Bild 1.1: Lösung eines Bauraumproblems durch ein im 3D-Druck hergestelltes Adapterstück. Hier zu sehen ist die ursprüngliche Kabelführung.

Bild 1.1: Lösung eines Bauraumproblems durch ein im 3D-Druck hergestelltes Adapterstück. Hier zu sehen ist die ursprüngliche Kabelführung. (Bild: Inotec electronics)

Die meisten additiven Fertigungsverfahren erlauben auch die Gestaltung von Bauteilen mit höchster konstruktiver Freiheit. Diese wiederum lässt sich zur Funktionsintegration oder für Leichtbaulösungen nutzen. Aus diesem Grund sind additive Verfahren in einigen Anwendungsbereichen schon dabei, sich als ernsthafte wirtschaftliche Alternative zu den etablierten Serienfertigungsverfahren wie Guss, Zerspanung und Blechumformung zu etablieren.

Insbesondere das selektive Lasersintern von Metallen eröffnet dabei neue Perspektiven. Die Möglichkeit, eine komplexe Bauteilgeometrie aus einem schwer zerspanbaren, hochfesten Leichtbauwerkstoff prozesssicher herstellen zu können, lässt sich heute insbesondere in der Medizintechnik bei der Anfertigung von Implantaten, aber auch in der Luft- und Raumfahrttechnik, zum Beispiel für die Fertigung von Triebwerksteilen, nutzen.

Additive Verfahren für EMV-Steckverbindungssysteme

Inotec Electronics hat sich frühzeitig mit additiven Fertigungsverfahren befasst und zunächst Prototypen ihrer Steckverbindergehäuse sowie Komponenten für die Kabelanbindung mittels 3D-Druck in Kunststoff hergestellt. Die Problematik war dabei stets, dass die so entstandenen Prototypen zwar für Montageversuche und Bauraumuntersuchungen, jedoch nicht für mechanische Tests unter realistischen Bedingungen und vor allem nicht für eine Untersuchung der Schirmungseigenschaften geeignet waren.

Eckdaten

Die heute verfügbaren additiven Fertigungsverfahren erleichtern EMV-gerechte Gehäusedesigns, bergen Potenzial für Leichtbau und Funktionsintegration und verkürzen die Entwicklungszeit. Beim selektiven Lasersintern von Metallen zur Herstellung von Elektronikgehäusen und Steckverbindungssystemen besteht noch Entwicklungsbedarf im Hinblick auf die eingesetzten Werkstoffe und Oberflächen sowie im IP-Schutz. Aus konstruktiver Sicht repräsentiert die Möglichkeit einer Funktionsintegration der Crimpflanschtechnik von Inotec in beliebige Gehäuse- oder Komponentendesigns den wesentlichen Fortschritt durch additive Verfahren.

Durch das selektive Lasersintern von Metallen steht jetzt ein Verfahren zur Verfügung, mit dem sich voll funktions- und damit auch erprobungsfähige Prototypen direkt auf Basis der 3D Konstruktionsdaten herstellen lassen. Vorteilhaft dabei ist, dass sich so die Entwicklungszeiten verkürzen und Werkzeugkosten einsparen lassen. Außerdem fördert das selektive Lasersintern von Metallen auch die grundsätzliche Bereitschaft in Unternehmen, neue Lösungsansätze bis in das Prototypenstadium zu führen.

Funktionsintegration:  kundenspezifische Sonderlösungen

Eine möglichst durchgängige, metallische Abschirmung stellt nach wie vor den zuverlässigsten Schutz vor elektromagnetischen Störungen dar. Insbesondere die Schnittstelle zwischen geschirmtem Kabel und Endgerät stellt Konstrukteure dabei aber immer wieder vor Herausforderungen.

Bild 1.2: Lösung eines Bauraumproblems durch ein im 3D-Druck hergestelltes Adapterstück. Hier zu sehen ist der durch ein Adapterstück verbesserter Kabelverlauf.

