sich um COM-Express-Module, von PICMG (PCI Industrial Computer Manufacturers Group) spezifiziert, sowie Qseven und Smarc von SGeT (Standardization Group for Embedded Technologies). Während COM-Express und Qseven für x86-Prozessoren optimiert sind, konzentriert sich Smarc auf den Einsatz von ARM-Prozessorarchitekturen. Die inzwischen enorme Anzahl an COM-Modulen von verschiedenen Herstellern bietet dem Anwender eine große Auswahl an Modulen für seine individuelle Applikation.

Hat sich der Anwender für ein COM-Modul entschieden, kann er seinen kundenspezifischen Carrier mit den benötigten Funktionen und Schnittstellen entwickeln oder einen modularen Carrier nutzen, den er mit Zusatzkarten entsprechend seiner Anforderungen konfigurieren kann.

Eigenes Carrier-Design oder modularer Carrier?

Auf dem Markt hat sich eine Vielzahl von Unternehmen etabliert, die Standard-COM-Module herstellen und verkaufen. Die zusätzliche Entwicklung des notwendigen COM-Carrier wird jedoch meist nur für sehr große Stückzahlen übernommen. In diesem Fall finden sich vorwiegend kleinere Firmen, die sich auf die Entwicklung von Carriern spezialisiert haben. Generell lässt sich sagen, dass sich bei Stückzahlen von 50 bis 100 und bei Laboranwendungen die Konfiguration eines modularen COM-Carriers lohnt und bei Stückzahlen von 100 bis 5.000 – je nach Komplexität) ein eigenes Carrier-Design.

Einen modularen Carrier auswählen

Entscheidet sich der Anwender für ein modulares Carrier-Design, bietet Hersteller Pentair einen modularen COM-Carrier, basierend auf der COM-Express-Typ 6-Spezifikation. Diese von der PICMG definierte und veröffentlichte Spezifikation ist breit aufgestellt und zielt vor allem auf High-End-Applikationen mit schneller Datenübertragung sowie hoher Prozessorleistung. Der modulare Schroff COM-Carrier wurde so konzipiert, dass sich bei Neuentwicklungen standardisierte COM-Module unterschiedlicher Hersteller nutzen lassen und nur der Carrier mit den Schnittstellen und zusätzlichen Funktionen angepasst wird.

Modularer COM-Carrier mit Schnittstellen – Vorderseite

Modularer COM-Carrier mit Schnittstellen – Vorderseite. Pentair

Er beinhaltet die üblichen Schnittstellen wie Gigabit Ethernet, USB 2.0 und 3.0, 5.1 HD Audio, DVI-D sowie Display-Port an der Vorderseite. Auf der gegenüberliegenden Seite sind zusätzlich ein VGA- und ein UART-Port sowie zwei SIM-Kartenhalter und ein Micro-SD-Kartenhalter vorhanden. Optionale Kabeladapter ermöglichen den Anschluss weiterer RS-232 Schnittstellen etwa für Modbus oder Ethercat-Controller, sowie eines LPT- und PS/2-Steckers. Ein Gehäuse-Touchscreen über die LVDS-Schnittstelle, S-ATA-Schnittstellen, zwei Mini-PCIe- und eine PCIe-x4-Schnittstelle sowie Lüfter-, Power- und Statussignalstecker sind ebenfalls auf dem Carrier vorhanden.

Daneben bietet der Carrier weitere Schnittstellen für Erweiterungskarten. Ein zusätzliches Postcode-Modul kann zum Debuggen der Anwendung verwendet werden, ein Prototype-Modul, um eigene Schaltkreise aufzubauen. Das Prototyp-Modul hat ein Lochraster, damit der Anwender im Labor einfache Schaltungen realisieren kann. Eine Schnittstelle für Feldbusmodule bietet dem Anwender die Möglichkeit unterschiedliche Feldbuscontroller mit dem Carrier zu verbinden. Zusätzlich hat der Carrier auch einen XMC-Steckplatz.

Dem Systemdesigner steht eine umfangreiche Auswahl an Mezzanine-Karten von verschiedenen Herstellern zur Verfügung, um den Carrier funktionell zu erweitern. Mit einem FPGA-XMC bietet sich die Möglichkeit kundenspezifische I/O-Signale zu verarbeiten oder mit einer Prozessor Mezzanine-Karte ein Multiprozessorsystem aufzubauen. Durch einfaches Aufstecken der entsprechenden Mezzanine-Karte lässt sich diese Funktion sofort testen, ohne zuerst eine komplexe Entwicklung starten zu müssen. Der XMC-Steckplatz ist über PCIe an das COM-Modul angebunden und die I/O-Signale der Mezzanine-Karte werden auf entsprechende Steckverbinder auf dem Carrier geführt, an dem der Anwender diese abgreifen kann. Demnächst wird ein zusätzlicher GBit-Ethernet-Switch realisiert, über den weitere Ethernet-Schnittstellen zur Verfügung stehen. Für die unterschiedlichen Schnittstellen entwickelt Pentair Aufsteckmodule, die die Funktionsvielfalt des Carriers entsprechend erweitern.

Die passende Stromversorgung und Kühllösung

Die Spannungsversorgung inklusive Management ist als weiteres separates Modul ausgeführt. Je nachdem, in welcher Applikation der COM-Carrier Anwendung findet, stehen unterschiedliche Spannungen zur Verfügung. Im Automotive-Bereich sind dies beispielsweise 9 bis 36 VDC, in der Telekommunikation – 48 VDC und in Bahn-Applikationen 16,8 bis 154 VDC.

