Die Unified Architecture der OPC Foundation schlägt eine Brücke von der Fertigung direkt ins MES oder ERP-System.

Die Unified Architecture der OPC Foundation schlägt eine Brücke von der Fertigung direkt ins MES oder ERP-System.Beckhoff

In klassischen MES-Projekten ist die Verbindungsebene sehr heterogen. Immer gilt es abhängig vom gewachsenen Bestand unterschiedliche Steuerungen anzubinden und Schnittstellen zu unterstützen. Häufig kommen neben einer Datei-basierten Kommunikation auch diverse Spezialprotokolle zum Einsatz, um die Daten auszutauschen. Beides erscheint im ersten Ansatz einfach realisierbar zu sein: Über Dateien in einem freigegebenen Verzeichnis zu kommunizieren, beherrschen oft selbst einfache SPS. Eine Maschine exakt mit ihrem herstellerspezifischen Protokoll an das MES zu koppeln – was könnte besser sein?

„Jedoch zeigt die Erfahrung aus MES-Projekten, dass diese scheinbar einfachen Lösungen diverse Probleme mit sich bringen“, betont Roland Essmann, Projektleiter MES und Leiter des Entwicklungslabors der BU Utilization bei der Elster GmbH. Enthält eine Datei mehrere Variablen, müssen SPS-Programmierer und MES-Betreuer zuvor jedes Detail abstimmen, zum Beispiel Trennzeichen, Variablentypen und Dateiformate. „XML ist dafür sicherlich ein guter Weg – für SPS-Programmierer aber längst nicht mehr einfach zu erzeugen“, so Essmann.

Die zweite Herausforderung betrifft die Transaktionssicherheit, wie sie für die Rückverfolgbarkeit von Komponenten, Chargen und Bauteilen in der Produktion essenziell ist. Daten müssen dazu zwingend vollständig und korrekt übertragen werden. Die Konsequenz: SPS-Programmierer und MES-Administrator müssen zusätzlich zu der Dateikommunikation noch das Fehlerhandling und Debugging programmieren

MES-Kopplung: viele Adapter oder ein Standard?

Also doch besser das Hersteller-spezifische Protokoll nutzen, für das es häufig bereits Tools zur Kontrolle und Inbetriebnahme gibt? Viele MES-Anbieter sehen gerade darin eine ihrer Stärken: Sie unterstützen eine Vielzahl spezieller Maschinenschnittstellen und haben für alles den passenden Adapter.

Kommunikationsmodell von SAP Plant Connectivity

Kommunikationsmodell von SAP Plant ConnectivitySAP

„Wir gehen einen anderen Weg“, sagt Veronika Schmid-Lutz, Product Ownerin Manufacturing bei SAP. Anstelle zahlreiche proprietäre Einzellösungen zu entwickeln unterstützen und forciert SAP den Einsatz von Standardschnittstellen in unseren Produkten. „Deshalb setzen wir auf Standards wie OPC UA“, ergänzt Schmid-Lutz und verweist auf SAP PCo (Plant Connectivity), ein Tool, das auch Instandhalter vor Ort an der Anlage bedienen können.

Bei der Firma Elster ist seit über einem Jahr SAP Manufacturing Execution (ME) als Standard für die Rückverfolgbarkeit und Prozessoptimierung im Einsatz. Als aktives Mitglied im SAP ME Customer Council, geben MES-Anwender wie Roland Essmann aus erster Hand Rückmeldungen zum aktuellen Produkt und zu ihren künftigen Anforderungen. Ein wichtiger Aspekt der Zusammenarbeit betrifft die Kommunikationsschnittstelle zwischen Steuerungs- und MES-Ebene, die OPC UA entscheidend vereinfacht.

Vergleichbare Technik in Labor und Produktion beschleunigt Serienanlauf

„Für uns ist es wichtig, die Zeit von der Produktidee bis zum Produktionsstart stetig zu verringern“, sagt Essmann. Die Grundlage dafür schafft Automatisierungstechnik von Beckhoff, die Elster sowohl in den im Haus konzipierten und aufgebauten Prüfständen als auch in den Montagelinien einsetzt. Früher gab es nur die Möglichkeit, neue Produkte mit speziellen PC-Messkarten im Labor zu untersuchen. „Eine normale Fertigungs-SPS konnte nicht annähernd die gleiche Messgenauigkeit und Abtastgeschwindigkeit bieten“, so Essmann. Heute arbeitet Elster in der Entwicklung oft mit den gleichen Technologien für die Erstellung der Prüfmethoden, die auch in der Fertigung im Einsatz sind: dem IEC-Programmiersystem Twincat, Ethercat für die Kommunikation und PC-basierte Steuerungen. „Damit ist sichergestellt, dass wir neue Produkte in die Produktion reibungslos und schnell einführen können“, stellt Essmann einen wichtigen Vorteil heraus.