Bild 1.2: Lösung eines Bauraumproblems durch ein im 3D-Druck hergestelltes Adapterstück. Hier zu sehen ist der durch ein Adapterstück verbesserter Kabelverlauf. Inotec electronics

Die von Inotec entwickelte Crimpflanschtechnik hat sich besonders bei vollmetallischen Steckverbindergehäusen als geeignete Lösung für eine robuste und störstrahlungssichere Anbindung geschirmter Kabel etabliert. Bei dieser Technik crimpt man einen metallischen Flansch mit 360°-Kontaktierung an das Schirmgeflecht des Kabels. Der Flansch wiederum bildet einen niederohmigen Massekontakt zu einem vollmetallischen Gehäuse.

Ein wesentlicher Vorteil der Crimpflanschtechnik ist, dass es sich um einen prozesssicher standardisierten Montagevorgang mit hochpräzisen Komponenten handelt. Insbesondere die charakteristische, eng tolerierte Schwalbenschwanzkontur an Gleitstück und Gehäuse, die eine mechanisch robuste und extrem niederohmige Verbindung gewährleistet, erforderte bislang jedoch die Herstellung aller Steckverbindergehäuse im Zinkdruckgussverfahren.

Die im Verfahren des selektiven Lasersinterns herstellbaren Genauigkeiten mit Schichtstärken im Bereich von 0,001 bis 0,2 mm sowie der vertikale Schichtaufbau ermöglichen nun die Integration der hinterschnittigen Schwalbenschwanzkontur in jedes beliebige Gehäuse- oder Komponentendesign ab Losgrößen von ein Stück.

Das Anwendungsbeispiel in Bild 1.1 zeigt, wie sich der 3D-Druck für eine schnelle, kundenspezifische Problemlösung in bereits bestehenden Installationen nutzen lässt. In diesem Fall mussten die Entwickler den Kabelverlauf einer bestehenden Verkabelung an eine begrenzte Bauraumsituation anpassen. Aus EMV-Gründen kam bei der Kabelanbindung die Crimpflanschtechnik zum Einsatz. Mit einem neu konstruierten T-Adapter ließ sich die Ausrichtung der Kabelausgänge um 90° drehen (Bild 1.2). Aufgrund einer relativ geringen Gesamtstückzahl wäre eine Druckgusslösung nicht wirtschaftlich darstellbar gewesen. Die Herstellung eines solchen Adapterteils mit spanabhebenden Verfahren wäre aufgrund der eng tolerierten, teilweise hinterschnittigen Schwalbenschwanzgeometrie nur bedingt realisierbar. Das selektive Lasersintern hat hier eine kurzfristige Lösung des Bauraumproblems ermöglicht, wobei die Gesamtkosten für die Entwicklung und Fertigung der Teile unter denen der konventionellen Herstellverfahren lagen.

Bild 2.1: 25-poliges Sub-D Adaptergehäuse als Serienteil in Zinkdruckguss.

Bild 2.1: 25-poliges Sub-D Adaptergehäuse als Serienteil in Zinkdruckguss. Inotec electronics

Bis zu 50 % Gewichtseinsparung

Die Auswahl an verfügbaren Werkstoffen für das selektive Lasersintern von Metallen ist momentan noch begrenzt. Neben Werkzeugstahl und Aluminium sind insbesondere hochfeste Legierungen wie Hastelloy, Inconel oder Titan verfügbar. Für Gehäuse elektronischer Geräte oder Steckverbindergehäuse und Komponenten zur Kabelschirmanbindung bietet sich Aluminium an. Neben guten Schirmungseigenschaften ermöglicht Aluminium auch eine wesentliche Gewichtsreduzierung im Vergleich zu dem in der Serienfertigung üblicherweise eingesetzten Zinkdruckguss.

In einem weiteren Anwendungsfall hat Inotec, ausgehend von einem 25-poligen Standard-Sub-D-Adaptergehäuse (Bild 2.1), eine Variante mit zusätzlichen Kabelausgängen konstruiert und diese mittels selektivem Lasersintern aus Aluminium gedruckt (Bild 2.2).

Bei nahezu identischer Geometrie der Gehäuseschalen konnten die Entwickler das Bauteilgewicht dadurch um über 50% reduzieren. Während das Seriengehäuse aus Zinkdruckguss 114 g (Gehäuseschale und Deckel, ohne Schrauben) wiegt, bringt es der Aluminium-Prototyp gerade einmal auf knapp 50 g (Diagramm 1).

Bild 2.2: Prototyp eines 25-poligen Sub-D Adaptergehäuses mit zusätzlichen Kabelausgängen, aus Aluminium im 3D-Druckverfahren gefertigt.

