Car driving in sunset

Aufmacher (Bild: Microchip)

In den letzten Jahren hat sich das optische Most-150-Netzwerk erfolgreich als Infotainment-PHY durchgesetzt. Es erfüllt die strengen OEM-Anforderungen wie hohe Bandbreite, Skalierbarkeit, geringes Gewicht, Robustheit, elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) und geringer Platzbedarf in Fahrzeugen. Trotz dieser Merkmale stellen die Kosten für Autohersteller, die in großer Stückzahl fertigen, ein Hindernis dar. Um der Nachfrage nach einer kostengünstigeren IVI-PHY gerecht zu werden, die immer noch in der Lage ist, die Anforderungen der Autohersteller zu erfüllen, wurde eine neue, standardisierte PHY für IVI-Netzwerke eingeführt, die auf Koaxialkabeln basiert. Koaxialkabel bieten viele Vorteile, darunter die Datenübertragung mit hoher Bandbreite, robuste EMV, automatische Montageprozesse für Steckverbinder, hohe Biegefähigkeit und Temperaturbeständigkeit, eine eng begrenzte Impedanz für den Vollduplex-Betrieb sowie die Möglichkeit, Energie als auch Daten über das gleiche Kabel zu übertragen.

Eck-Daten

Schnelle, vernetzte IVI-Systeme werden in zunehmendem Maße auch in Fahrzeuge der Klein- und Mittelklasse verbaut. Die etablierte Most-150-Netzwerktechnologie stellt trotz all ihrer Vorteile für OEMs, die in hohen Stückzahlen fertigen, ein Hindernis dar. Hier bieten Netzwerke basierend auf Koaxialkabeln viele Vorteile. Nicht nur lassen sich die Kabel in hochautomatisierten Prozessen herstellen und vereinfachen die Montage in der Fertigungsstraße, sie bieten eine robuste EMV und ermöglichen Funktionen, die in optischen Systemen mit Most-Technologie nicht zur Verfügung stehen. Auch komplexe IVI-Systeme lassen sich mit Koaxialkabeln platzsparend und kostengünstig im Fahrzeug unterbringen, da sie in der Lage sind, sowohl Daten als auch Energie zu übertragen.

Koaxialkabel kommen seit Jahrzehnten in der Automobilindustrie zum Einsatz und haben sich bei Punkt-zu-Punkt-Verbindungen bewährt. Sie verbinden zum Beispiel die Antenne und das Radio beziehungsweise mit einem GSM-Kommunikationsmodul. Dadurch ist die bestehende Infrastruktur für eine hochautomatisierte Produktion und die entsprechende Lieferkette gut etabliert. Koaxialkabel erfüllen die Temperatur- und mechanischen Anforderungen im Automotive-Bereich und unterliegen einem Standard für Kfz-Steckverbinder (Fakra), der von verschiedenen Anbietern übernommen wurde. Fakra-Steckverbinder sind in vielen verschiedenen Formen, Farb- und mechanischen Kodierungsschemata erhältlich, was eine einfache und effiziente Montage in der Fertigungsstraße ermöglicht, und sie lassen sich auch in hochautomatisierten Prozessen herstellen.

Vorteil Störimmunität

Querschnitt eines Koaxialkabels mit Innenleiter (1), Isolationsschicht (2), metallischer Abschirmung (3) und Kunststoffschicht (4).

Bild 1: Querschnitt eines Koaxialkabels mit Innenleiter (1), Isolationsschicht (2), metallischer Abschirmung (3) und Kunststoffschicht (4). Microchip

Bild 1 zeigt den Querschnitt eines Koaxialkabels und dessen wesentliche Vorteile. Die Übertragung des elektrischen Signals erfolgt über den Innenleiter (1), der von einer Isolationsschicht (2) und dann von einer metallischen Abschirmung (3) umgeben ist. Eine äußere Kunststoffschicht (4) schützt das Kabel. Dieser Aufbau neutralisiert die Menge an Energie, die das Koaxialkabel nach außen abgibt. Die metallische Abschirmung enthält das durch die Signalübertragung erzeugte elektrische Feld und schützt den Innenleiter auch vor Störungen durch äußere elektrische Felder, was zu einer hohen Störimmunität führt. Die damit erreichbare robuste EMV-Leistungsfähigkeit ist ein Grund für die Fahrzeugtauglichkeit von Koaxialkabeln. Da auch weder auf ein spezielles Routing zu achten oder strikte Positionierungsparameter einzuhalten sind, verringern Koaxialkabel in Fahrzeugnetzen auch die Kosten für die Fahrzeugmontage.