Für die SPS-Anbindung an die übergeordneten Systeme nutzt Elster schon seit längerem OPC DA (Data Access) dessen Anwendung jedoch nicht ganz unproblematisch ist: „Gerade bei verteilten Systemen vergeht in Summe häufig doch ein kompletter Arbeitstag, bis man alle DCOM-Berechtigungen richtig gesetzt hat und die Kommunikation zwischen einer Maschinensteuerung und dem SAP ME steht“, berichtet Essmann. Der Ansatz einer einheitlichen Kommunikation ist zwar richtig, die Umsetzung mit dem klassischen OPC DA weist aber besonders unter dem Aspekt der Sicherheit gravierende Schwächen auf. „Dazu wären weitreichende Freigaben in der Firewall und für die Benutzerrechte notwendig gewesen“, nennt Essmann das KO-Kriterium.

Um einen schnellen Serienanlauf neuer Produkte zu erreichen, nutzt Elster die gleichen Technologien für die Prüfstände der Entwicklungslabore wie in der späteren Montagelinie.

Um einen schnellen Serienanlauf neuer Produkte zu erreichen, nutzt Elster die gleichen Technologien für die Prüfstände der Entwicklungslabore wie in der späteren Montagelinie.Elster

MES-Anbindung bei Elster: Zwei Varianten implementiert

Für den Roll Out von SAP ME bei Elster wurde daher nach einer Alternative gesucht. Das Pflichtenheft für die Technologie war klar: ein standardisiertes Protokoll, hohe Performance der Kommunikation, einfache Implementierung und die Option, die Datenübertragung auf der letzten Meile zwischen MES und Fertigungsebene zu verschlüsseln.

Aufgrund der Rahmenbedingungen, an der Linie kommen SPS und PC-basierte Systeme zum Einsatz, nutzt Elster zwei Kommunikationsvarianten. Für den direkten Verbindungsaufbau aus Applikationen mit Hochsprachen wie Visual Basic oder Labview der Firma National Instruments finden die Web-Services-Schnittstelle von SAP ME Anwendung. Das Interface ermöglicht dem Programmierer auf einfache Weise, die Verrieglung von Prüfschritten und die Datenspeicherung zur Rückverfolgbarkeit umzusetzen. „Wir konnten unseren Kollegen in der Fertigung problemlos eine ME-Testumgebung als Sandbox bereitstellen – das ist eine nichtproduktive Systemumgebung ausschließlich für Testzwecke mit der sie die Schnittstellen zu ihren Systemen wie Prüfständen testen konnten“, sagt Essmann.

OPC-Kommunikation mit 100 Hz

Steuerungen und Maschinen haben in den meisten Fällen keine Möglichkeit, Web Services aufzurufen. Im Fertigungsumfeld ist daher eine Technik gefragt, die idealerweise ohne Zusatzaufwand im SPS-Quellcode die Kommunikation zum MES übernimmt. OPC UA bietet dafür ideale Voraussetzungen. In der Vergangenheit war allerdings neben der SPS jeweils ein zusätzliches System für den OPC-Server notwendig. Mit leistungsfähigen Steuerungen wie der CX-Serie von Beckhoff ist es inzwischen möglich, den OPC UA Server auf der SPS einzurichten und somit die Systemlandschaft zu vereinfachen. Verbindet man den Server über SAP PCo mit SAP ME, entsteht eine schnelle Kopplung zwischen den Systemen, die sich ohne spezielle Programmierkenntnisse in Betrieb nehmen und warten lässt. „DCOM-Probleme gehören damit der Vergangenheit an“, betont Essmann. „Erste Performance-Messungen bei Beckhoff zeigen, dass die OPC-UA-Kommunikationszeiten deutlich unter 10 ms bleiben“, so Hoppe.

