Lidar

Transportation - Automotive Exterior - Red1 - 1366px (Bild: Flex)

Im Jahr 2004 wurde ein Wettbewerb ausgerufen, um zu sehen, ob jemand ein autonomes Fahrzeug entwickeln könnte, das eine 142 Meilen lange Strecke durch die Mojave Wüste (USA) fährt, und damit kam Lidar auf einmal ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Veranstaltung wurde von der Defense Advanced Research Agency (DARPA) organisiert, einer Behörde des US-Verteidigungsministeriums. Der Wettbewerb beflügelte die Vorstellungskraft von Forschern und Entwicklern, das Ergebnis waren einige bizarre und innovative Designs.

Autos und Trucks wurden mit Kameras und Sensoren jeder denkbaren Größe und Form ausgestattet. Die Bilder der nervösen und Bleistift-kauenden Entwickler, die zeigten, wie sie die Leistung der autonomen Fahrzeuge kontrollierten, gingen um die Welt. Die DARPA Grand Challenge wurde 2004 zwar nicht erfüllt, aber die „Lidar“-Technologie war auf einmal in aller Munde.

Lidar

Bild 1: Auto mit Hut – das Lidarsystem auf dem Dach von Googles Versuchsfahrzeugen ist alles andere als unauffällig. Waymo

Einige Jahre später gab es die erste autonome Autofahrt von Google nahe San Francisco. Das fahrerlose Auto sah kaum weniger lächerlich aus als die DARPA-Innovationen: Auf seinem Dach war eine Art Zylinder montiert, wie sie aus dem 18. Jahrhundert bekannt sind. Dahinter verbarg sich die Lidar-Technologie, die damit wieder ins Zentrum der Diskussion rückte (Bild 1).

Wie Lidar arbeitet

Wie das verwandte Radar, das anfangs auch nur zögerlich Anklang fand, erfährt nun auch Lidar durch die Verbindung mit autonomen Fahrzeugen eine erhöhte Popularität. Lidar wird bereits seit Jahrzehnten in der Geologie, Erdvermessung und anderen Bereichen eingesetzt, die hochpräzise 3D-Karten benötigen. Darüber hinaus nutzen Branchen wie Raumfahrt und Robotik die Technologie. Zu künftigen Einsatzbereichen gehören Drohnen, Ertragsoptimierung von Getreide sowie das automatische Be- und Entladen von Schiffen. Grund dafür ist, dass Lidar über ein klareres und größeres Sichtfeld als Kameras verfügt und dieses über unterschiedliche Lichtverhältnisse hinweg nutzen kann.

Lidar verwendet das von Objekten reflektierte Laser-generierte Licht und kann so ihre Position bestimmen – ähnlich wie sich Radiowellen und Sonar-Geräusche zur Ortung nutzen lassen. Die empfangenen Lichtimpulse werden auf einer 3D-Karte dargestellt. Auf Basis dieser Punktwolken entsteht ein detailliertes Umgebungsbild.

Die meisten Systeme setzen Licht im Infrarot-Spektrum ein, mit Wellenlängen über 780 nm. Die NIR-Systeme (800 nm bis 2500 nm) sind die gängigsten. Für kosteneffiziente Anwendungen eignen sich Wellenlängen zwischen 800 nm und 1000 nm am besten. Der Empfänger lässt sich in standardisierte, günstige CMOS-Technologien integrieren. Außerdem sind Laserdioden, die in Stückzahlen produziert werden, breit verfügbar.

Ein Lidargerät besteht aus einem Empfänger und einem Sender. Das Laserlicht, normalerweise ein kurzer Impuls, wird vom Sender ausgestrahlt, von einem Objekt im Raum reflektiert und anschließend von einer lichtempfindlichen Einheit im Empfänger rezipiert. Die Zeitdifferenz zwischen dem gesendeten und dem empfangenen Impuls liefert die Informationen über die Distanz des Objekts. Dieses „Time-to-Flight“-Prinzip wird oft in Automotive-Anwendungen eingesetzt. Lidar kann aber auch die Formen von Dingen vermessen.