Dual-Simplex und Vollduplex

Tabelle 1: Netzwerktopologien, die sich mit IVI-Systemen auf Basis von Koaxialkabeln realisieren lassen.

Tabelle 1: Netzwerktopologien, die sich mit IVI-Systemen auf Basis von Koaxialkabeln realisieren lassen. Microchip

Koaxialkabel bieten auch Funktionen, die in einem klassischen optischen System mit Most-Technologie nicht zur Verfügung stehen. Ihre kontrollierte Impedanz  ermöglicht Dual-Simplex (DS)-Kommunikation sowie bidirektionale Vollduplex (FD)-Kommunikation. Damit lassen sich zusätzliche Netzwerktopologien zusammen mit dem klassischen Ring umsetzen, wie er in Most-Netzwerken verwendet wird – eine wichtige Verbesserung in IVI-Netzwerken. Für spezielle Anwendungen lässt sich auch eine Kombination aus DS- und FD-Kommunikation einfach umsetzen. Tabelle 1 fasst die möglichen Topologien zusammen, die über eine Koax-PHY unterstützt werden.

Bild 2: Klassiche Ringtopologie auf Koax-PHY, basierend auf einer unidirektionalen DS-Kommunikation mit Rückführkabel für den Ringschluss.

Bild 2: Klassiche Ringtopologie auf Koax-PHY, basierend auf einer unidirektionalen DS-Kommunikation mit Rückführkabel für den Ringschluss. Microchip

Wie sich die klassische Ringtopologie auf einer Koax-PHY implementieren lässt, ist in Bild 2 dargestellt. Diese Art von Netzwerktopologie basiert auf einer unidirektionalen DS-Kommunikation, die ein Rückführkabel für den Ringschluss erfordert.

Bild 3: Ein System mit zwei Knoten ermöglicht eine reine Punkt-zu-Punkt-Verbindung bei Verwendung der FD-Kommunikation über Koaxialkabel.

Bild 3: Ein System mit zwei Knoten ermöglicht eine reine Punkt-zu-Punkt-Verbindung bei Verwendung der FD-Kommunikation über Koaxialkabel. Microchip

Bei der FD-Kommunikation über Koaxialkabel lassen sich Topologien umsetzen, die sonst nicht möglich wären. So ermöglicht ein System mit zwei Knoten eine reine Punkt-zu-Punkt-Verbindung (Bild 3). Es ist nicht notwendig, ein Rückführungskabel mitzuführen, da die bidirektionale Kommunikation über ein einzelnes Koaxialkabel erfolgt. Diese Topologie kann im Vergleich zu einem klassischen, optischen Most-Netzwerkring mit nur zwei Knoten zu einer Kostenersparnis von bis zu 50 Prozent führen. Diese Einsparmöglichkeit ist bei der Serienfertigung von Fahrzeugen sehr interessant, da sich ein grundlegendes, aber leistungsstarkes Zwei-Knoten-Infotainment-System implementieren lässt, das aus einer Haupteinheit und einem Verstärker besteht.

Daisy-Chain-Topologie

Bild 4: Beispiel für ein Infotainment-System mit drei Knoten in Daisy-Chain-Topologie, die kein Rückführkabel benötigt.

Bild 4: Beispiel für ein Infotainment-System mit drei Knoten in Daisy-Chain-Topologie, die kein Rückführkabel benötigt. Microchip

Für komplexere IVI-Architekturen, die aus drei oder mehr Knoten bestehen, ermöglicht die Vollduplex-Kommunikation eine Daisy-Chain-Topologie. Ein Beispiel eines Infotainment-Systems mit drei Knoten in einer Daisy-Chain-Topologie ist in Bild 4 dargestellt. Das fehlende Rückführungskabel vereinfacht die Fertigung und verringert die Gesamtkosten. Die Hub-Konfiguration ist eine weitere Option, wenn drei oder mehr Knoten über Vollduplex-Kommunikation mit einer Koax-PHY Schicht verbunden sind. Bild 5 beschreibt ein Fahrzeugdisplay, das als Hub fungiert und über Punkt-zu-Punkt mit zwei Rückfahrkameras verbunden ist, die die Außenspiegel ersetzen.

Durch die Kombination aus DS- und FD-Kommunikation erlaubt die Erweiterung des bestehenden, auf einer Ringtopologie basierenden Infotainment-Systems neue Anwendungen. So ließe sich beispielsweise eine Audio-Subdomäne mit einem Mikrofon-Array-Netzwerk zu einem bestehenden System hinzuzufügen, das ursprünglich ohne diese Funktion entwickelt wurde.