In einem ersten Projekt haben Beckhoff, SAP und Elster an einer Montagelinie die Kopplung der Systeme per OPC UA untersucht: Dazu wurden in einem Workshop erste Erfahrungen mit der Anbindung der CX-Steuerungen mit integriertem OPC UA Server an SAP ME gesammelt. Dabei zeigte sich, dass OPC UA über die Kommunikation hinaus weitere Vorteile bietet: Viele Programmierer mussten bislang den Aufwand für die Datenpufferung in ihren Projekten einplanen, um den lückenlosen, asynchronen Transfer zum Scada-System per OPC DA sicherzustellen. Über OPC UA unterstützen die Steuerungen eine historische Datenhaltung, die Lösungen Marke Eigenbau überflüssig macht und damit den Aufwand bei der Programmerstellung deutlich reduziert. Dazu Essmann: „Lediglich die gewünschten Variablen waren im Quellcode für OPC UA zu kennzeichnen – fertig.“ Neben der Beckhoff-eigenen Software stehen von Firmen wie Unified Automation (OPC Client) oder Inray (OPC Router) leistungsfähige Tools zur Verfügung, um über OPC UA mit der SPS zu kommunizieren.

Elster, Beckhoff und SAP sehen in OPC UA einen maßgeblichen Standard für die Kommunikation vom ERP über ME bis hin zu kleinsten embedded Systemen. Trends wie Industrie 4.0 und das Internet der Dinge zeigen den Weg auf zu einer umfassenden Vernetzung, die weit über die Grenzen der Fabrik hinausgeht. Eine vom Betriebssystem unabhängige und gesicherte Kommunikation ist die Voraussetzung, um das Ziel einer Smart Factory umsetzen zu können.

Um ERP und Manufacturing Execution Ebene sicher und bedienerfreundlich mit OPC UA zu verbinden, hat SAP den Plant Connectivity (PCo) entwickelt. Mit ihm lassen sich per Mausklick OPC UA und andere Standard-Quellen mit ERP und ME verbinden. Funktionen zum Protokollieren der Verbindung vereinfachen die Inbetriebnahme und die Fehlersuche, so dass auch Mitarbeiter ohne Programmierkenntnisse bei Bedarf vor Ort den Status prüfen können. „Uns ist wichtig, Kundenfeedback in die Entwicklung von Plant Connectivity einfließen zu lassen“, sagt Veronika Schmid-Lutz. „Nur so ist sichergestellt, dass wir die Erwartungen im Automatisierungsumfeld erfüllen.“ Der Austausch mit den beteiligten Programmierern und Anwendern zeigte schnell, welche Funktionen problemlos eingesetzt werden können und welche Verbesserungspotential haben. Beispielsweise zeigte sich, dass das im Automatisierungsumfeld noch ungewohnte Handling von Zertifikaten zur Authentifizierung weiter vereinfacht werden kann. Stefan Hoppe: „Wir müssen die Zertifikatgenerierung einfach halten und das für viele Anlagen- und Maschinenbauer neue Thema besser aufbereiten.“ Der in der SPS integrierte UA-Server generiert beispielsweise für sich selbst ein zum Gerät eineindeutiges Zertifikat, was für die ersten Schritte vollkommen ausreicht. In SAP PCo ließ sich das User-Interface für die Konfiguration der bidirektionalen Verbindung zwischen Anlagensteuerung und SAP ME weiter vereinfachen.

Die Grenzen weichen auf

Da jede zusätzliche Softwareebene Kommunikationszeiten und Betreuungsaufwand erfordert, ist der Weg für Stefan Hoppe klar: „Die OPC-UA-Technologie ermöglicht neben dem Austausch von komplexen Datenstrukturen auch den Aufruf von Methoden. Wir werden künftig direkt Methoden in MES- oder auch ERP-Systemen aufrufen können, so dass die Ebenen zunehmend miteinander verschmelzen.“ Diese Methodenaufrufe erfolgen direkt aus der SPS mithilfe von IEC61131-3 Funktionsbausteinen, die Beckhoff zusammen mit der PLCopen definiert. Diese Bausteine ermöglichen sowohl die horizontale Kommunikation zwischen Steuerungen als auch die Anbindung der Controller an die IT/MES-Ebene. „Dies kommt den Anwendern sehr entgegen, erfordert jedoch einen weiteren Schritt“, meint Roland Essmann. „Mit Ethernet zur Vernetzung und OPC UA als Kommunikationslayer sind zwei wichtige Bausteine für eine einfache, durchgängige Verbindung vorhanden. Es fehlt aber noch die Standardisierung der Terminologie und Variablenstruktur. Damit würden MES-Implementierungen nochmals deutlich vereinfacht“, betont Essman. Auch hier erfolgen erste Lösungsansätze: Aktuell arbeitet die OPC Foundation mit dem Verband MES-D.A.CH. an solchen MES-Profilen für Steuerungen.

(sk)

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Beckhoff Automation GmbH & Co. KG

Hülshorstweg 20
33415 Verl
Germany

ELSTER GmbH

Steinern Strasse 19-21
55252 Mainz-Kastel
Germany