MSD: Service-Trennschalter

Jede Arbeit und Manipulation an den Hochspannungskomponenten der Fahrzeuge ist unter Umständen lebensgefährlich. Weder Werkstattpersonal bei Wartungs- oder Reparaturarbeiten noch Ersthelfer oder Feuerwehr bei einem Unfall dürfen mit der Hochspannung in Berührung kommen. Ein manueller Service-Trennschalter (MSD)
ermöglicht die schnelle und sichere Spannungsfreischaltung.

Der manuelle Service-Trennschalter (MSD, Manual Service Disconnect, Bild 1) erfüllt zwei grundlegende Funktionen: Zum einen. enthält er die Primär-Absicherung der Hochspannungsbatterie und zum anderen bildet er den Trennschalter, um die Batterie vom Bordnetz abzukoppeln.

Manueller Service-Trennschalter.

Manueller Service-Trennschalter.

Diese zweifache Rolle bringt eine Reihe an Herausforderungen mit sich und führt teilweise zu widersprüchlichen Leistungsanforderungen bei der Integration von Komponenten- und Systemebene.

Das elektrische System eines Elektrofahrzeugs lässt sich in drei Kategorien einteilen (Bild 2): Die erste Kategorie ist das elektrische Stromnetz und dessen Verbindung zum Fahrzeug, die zweite Kategorie die Speicherung, Verteilung und das Management der Energie im Fahrzeug und die dritte Kategorie sind die Verbraucher im Fahrzeug. Der MSD ist dabei mit dem Stromfluss in oder aus der Hochvolt-Batterie (HV-Batterie) zwischengeschaltet. Dies stellt sicher, dass der Hochspannungskreis kontinuierlich abgesichert ist und das gesamte System mit einem einfachen Handgriff am Trennschalter spannungsfrei geschaltet werden kann.

Generelle Entwicklungsanforderungen

Die Anforderungen an einen funktionalen MSD umfassen elektrische, mechanische, ergonomische, umweltbedingte und betriebssicherheitsbedingte Spezifikationen. Um diese Entwicklungsanforderungen zu erfüllen, ist ein interdisziplinäres technisches Know-How notwendig. Folgende Aspekte waren unter anderem bei der Entwicklung des MDS zu berücksichtigen und werden im diesem Artikel erläutert:

•  Einsetzbarkeit bei bis zu 600 V

•  Eignung für bis zu 250 A Dauerbelastung

•  Sicherungswerte von 40 A bis 630 A

•  Auslösezeit von unter 2 ms im Kurzschlussfall

•  Versiegelung des Batteriegehäuses bis 48 kPa

•  Geringe Steckkraft

•  Sichere Trennung der Hochspannung

•  Hohe Zuverlässigkeit

•  Kompakte Baugröße

Integrierte Sicherung

Der Stromkreisschutz und die Entwicklung von Sicherungen sind wesentliche Aspekte der Hochspannungssysteme bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen. Dabei arbeiten zwei Kernprodukte zusammen: der MSD sowie der Hochspannungs-Stromverteiler (Battery Disconnect Unit – BDU). Der MSD beinhaltet die primäre Sicherung für die HV-Batterie und muss hohe Anforderungen erfüllen: häufige Lade- und Entladezyklen ohne versehentliches Auslösen der Sicherung bei gleichzeitiger Sicherstellung einer Auslösezeit von weniger als zwei Millisekunden im Kurzschlussfall. Die BDU enthält die HV-Schaltung und steuert die Ströme von und zur HV-Batterie.

Die von Lear entwickelte Sicherungstechnologie ermöglicht eine sehr kompakte und effiziente Integration der Sicherung in Kontakt- und Stecksysteme. Die Integration kombiniert den Stromkreisschutz und die Trennfunktion in einem einzelnen, für diese Applikation optimierten Bauteil. Der Schutz des Strompfades im MSD wird durch diese spezielle Sicherung erzielt und ist im positiven Batteriepfad in Reihe geschaltet. Wird diese spezielle Steckverbindung entfernt, ist die Verbindung zwischen dem positiven Pol der Batterie und der BDU unterbrochen: das HV-Bordnetz ist von der Batterie getrennt.

Alternativen zu der skizzierten Lösung wären beispielsweise eine Sicherung oder ein Schaltrelais im 12-V-Bordnetz zur Schaltung eines HV-Schützes. Diese Varianten garantieren im Gegensatz zum vorgestellten Ansatz allerdings nicht die Abschaltung der Hochspannung, wenn das Schütz aufgrund eines Kurzschlusses geschmolzen beziehungsweise verschweißt ist – ein sehr wahrscheinliches Resultat einer Entladung aufgrund eines Kurzschlusses im HV-Kreis. Weitere Möglichkeiten, wie ein zweiter Stromkreis für die Ausführung der wichtigsten Sicherheitsfunktionen, führen zu unerwünschter Systemkomplexität und damit zu einem Anstieg möglicher Fehlerquellen. Daher hat sich Lear für die Platzierung der Sicherung zwischen den Batteriezellen und der BDU entschieden.