Signal- und Energieübertragung

Bild 5: Das Fahrzeugdisplay fungiert als Hub und ist über Punkt-zu-Punkt mit zwei Rückfahrkameras verbunden, die die Außenspiegel ersetzen.

Bild 5: Das Fahrzeugdisplay fungiert als Hub und ist über Punkt-zu-Punkt mit zwei Rückfahrkameras verbunden, die die Außenspiegel ersetzen. Microchip

Bild 6: Ein vorhandenes, ringbasiertes Infotainment-System lässt sich um eine Daisy-Chain-Topologie erweitern. Hier zeigt sich der Vorteil von Koaxialkabeln, die Energie und Daten über dasselbe Kabel übertragen.

Bild 6: Ein vorhandenes, ringbasiertes Infotainment-System lässt sich um eine Daisy-Chain-Topologie erweitern. Hier zeigt sich der Vorteil von Koaxialkabeln, die Energie und Daten über dasselbe Kabel übertragen. Microchip

Alle diese Topologien unterstützen optional die Übertragung von Energie über die Koaxial-Datenleitung. Dadurch werden für jeden Knoten im Netzwerk die eigenen Stromleitungen und Anschlüsse überflüssig, was zu Kosten- und Gewichtseinsparungen führt und die Montage vereinfacht. Die in Bild 5 und Bild 6 gezeigten Architekturen sind gute Beispiele dafür, welche Vorteile die Energieversorgung über Koaxialkabel bietet. Aufgrund ihres kleinen Formfaktors lassen sich die Kamera- und Mikrofon-Array-Module so auslegen, dass sie einen einzigen Stecker verwenden, der sowohl die Daten- als auch die Energieversorgung unterstützt.

Ausgereifte Technik mit geringem Risiko

Im Automotive-Bereich ist ein wettbewerbsintensives Umfeld wichtig für den Erfolg einer Technologie. Die Möglichkeit, einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, treibt die Autohersteller zu Innovationen – in der Hoffnung auf einen umfangreichen Return on Investment (ROI) in Bezug auf Kundeninteresse und Verkaufszahlen. Der Wettbewerbsvorteil hängt von einer schnelleren Markteinführung und optimierten Gesamtkosten ab. Geht es um eine schnelle Markteinführung wird tatsächlich die Zeit bis zum Erzielen des Umsatzes in Betracht gezogen und nicht nur verringerte Entwicklungskosten. Verzögert sich die Einführung eines neuen Automodells, geht es dem Hersteller nicht um weniger um die notwendige Summe für die Deckung notwendiger Entwicklungskosten, sondern um wesentlich höhere Beträge entgangener Einnahmen.

Ein genaues Verständnis der Gesamtkosten ist auch notwendig, um den Wettbewerbsvorteil zu verstehen, den eine Technologie bieten kann. Die Einkaufsabteilung berücksichtigt in der Regel nur die Stückliste als Kostenfaktor und zieht zusätzliche Kosten, wie beispielsweise Entwicklungskosten (eine Technologie mit einer kleineren Stückliste könnte viel höhere unverhältnismäßige Entwicklungskosten verursachen), Qualitätskosten (Kosten für Rückrufaktionen) und andere Kosten (Stückliste für weitere, indirekt zugehörige Komponenten) eher nicht in Betracht. All das spielt eine Rolle, die mehr Bedeutung einnimmt als die reinen Stückkosten.

Die Vorteile bei der Einführung eines schnellen, vernetzten Infotainment-Systems auf Basis einer Koax-PHY liegen auf der Hand: Die schnelle Datenübertragung auf Koaxialkabeln in Autos ist eine ausgereifte und bewährte Technik, die auf einer kostengünstigen und robusten physikalischen Ebene basiert – und das mit einer sehr guten Erfolgsbilanz. Autohersteller und Tier-1-Zulieferer benötigen keine zusätzlichen Investitionen in Ausrüstung oder Wissen, um Koaxialkabel auch in der breitbandigen Infotainment-Domäne einzusetzen. Die Wiederverwendung einer bewährten Technologie in einem anderen Bereich minimiert das Risiko, dass sich später während des Lebenszyklus eines Autos in teuren Qualitätsproblemen äußern kann.

Carmelo De Mola

Product Marketing Manager bei Microchip Technology

(na)

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