Modulares Power-Modul auswechselbar je nach Anforderung

Modulares Power-Modul auswechselbar je nach Anforderung. Pentair

Gerade bei High-End-Anwendungen mit hohen Rechenleistungen ist die Kühlung ein wichtiger Faktor. Je mehr Leistung ein Prozessor bietet, desto mehr Verlustleistung entsteht. Und die gilt es gerade in einem System mit kleinem Formfaktor effizient abzuführen, um die Überhitzung und eventuelle Schädigung der Komponenten zu verhindern. Um den Kühlungsbedarf definieren zu können, sind aber nicht nur die Verlustleistung des Prozessors und anderer eingebauter Komponenten zu berücksichtigen, sondern auch die Umgebungsbedingungen des Einsatzbereiches. COM-Systeme kommen in sehr unterschiedlichen Umgebungen zur Anwendung, sie reichen vom klimatisierten Labor bis zum Einsatz im Fahrzeug mit extrem hohen Temperaturschwankungen. All das hat entscheidenden Einfluss auf die zu wählende Kühlungslösung.

Um vielseitige Anwendungsgebiete abzudecken, ist auch hier ein modularer Ansatz der Kühlung vorteilhaft. So sollten verschiedene Kühlkörper zur Verfügung stehen, die durch ihre unterschiedlichen Geometrien für bestimmte Verlustleistungen und Einsatzbereiche geeignet sind und damit ein breites Spektrum abdecken. In speziellen thermischen Tests werden die Kühlleistungen der verschiedenen Kühlkörper-Geometrien von Wärmetechnikern qualifiziert.

Eck-Daten

Die steigenden Rechenleistungen aktueller Prozessoren, die Integration von Grafiklösungen und Schnittstellen in den Prozessor sowie die Chipsätze fördern den Trend weg von 19“-Systemen, hin zu Small-Form-Factor-Systemen. Wurde zuvor ein modulares Multiprozessorsystem benötigt, reicht heute ein leistungsfähiger Mehrkernprozessor aus. Da viele Schnittstellen direkt in den Chipsatz integriert sind, braucht es weniger Erweiterungskarten. Auch die I/O-Konzepte haben sich geändert, früher mussten viele Sensoren und Aktoren diskret über I/O-Karten an das System angeschlossen werden, heute wird mit Feldbussen gearbeitet. Zudem sorgen Entwicklungen wie IoT und Industrie 4.0 verstärkt für den Einsatz kleiner und leistungsfähiger Computersysteme. Eine Technologie im Bereich der Small Form Factor-Lösungen sind die Computer-on-Modules (COM).

Das Besondere bei dem modularen Kühlkonzept von Pentair ist, dass die Kühlkörper direkt am COM-Modul befestigt werden und nicht am Gehäuse oder nicht als Teil der Gehäuseform wie beispielsweise bei einem Box-PC. Dadurch ist der Anwender sehr flexibel. Zum Vergleich: Bei einem sogenannten Box-PC, bei dem das Gehäuse als Aluminium-Strangpressprofil ausgeführt ist – hier ist der Kühlkörper quasi das Gehäuse selbst – fehlt diese Flexibilität. Ändert sich etwas an den Rahmenbedingungen, reicht die durch die Gehäuseform festgelegte Kühlungsleistung womöglich nicht mehr aus.

Das modulare Gehäusekonzept

Eine weitere wichtige Komponente beim Einsatz einer COM-Lösung ist das Gehäuse, welches die Elektronik vor Umgebungseinflüssen wie Staub, Feuchtigkeit und EMV-Strahlung schützt. Pentair setzt hier auf eine modulare Gehäuseplattform. Es basiert auf einem parametrischen Modell und lässt sich daher leicht auf jede gewünschte Höhe, Breite und Tiefe anpassen. Das Gehäuse besteht nur aus wenigen Einzelteilen, die einfach mit zwei Schrauben fixiert werden. Es gewährleistet eine Schutzart bis IP 30 und sorgt mit spezieller Verriegelungskonstruktion für einen integrierten EMV-Schutz von 20 dB bei 2 GHz. Eine Vielzahl an Optionen für Ausbruchmaße und -positionen, Pulverbeschichtung und Bedruckung sowie eine breite Palette an Zubehör und Befestigungsmöglichkeiten (etwa Wandbefestigung, Hutschienen oder Standfüße) ermöglichen eine hohe Flexibilität für jede Anwendung.

Integriertes Schroff COM-Express-System

Integriertes Schroff COM-Express-System. Pentair

Das integrierte COM-Express-System

Fügt der Anwender alle beschriebenen modularen Einzelkomponenten zusammen, erhält man ein komplett integriertes, getestetes und gegebenenfalls zertifiziertes COM-Express-System inklusive COM-Modul. Dabei bleibt die Integrationsstufe dem Anwender selbst überlassen. Welches Konzept man für den Aufbau seiner Lösung wählt ist vor allem abhängig von Stückzahl, Komplexität und Projektlaufzeit. Letztendlich bestimmen Funktionalität und Wirtschaftlichkeit die sinnvolle Herangehensweise. In Bezug auf Stückzahl bietet sich ein modularer Carrier bei Projekten mit kleineren und mittleren Stückzahlen an oder als Entwicklungs-Tool im Labor.

 

 

 

 

Christian Ganninger

Global Product Manager for Systems, Pentair Electrical

(tm)

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