Bild 2.2: Prototyp eines 25-poligen Sub-D Adaptergehäuses mit zusätzlichen Kabelausgängen, aus Aluminium im 3D-Druckverfahren gefertigt. Inotec electronics

Vergleichbare Schirmdämpfungseigenschaften

Allerdings stellte sich im Hinblick auf den Werkstoff Aluminium die Frage, inwieweit der Gewichtsvorteil durch Einbußen in der Schirmdämpfung zu erkaufen ist. Um das zu klären, hat Inotec eine Vergleichsmessung an beiden Gehäusen im Aufbau als Sub-D-Adapter vorgenommen.

Dazu verschlossen die Techniker die seitlichen Kabelausgänge mit Blindstopfen und führten eine Messleitung über zwei 25-polige Buchsenleisten mit Crimpkontakten durch das Gehäuse. Die Messung der Schirmdämpfung des Prüflings erfolgte in Anlehnung an DIN 47250-6/01.83, Abschnitt 3.2 (Messung mit Indikatorleitungen).

Als Messgerät diente ein Vektor-Netzwerkanalysator ZVRE mit einer Absorberzange MDS 20 von Rohde & Schwarz. Betrachtet wurde der Frequenzbereich von 300 kHz bis 5 GHz. Die nicht geglätteten Messkurven zeigen nur minimale Unterschiede zwischen der Aluminiumvariante und dem Zinkdruckgussgehäuse (Diagramm 2). Das Dämpfungsverhalten lässt sich also als gleichwertig betrachten.

Fazit und Ausblick

Auch wenn sich die additiven Fertigungsverfahren schnell weiterentwickeln, werden die Stückkosten in absehbarer Zeit noch keine wirtschaftliche Fertigung in großen Stückzahlen ermöglichen. Kleinserienlösungen und Prototypen lassen sich ohne Werkzeug- und Formkosten schnell umsetzen. Die verfügbaren Verfahren ermöglichen somit schon heute eine signifikante Verkürzung der Entwicklungszeiten, erleichtern ein EMV-gerechtes Gehäusedesign und bergen enormes Potenzial für Leichtbau und Funktionsintegration.

Diagramm 1: Gewichtsvergleich identischer Gehäusegeometrien aus Zink-Druckguss und Aluminium.

Diagramm 1: Gewichtsvergleich identischer Gehäusegeometrien aus Zink-Druckguss und Aluminium. Inotec electronics

Speziell beim Einsatz des selektiven Lasersinterns von Metallen zur Herstellung von Elektronikgehäusen und Steckverbindungssystemen besteht noch Entwicklungsbedarf im Hinblick auf die eingesetzten Werkstoffe und Oberflächen sowie im IP-Schutz. Aus konstruktiver Sicht stellt die Möglichkeit einer Funktionsintegration der Crimpflanschtechnik von Inotec in beliebige Gehäuse- oder Komponentendesigns den wesentlichen Fortschritt durch additive Verfahren dar.

Allerdings können sich momentan noch ungünstige Werkstoffpaarungen im Hinblick auf die elektrochemische Spannungsreihe (zum Beispiel Zink/Aluminium) ergeben. Zudem ist die integrierte Crimpflansch-Schnittstelle zwar extrem robust und bietet ein hohes Maß an Störstrahlsicherheit, der IP-Schutz liegt aber maximal im Bereich der Schutzklasse 54.

Diagramm 2: Vergleichsmessung der Schirmdämpfung eines Seriengehäuses in Zink-Druckguss (blaue Kurve) und einem lasergesinterten Aluminiumgehäuse (grüne Kurve).

Diagramm 2: Vergleichsmessung der Schirmdämpfung eines Seriengehäuses in Zink-Druckguss (blaue Kurve) und einem lasergesinterten Aluminiumgehäuse (grüne Kurve). Inotec electronics

Somit können alternative Werkstoffe wie Zink, leitfähige Beschichtungen sowie leitfähige Dichtungssysteme die jetzt schon vielversprechenden Einsatzmöglichkeiten der additiven Fertigungsverfahren bei Elektronikgehäusen und Steckverbindungssystemen erweitern.

 

Martin Danielczick

Inotec electronics

(hb)

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