Wenn die Anforderung einer Schutzbeschichtung erst in der Serienproduktion bekannt wird, wo das nichtoptimierte Layout bereits feststeht, ist ein wirksamer, einfacher Schutz unter Umständen nicht oder nur unter sehr hohem Kosteneinsatz möglich. Am sinnvollsten wird daher der Schutz schon in der Designphase der Baugruppe berücksichtigt, Stichwort „fertigungsgerechtes Design“. Dies erhöht zudem die Prozesssicherheit des Beschichtungsvorgangs und spart hohe Qualitäts- und Nacharbeitskosten. Das Einsparpotenzial einer für Beschichtung entwickelten Baugruppe kann leicht mehrere zehntausend Euro im Jahr betragen. Dabei hat für eine Layoutoptimierung jede individuelle Elektronik spezielle Problemstellen und bedarf daher einer individuellen Betrachtung. Die Hauptschwierigkeit besteht darin, die noch in der Designphase unbekannten Problemstellen im Vorhinein zu erkennen und zu umgehen. Dies setzt ein fundiertes Wissen um mögliche Probleme und die Zusammenhänge bei der Beschichtung voraus.

Das Thema der Klimaschutzbeschichtung ist recht komplex. Durch die Vielzahl möglicher Schaltungen, eingesetzte Bauteile und verwendeter Materialien gibt es eine Fülle von Lösungsansätzen. So sind am Markt einige verschiedene Beschichtungsverfahren und Polymerwerkstoffe erhältlich, mit denen nahezu jeder klimatische Schutz, ob vor einer kurzfristigen Betauung oder vor Batteriesäure, erreicht werden kann. In der Ermittlung der einsatzrelevanten Bedingungen liegt schon die erste Hürde. Wie hoch setzt man sie an und wie verschärft man sie, ohne dabei zu übertreiben? Die zum Beispiel in Tests ermittelten Anforderungen legen aber den Grundstein über die erforderliche Art und Höhe des Beschichtungsschutzes.

Reinheit und Reinigung

Für eine erfolgreiche Beschichtung steht und fällt alles mit der Oberfläche. Die zu benetzenden Materialien und Geometrien sind auf einer elektronischen Baugruppe sehr unterschiedlich. Ein viel größeres Gewicht haben allerdings prozessbedingte Rückstände, die eine ordentliche Ausbreitung des Schutzlackes verhindern. Namentlich sind hier die Flussmittelreste zu erwähnen. Kommen salzige Rückstände oder säurebasierte Aktivatorreste hinzu, so ist die Klimafestigkeit bereits stark eingeschränkt. Als Abhilfe werden Baugruppen vor der Beschichtung mit einem sorgsam ausgewählten Verfahren gewaschen. Dadurch lassen sich etwa Flussmittel, Fingerabdrücke oder Staub entfernen. Der Schutzlack kann sich homogen ausbreiten, richtig durchhärten und gut haften – also seinen Zweck erfüllen. Die Reinigung ist somit eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Schutzbeschichtung. Um sie durchführen zu können, müssen alle verwendeten Bauteile waschbar sein. Idealerweise sind sie zudem ultraschalltauglich, was beides aus den Teiledatenblättern hervorgehen sollte. Schwerwiegendere Rückstände wie Silikonkleber oder monomere Polymerbestandteile auf dem Basismaterial lassen sich nicht durch eine Reinigung entfernen.

Der Lack ist ab

Sehr hilfreich ist es, die Beschichtungsflächen und die lackfreien Flächen zu größeren Arealen zusammenzufassen. Je mehr lackfrei zu haltende Elemente innerhalb der Lackierfläche verteilt sitzen, desto aufwändiger wird die selektive Beschichtung. Idealerweise werden alle Stecker, Schalter, Potenziometer und Ähnliches an einer Baugruppenseite entlang gelegt. Dann eignet sich die Baugruppe für eine rasche, beidseitige Tauchlackierung. Aber heutige Bestückungen und bauliche Erfordernisse an die Baugruppe lassen diese Art der Platzierung immer seltener zu. Daher ist es erforderlich, über Abstände zwischen Lackierfläche und Freibereichen nachzudenken. Schließlich ist der Schutzlack bis zur Hautbildung und Trocknung fließfähig. Außerdem entscheidet die Reinheit der Oberfläche enorm über das Stehenbleiben eines Lackes an seiner Auftragungsgrenze.