Da der Laserstrahl im Raum sehr schmal ist, ist auch der Winkel der reflektierenden Oberfläche verfügbar – so lässt sich die Position in 3D kalkulieren. Die daraus entstehende 3D-Karte (Punktwolke) wird mehrfach pro Sekunde aktualisiert und erstellt damit fast in Echtzeit ein Umgebungsbild. Eine der ersten Anwendungen diese Technologie stammt bereits aus dem Jahr 1971, als die NASA sie im Höhenmesser der Apollo-15-Mondmission einsetzte. Da das Licht auf dem Weg zu seinem Ziel auch verschiedene Materialien durchdringt, wird es teilweise absorbiert und teilweise reflektiert. Lidar lässt sich deshalb auch einsetzen, um atmosphärische Bedingungen zu ermitteln und die Visibilität einzuschätzen.

Anwendungen für die Automotive-Industrie

Viele Geräte basierten seit den Mondlandungen auf dem beschriebenen Prinzip und werden in sehr unterschiedlichen Anwendungen eingesetzt. Dank rotierender Teile, beweglicher Spiegel und Linsen ist es möglich, mehr als eine Million Datenpunkte pro Sekunde zu erfassen. Damit entsteht ein 360-Grad-Blick mit einer hohen Winkel-Auflösungsgenauigkeit (< 1 Grad) sowie einer Entfernungsgenauigkeit von unter einem Zentimeter. Mit Hochleistungs-Laserquellen und extrem sensiblen lichtempfindlichen Dioden lässt sich der Betriebsbereich von Lidarsystemen auf einige Kilometer erweitern.

Unternehmen mit Expertise in Optik und Bildgebung wie Leica, Faro und Velodyne haben ihre Produkte für den professionellen Einsatz entsprechend weiterentwickelt. Industrielle Applikationen für diese Technologie in Robotik und in der Fertigung wurden von Sick und Hokuyo realisiert. Die Entwicklung von Automotive-Anwendungen geht jedoch weitaus langsamer vonstatten. Automobilunternehmen experimentieren zwar bereits seit fast 40 Jahren mit Lidar und Radar, doch Radar wurde als erste der beiden Technologien implementiert.

Dank der schnellen Entwicklung von Hochfrequenz-Halbleitern und der vergleichbar einfachen mechanischen Konstruktion von Radarsystemen, die außerdem von Fortschritten beim Design von Antennen-Arrays profitierten, überflügelten sie Lidar und gingen in die Stückzahlenproduktion. Im Vergleich dazu waren Lidarsysteme größer, erforderten eine komplexe mechanische Konstruktion und waren vor allem deutlich teurer. Eine Massenproduktion ließ sich daher nicht rechtfertigen.

Mitsubishi setzte den ersten Lidar-basierten Abstandsmesser ein. Bevor Google den Velodyne-Zylinder in seinem selbstfahrenden Fahrzeug auf die Straße schickte, wurden bereits einige Lösungen produziert. Japanische Automobil-Hersteller wie Mitsubishi, Toyota, Nissan und Infiniti setzen Lidar bereits in ihren Adaptive-Cruise-Control-Systemen (ACC) ein. Tier-1-Lieferanten wir Omron, Hella und Continental bieten entsprechende Produkte an.

Diese Geräte nutzen NIR-Laserquellen mit einer 905 nm Wellenlänge und einen Steuerungs- oder Schaltmechanismus, um eine Vielzahl von Laserstrahlen zu kontrollieren oder haben bewegliche optische Teile, um eine sehr feine Winkelauflösung zu erreichen. Um die Jahrtausendwende kombinierte Continental beispielsweise eine CMOS-Kamera mit einem einfachen Drei-Strahlen-Lidar zu einem einzigen Modul in seinem SLR-Cam400-Produkt. Radar- und Kameratechnologien entwickeln sich enorm schnell, vor allem im Hinblick auf Kamera-basierte Fahrerassistenzsysteme (DAS), die einige Jahre später eingeführt wurden. Grundsätzlich lässt sich die Lidar-Technologie für Funktionen wie Geschwindigkeitseinschätzungen, Tag/Nacht-Erkennung, Visibilitätsmessung, Objekterkennung und -klassifizierung nutzen.