Kontakte

Um einen einstufigen Steckvorgang erzielen zu können, mussten neue Hochleistungskontakte entwickelt werden, die bei 400 V einer Dauerbelastung von 150 A standhalten, außerdem eine Spitzenleistung von 400 A bewältigen können und gleichzeitig eine geringe Steck- und Ziehkraft erfordern. Lear hat eine zweiteilige 14,5-mm-Kontaktbuchse entwickelt, die sich durch eine hohe Leitfähigkeit und eine hohe Kontaktnormalkraft auszeichnet (Bild 3).

14,5 mm-Hochvolt-Kontakt.

14,5 mm-Hochvolt-Kontakt.Lear

Der Grundkörper besteht dabei aus einer hochleitfähigen Kupferlegierung, während die Stahlüberfeder selbst bei kleinem Öffnungsmaß bereits eine hohe Kontaktkraft sicherstellt und die mechanischen Eigenschaften auch bei hohen Umgebungstemperaturen beibehält. Die Kontaktteile eignen sich auch für die Anwendung in kompakten Verbindungssystemen in der Leistungselektronik oder in Stromverteilern.

Das Design des Kontaktes vereint geringe Steckkräfte, gute elektrische Eigenschaften und eine hohe Anzahl von Steck-Zyklen. Damit ist das System der einzige Trennschalter für HV-Batterien auf dem Markt, der keine zusätzliche Einsteckhilfe benötigt, wodurch weniger Bauraum erforderlich ist.

Themenreihe: Hidden Champions der Elektronik

Hidden Champions
(Bild: Hüthig)

In unserer Themenreihe Hidden Champions der Elektronik widmen wir uns den Komponenten, die selten im Rampenlicht stehen. Denn die Stars einer Platine können  ohne die Hidden Champions an der Peripherie nicht funktionieren. Passive Bauelemente, Kühlkörper, Kabel, Stecker, einfachere Logik-ICs etc. werden immer wieder gern übersehen oder gelten als „langweilig“, sind aber essenziell wichtig. Genau um solche Hidden Champions geht es hier.

HVIL und zweistufige Verrastung

Neben der Entwicklung der grundlegenden Kontaktierungs- und Sicherungstechnologien bestand eine weitere Herausforderung in der Umsetzung einer kompakten zweistufigen Verrastung und eines HVIL-Schaltkreises (High Voltage Interlock). Die zweistufige Verrastung stellt sicher, dass – wenn die Verrastung betätigt und mit dem Ziehen der Steckverbindung begonnen wird –  diese nur bis zur ersten Einrastung gelöst werden kann. In diesem Zustand wird der Überwachungsstromkreis (HVIL) geöffnet, die Hochspannungskontakte bleiben jedoch im Eingriff. Denn der HVIL bildet einen separaten, im MSD integrierten Überwachungsstromkreis, dessen Kontakte beim Ziehen den HV-Kontakten vor-, beim Stecken nacheilen.

Nachdem der HVIL geöffnet wurde, verriegelt sich die zweistufige Verrastung in der Zwischenstellung, wobei die Hochspannungskontakte noch aktiv sind. Da für die Lösung der zweiten Verrastungsstufe ein manuelles Umgreifen erforderlich ist, bleibt genügend Zeit für die Steuerungselektronik, den Hochspannungskreis abzuschalten. Erst mit der zweiten Betätigung der Verrastung lässt sich der MSD vollständig öffnen, da dann sichergestellt ist, dass das Bordnetz spannungsfrei geschaltet ist.

Dieser zweistufige Prozess verhindert außerdem das Auftreten eines Lichtbogens und stellt sicher, dass niemand mit der Hochspannung in Berührung kommt – weder bei der Installation noch beim Öffnen des MSD.

Niederdruck-Umspritzung

Beim MSD kommt das Verfahren der Niederdruck-Umspritzung zur Anwendung, um eine robuste und vollständig versiegelte Ausführung zu erhalten. Die vollständige Versiegelung dient dem Schutz vor Kurzschlüssen und einer Sicherstellung der vollständigen Funktionalität, auch wenn der Schalter vollkommen in einem flüssigen Medium eingetaucht ist. Darüber hinaus  kommt eine Radialdichtung zum Einsatz, um den MSD im gesteckten Zustand vollkommen abzudichten.

Schlussbemerkungen

Die Leistungsfähigkeit von Hybrid- und Elektrofahrzeugen nimmt immer mehr zu. Damit steigen auch die Anforderungen an die Energieverteilung und –steuerung, und die Systemkomplexität erhöht sich. Im Fokus der Automobilindustrie standen bislang vor allem die HV-Batterien. Dabei sind es gerade Innovationen auf der Komponen­tenebene, die zu verbesserter Systemleistung führen und die Kommerzialisierung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen vorantreiben.

Lear verfügt sowohl auf der System- und Komponentenebene für Hybrid- und Elektrofahrzeuge als auch in der Großserienfertigung über umfassende Expertise, um in einem methodischen Entwicklungsansatz Technologielücken auf der Komponentenebene zu identifizieren, deren Umsetzung technische Probleme auf der Systemebene löst. Ein Beispiel dafür stellt der hier vorgestellte manuelle Service-Trennschalter (MSD) dar, der im vergangenen Jahr im Chevrolet Volt in Serie ging.

 

Eric Partington

: ist Director Global Product Strategy Electrical Power Management Systems bei der Lear Corporation

(av)

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