Dazu spielen das eingesetzte Beschichtungsverfahren und die sich am Rand der Lackierfläche befindlichen Bauteile eine wichtige Rolle, wenn es um Randeinhaltung geht. Manchmal reichen Leiterzüge aus, um den Lack wegzuziehen. Im anderen Extrem kann der Schutzlack in Lücken von 0,5 mm präzise und wiederholbar stehen bleiben. Andererseits kann Lack durch Lötrückstände über mehrere Zentimeter in Nachbarbereiche verlaufen. Auf durchschnittlichen Baugruppen können aber meist 2 bis 3 mm als Unsicherheit für einen typischen Lackierrand angenommen werden.

Offensichtlich haftet an der Gehäusewand sehr hoher lackierter Bauteile viel Lack an, der nach der Beschichtung herunterläuft. Über diese Quelle gelangt zusätzliches Material in Bereiche, wo es unerwünscht ist. Zudem zeigen viele Schutzlacke Trocknungsprobleme in zu dicken Schichten. Daher und weil große Bauteile wie Transformatoren, Becherkondensatoren und Ähnliche ein klimafestes Gehäuse haben, sollte über deren generelle Lackfreiheit nachgedacht werden. Auch sind manche Beschichtungsverfahren in der maximalen Höhe der beschichtbaren Bauteile begrenzt. Andererseits saugen viele Bauteile den Schutzlack kapillar unter sich, welcher dann im Randbereich fehlt und dort zu dünne Lackschichten hinterlässt. Hierfür gibt es je nach Beschichtungsverfahren anwendbare Abstellmaßnahmen.

Bei der Material- und Bauteilwahl für die Bestückung entscheidet bereits der Lötstopplack über die Verträglichkeit mit einem Schutzlack. Ansonsten ist das Gros der heutigen Bauteile mit seinen verschiedenen Kunststoff- und Metalloberflächen in aller Regel gut beschichtbar. Schwierig wird es bei den sogenannten verlackungskritischen Bauteilen. Das sind Bauteile offener Bauform, beispielsweise IC-Sockel mit nach unten offenen Kontaktanschlüssen oder mit geschlossenen Metallhülsen. Im ersten Fall existieren für den Schutzlack zugängliche kapillare Gänge. Sobald der Lack unten das Sockelgehäuse berührt, zieht er auch schon in die Kontaktzone. Das Bauteil wird unbrauchbar. Somit entscheidet bereits die Bauteilwahl über Lackierabstände, Verlackungsgefahr und Prozesssicherheit der Beschichtung. In der Regel sind waschdichte Bauteile unproblematisch. Darauf ist zum Beispiel bei Relais, Drehpotenziometern und Tastern zu achten. Da sich verlackungskritische Bauteile nie ganz vermeiden lassen, bieten Lohnbeschichter in einem weiteren Arbeitsgang vorab deren Abdichtung an, bevor die Hauptlackierung stattfindet.

Mechanische Lackierstörungen

Weniger gefährlich für die Verlackung, aber dafür für den Beschichtungsprozess sind kippfähige Bauteile. Wenn stehende Varistoren und ähnliche Bauteile in ihrer Lage tolerant sind, so kann dies mit hoch präzisen Beschichtungsanlagen zu Kollisionen führen. Daher müssen diese Bauteile vorab in eine definierte Lage gebracht werden. Wenn hohe Bauteile zur Vibrationshemmung verklebt werden, so darf auch die Klebemasse nicht in den Beschichtungsweg ragen.