Neue Chancen für Lidar

Mittlerweile verändern sich die Einsatzmöglichkeiten der Technologie weiter. Tiefgreifende Veränderungen in der Art und Weise, wie Daten verarbeitet und verwaltet werden, bieten neue Chancen für Lidar. Die Integration immer neuer Funktionen für autonomes Fahren lässt sich jetzt aufgrund technologischer Lösungen realisieren: Neue Chips, neue Kommunikationstechnologien, neue Datenspeicher und Künstliche Intelligenz haben einen enormen Einfluss auf die Automobilindustrie und Lidar.

Diese Entwicklungen gewährleisten eine höhere Sicherheit in der Welt des autonomen Fahrens. Das Fahrzeug kann mehr Informationen verarbeiten und Lidar-Daten – die 3D-Kartografierung der Welt – lassen sich für eine höhere Präzision und Sicherheit einsetzen. Audis neues A8-Modell etwa nutzt eine Lidartechnologie, die in Zusammenarbeit mit Valeo und Ibeo entwickelt wurde.

Viele Fahrzeuge verfügen aber immer noch über die „Zylinder“ von Velodyne, die auf die Autodächer montiert sind. Unternehmen wie Here arbeiten weiterhin mit dieser Technologie, um hochauflösendes Kartenmaterial für die Navigation in autonomen Fahrzeugen, Verkehrskontrollen, Logistik und konventionellen Navigationssystemen einzusetzen.

Vielfältige Lösungsansätze

Lidar

Bild 2: Ziel der Lidar-Forschung ist es, Lösungen mit einer möglichst geringen Zahl von Bauteilen zu entwickeln. Flex

Wie wird die Zukunft von Lidar aussehen? Die Anzahl der beweglichen Teile und die physische Größe reduzieren sich sicherlich. Darüber hinaus wird die Technologie robuster und die Lidar-„Zylinder“, die momentan bis zu 80.000 US-Dollar kosten, werden günstiger beziehungsweise es wird entsprechende Alternativen geben, die sich auf einige wenige Chips integrieren lassen – und damit einen schlanken Prozess für Fertigung, Test und Massenproduktion ermöglichen (Bild 2).

Wie bei jeder technologischen Revolution gibt es innovative Unternehmen und Produkte, die eine Vielzahl von Optionen und Alternativen bieten. Hier einige Beispiele:

  • Eine Reihe von Unternehmen planen, Solid-State Lidar (SSL) zu entwickeln, indem sie die Übertragungs- und Empfänger-Teile in Siliziumchips integrieren. Eine der Firmen, Quanergy, arbeitet mit Daimler, Samsung und Delphi zusammen. Sie haben eine Laserquelle auf einem Chip entwickelt, der die Richtung über eine Optical-Phase-Array-Technik (OPA) kontrolliert. Diese ähnelt dabei der Kontrolle moderner Phase-Array-Antennen für Radar.
  • Nach einer Investition von 150 Millionen US-Dollar durch die Ford Motor Company und Baidu, Chinas führendem Suchmaschinenunternehmen, kündigte Velodyne eine SSL-Lösung für Ende 2017 an.
  • Die kanadische Organisation LedderTech bietet unterschiedliche ICs für Lidar-Sender- und Empfängerkontrollen. LedderTech arbeitet mit verschiedenen Unternehmen zusammen, die Sender- und Empfänger-Bauteile entwickelt. Dazu gehört unter anderem Omron, die kürzlich Laser- und optische Empfänger verbesserten.
  • Eine weitere vielversprechende Technologie sind MEMS-Lidarsysteme. Sie basieren auf Fortschritten bei der Implementierung von MEMS-Komponenten (Micro Electro Mechanical Systems) auf Standard-IC-Technologien. Infineon und Innoluce, Denso und Trilumina, Ibeo und das israelische Start-Up Innoviz gehören zu den Unternehmen, die Miniatur-Spiegel entwickeln, die sich auf Chips integrieren lassen. Mit einer entsprechenden Laser-Quelle können sie ein breites Sichtfeld und hohe Messgeschwindigkeiten erzielen. Im Vergleich zu OPA- ist MEMS-Lidar bereits relativ ausgereift, ähnliche Spiegel wurden bereits in Mikro-LCD-Projektoren genutzt. MEMS-Lidar-Entwickler wollen den Empfänger und die Signalverarbeitung auf einem ASIC implementieren.
  • Gleichzeitig geht die Entwicklung von Flash-Lidar voran. Continental kooperiert mit ASR, Osram und Phantom Intelligence. Sie arbeiten an einem Konzept, um ein spezifisches Gebiet mit einem einzigen leistungsfähigen Laserimpuls zu beleuchten. Die Technologie ist bereits ausgereift, wird schon seit Jahrzehnten in Time-of-Flight-Kameras eingesetzt und profitiert von Fortschritten, die kürzlich in Bildtechnologien gemacht wurden. Flash-Lidar bietet hochauflösende High-Speed-Bilder. Dies geht allerdings auf Kosten eines kleineren Bildausschnittes und anspruchsvollerer optischer Teile.
  • Ein ähnliches Prinzip nutzt ein Laser-Gated-Abbildungssystem, das Brightway Vision entwickelt hat. Dies setzt eine Laserimpuls-Quelle sowie eine Sequenz extrem schneller Bilder ein, um eine 3D-Abbildung zu erstellen. Die sehr kurzen Bild-Zeitfenster reduzieren den Einfluss von Nebelstreuung. Damit eignet sich das System für den Betrieb über weite Entfernungen und bei allen Witterungsverhältnissen. Wie andere Lösungen nutzt es den NIR-Betrieb unter 1000 nm.
  • Hersteller wie Princeton Lightwave oder das Silicon Valley Start-up Luminartech bieten Systeme, die auf längeren Wellenlängen operieren – meistens auf 1500 nm. Diese Lösungen verfügen außerdem über eine bessere Leistung bei Nebel und können mit einer höheren Leistung betrieben werden, da das menschliche Auge weniger sensibel auf Infrarotlicht auf längeren Wellenlängen reagiert.
    werden.

Lidarlösungen vom Reißbrett bis zur Produktion

Flex (ehemals Flextronics) erkannte das Potenzial von Lidar schon früh. Das Unternehmen arbeitet eng mit OEMs zusammen, um gemeinsam kosteneffiziente Lidarlösungen zu entwickeln, die sich unauffällig in das Fahrzeug integrieren lassen. Besonders Größe und Kosten der Lidartechnologie waren bislang ein Faktor, weshalb Lidar noch nicht massentauglich war. Gemeinsam mit OEMs entwickelt Flex die passenden Lösungen und produziert diese im Auftrag der Hersteller (Bild 3). Ziel ist es unter anderem, die Erstellung von 3D-Straßenkarten voranzutreiben und dadurch komplett autonomes Fahren zu realisieren. Flex ist aufgrund seiner Sketch-to-Scale-Fähigkeiten in der Lage, Lidarlösungen vom Reißbrett bis zur Produktion zu betreuen. Flex wird die Lidar-Technologie auch für weitere Produkte und Industrien weiterentwickeln und produzieren, darunter für Drohnen, Roboter und Security-Anwendungen.

Was kommt als Nächstes?

Lidar

Bild 3: Flex entwickelt gemeinsam mit OEMs kosteneffiziente Lidarlösungen. Flex

In den letzten beiden Jahren gab es eine Reihe signifikanter Fortschritte, weitere Entwicklungen wird es sicherlich geben. Die Branche steht vor einer Konsolidierung, und die Anbieter sind dabei, sich entsprechend zu positionieren. Fahrzeuge werden höchstwahrscheinlich eine Kombination von Technologien nutzen. Dazu gehören Radar, Lidar und Kameras, um das Umfeld entsprechend zu verstehen.

Hersteller werden nur dann erfolgreich sein, wenn sie ihre Kooperationspartner sorgfältig auswählen. Eine offene Herangehensweise gewährleistet, dass die Teams gemeinsam Innovationen entwickeln, mit neuen Technologien experimentieren und in ihrer Nische führend sind. Mit dieser Vorgehensweise wird Lidar zu einem wichtigen Bestandteil von autonomen Fahrzeugen werden.

Djordje Simić

(Bild: Flex)
Senior Connectivity Expert bei Flex

(ku/av)

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