Da der Schutzlack in flüssiger Form aufgebracht wird, besteht bis zur Hautbildung die Gefahr im Weiterlaufen in Zonen, wo er nicht erwünscht ist. Vor allem durch die heute vielfach verwendeten Durchsteiger oder Vias kann er kapillar gezogen werden. Wenn zudem auf der Gegenseite ein verlackungskritischer Baustein positioniert ist, wird dieser durch den Lack unbrauchbar. Daher müssen für eine selektive, prozesssichere Beschichtung alle Löcher im Beschichtungsbereich verschlossen sein wofür es verschiedene Methoden gibt. Aufwändig ist der Verschluss kurz vor der Schutzbeschichtung mit zähflüssigen Materialien. Einfacher geht das bei der Printherstellung durch Fülldruck oder im Lötprozess. Große Löcher, etwa Befestigungsbohrungen, lassen sich üblicherweise durch den Beschichtungsvorgang aussparen.

Nach der Beschichtung muss die Baugruppe in der Regel bis zur Handhabbarkeit waagrecht abgelegt werden. Dies kann bei lichthärtenden Lacken wenige Sekunden, bei physikalisch trocknenden Stoffen aber auch mehrere Stunden bedeuten. Gerade bei großen Stückzahlen sollte sich die Baugruppe daher zur Ablage in Stapelregister eignen. Ein lackfreier Rand ist dazu an zwei Seiten freizusparen. Sehr komfortabel ist die Fertigung im Mehrfachnutzen, wobei die Baugruppe an den lackfreien Nutzenstegen aufgenommen wird. Die Ritzkanten können mit üblichem Abstand von etwa 3 bis 4 mm lackfrei gehalten werden. Allerdings darf sich der Nutzen nicht durchbiegen, weil sonst der Schutzlack zusammenläuft und diese Teile auch nicht in automatischen Lackieranlagen gefördert werden können.

Aus den genannten Gründen ist es enorm wichtig, dass die Beschichtung mit allen freigegebenen Bauteilen und Materialien getestet wird. Ein Wechsel zur Zweitlieferquelle beim Lötstopplack kann als Beispiel zu einem extrem differenten Lackierbild führen. Auch wenn Bestückungsänderungen oder der Ersatz eines Bausteines anstehen, muss die Beschichtung neu qualifiziert werden, um böse Überraschungen zu vermeiden.

Zur Qualitätssicherung und vertraglichen Abstimmung wird üblicherweise eine CAD-Beschichtungsvorgabe erstellt. Dabei muss allen Beteiligten bekannt sein, dass mit einer Flüssigkeit wie dem Schutzlack exakte rechtwinklige Lackier- oder Freiflächen unrealistisch sind. Bewährt hat sich die Schraffurdarstellung verschiedener Zonen, nämlich der Mindestlackierfläche und des Sperrbereiches für Lack. Damit die theoretischen Anforderungen der realen Beschichtung Rechnung tragen, sollten alle übrigen Bereiche als „Kann“-Lackierbereich definiert sein. Überzogene, strenge Maß- und Toleranzangaben beeindrucken den Schutzlack wenig und sind nicht hilfreich. Ferner sollte in der Vorgabe enthalten sein, welcher Beschichtungsschwerpunkt zu legen ist, ob alles oder nur die Bauteile, deren Anschlüsse und Metallisierungen lackiert werden sollen. Als weitere Messkriterien für die Beschichtung können neben den Flächen die Lackdicke, die Haftung zum Untergrund oder die Sauberkeit dienen. Lohnbeschichter wie KC-Produkte bieten hierfür verschiedene Prüfungen an.

Schutzbeschichtung für höhere Zuverlässigkeit

Die Beschichtung frühzeitig einzuplanen spart nicht nur Kosten, sondern erlaubt auch ein Maximum an Prozesssicherheit bei der Lackierung. Schon bei der Wahl von Bauteilen und Materialien wird ebenso wie bei deren Platzierung der Grundstein für ein beschichtbares Layout gelegt. Für den Teil- und Vollverguß elektronischer Baugruppen gelten ähnliche, zum Teil spezifisch abweichende Vorgaben. Daher empfiehlt sich die frühzeitige Einbindung des Beschichters in den Entwicklungsprozess.

Jens-Hendrik Klingel

ist für den Vertrieb bei KC-Produkte verantwortlich.

(mrc)

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

KC-Produkte GmbH

Leonberger Straße 86
71292 Friolzheim
Germany