Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei Automobilherstellern in verschiedenen Ländern

US-amerikanische Automobil-Unternehmen sind laut einer Studie von Capgemini führend beim Nutzen von Künstlicher Intelligenz. (Bild: Capgemini)

Die unternehmensweite Umsetzung von Künstlicher Intelligenz verzögert sich in der Automobilindustrie derzeit noch. Die Komplexität bestehender IT-Landschaften, fehlende Genauigkeit und Verfügbarkeit von Daten sowie unzureichende digitale Fähigkeiten verlangsamen häufig noch den technologischen Wandel und eine unternehmensweite Umsetzung (Skalierung) von KI. Die größten Herausforderungen aus technologischer Sicht sehen die von Capgemini befragten Unternehmen bei der Integration bestehender Systeme und Tools (38 Prozent), im mangelnden Wissen und Bewusstsein für Next-Generation-KI-Tools (36 Prozent) sowie fehlenden Trainingsdaten (35 Prozent). Die Ergebnisse der Befragung sind zusammengefasst in der Studie „Accelerating Automotive’s AI Transformation: How driving AI enterprise-wide can turbo-charge organizational value“.

Das Capgemini Research Institute hatte aufbauend auf einer sektorübergreifenden Studie von 2017 eine Befragung unter 500 Führungskräften großer Automobilunternehmen durchgeführt. Folgende acht Länder wurden berücksichtigt: China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien, Schweden und die USA. Ergänzend wurden zudem ausführliche Interviews mit Branchenexperten und Unternehmern durchgeführt.

„Der anfängliche Hype um das Thema Künstliche Intelligenz und die damit verbundenen hohen Erwartungen ist bei vielen Unternehmen einer pragmatischeren Sichtweise gewichen, da sie nun mit der konkreten Umsetzung konfrontiert sind“, sagte Ingo Finck, Vice President Insights Driven Enterprise bei Capgemini Invent und Experte für KI.

Die unternehmensweite Implementierung von KI ist in den vergangenen beiden Jahren nur langsam vorangekommen: Die Zahl der Automobilunternehmen weltweit, die KI umfassend und erfolgreich implementiert haben, ist von 7 auf 10 Prozent gestiegen. Auch die Anzahl der Unternehmen, die einzelne KI-Maßnahmen umsetzen, hat sich nicht wesentlich verändert und liegt heute bei 24 Prozent gegenüber 27 Prozent im Jahr 2017.

Deutlicher fällt allerdings der Anstieg der Unternehmen aus, die keine KI einsetzen – hier hat sich der Anteil weltweit von 26 Prozent auf 39 Prozent erhöht. Der Studie zufolge pilotieren zudem nur noch 26 Prozent der Unternehmen KI-Projekte – gegenüber 41 Prozent im Jahr 2017. Auch in Deutschland ist der Anteil der Automobilunternehmen, die keine KI implementieren von 12 auf 32 Prozent gestiegen – im Gegenzug sank der Anteil der Unternehmen, die KI-Piloten aufgesetzt haben von 52 auf 30 Prozent. Für Unternehmen ist es schwieriger geworden, den Nutzen und den gewünschten Return on Investment in der Pilotphase nachzuweisen (45 Prozent) und die richtige Auswahl der skalierbaren Anwendungsfälle zu treffen (43 Prozent).

25 Prozent der US-Autobauer nutzen KI

Die USA sind bei der Umsetzung von Künstlicher Intelligenz führend – 25 Prozent der Automobilunternehmen implementieren KI unternehmensweit, 25 Prozent selektiv. Großbritannien (14 und 39 Prozent) und Deutschland (12 und 25 Prozent) folgen. Das größte Wachstum innerhalb der untersuchten Länder verzeichnet China, das seinen Anteil an unternehmensweiten KI-Implementierungen im Automobilbereich von 5 auf 9 Prozent fast verdoppelt hat.

Die Studie zeigt, dass die Automobilhersteller im internationalen Vergleich bei der KI-Umsetzung besser vorankommen als ihre Zulieferer und Händler: 14 Prozent der Hersteller implementieren KI umfassend, verglichen mit 4 Prozent der Lieferanten und 4 Prozent der Händler. In Deutschland liegt zudem der Anteil der Händler, die unternehmensweit KI umsetzen, mit 19 Prozent deutlich höher als im internationalen Vergleich.

Automobilunternehmen können ihr Betriebsergebnis um bis zu 16 Prozent steigern, wenn sie umfassende KI-Maßnahmen umsetzen. Um dies zu berechnen wurde ein konservatives und ein optimistisches Szenario anhand eines typischen Top 50 Original Equipment Manufacturer (OEM) entworfen: Das konservative Szenario geht davon aus, dass für OEM eine Steigerung des Betriebsergebnisses von bis zu 232 Millionen US-Dollar möglich ist. Dies entspricht einem Plus von 5 Prozent gegenüber dem derzeitigen Niveau. Im optimistischen Szenario verdreifacht sich der Gewinn auf 764 Millionen Dollar, was einen Anstieg von 16 Prozent bedeutet.

Grafik zu KI-Einführung in Automobilindustrie

Wie Automobilunternehmen laut Capgemini Künstliche Intelligenz einführen sollten. Capgemini

„Mit einer KI-gestützten visuellen Prüfung konnten wir das Verhältnis von False Positives zu den bisherigen Systemen deutlich reduzieren“, sagte Demetrio Aiello, Leiter des KI & Robotics Labs bei Continental. „Ich bin mir sicher, dass sich der vollumfängliche Einsatz von KI so auf die Leistung auswirken würde, dass wir unsere heutige Kapazität nahezu verdoppeln könnten.“

Sämtliche Unternehmensfunktionen profitieren laut Cap Gemini vom Einsatz der KI. Im Durchschnitt wurden der Studie zufolge in der Forschung und Entwicklung (F&E) Produktivitätssteigerungen von 16 Prozent erreicht sowie in den Bereichen Supply-Chain und Produktion/Operations operative Effizienzsteigerungen von 15 beziehungsweise 16 Prozent. Bei der Customer Experience führte die Anwendung von KI zu einer Reduzierung der direkten Kosten von 14 und 17 Prozent in der IT sowie zu einer Verkürzung der Markteinführungszeit um 15 Prozent in F&E und 13 Prozent in Marketing/Vertrieb.

Continental simuliert mit KI Fahrzeug-Tests

Im Rahmen der Studie wurden zudem aktuelle KI-Projekte identifiziert und näher beschrieben. Ein Beispiel ist Continental. Das Unternehmen hat durch eine KI-gestützte Simulation 5.000 Meilen Fahrzeug-Testdaten pro Stunde erzeugt, verglichen mit 6.500 Meilen pro Monat, die zuvor mit physischen Testfahrten zurückgelegt wurden. Weitere Beispiele: Volkswagen modelliert den Fahrzeugabsatz von 250 Automodellen in 120 Ländern mit Hilfe von maschinellem Lernen. Und Mercedes-Benz testet ein KI-Erkennungssystem für die Paketzustellung, das die Fahrzeugladezeit um 15 Prozent reduzieren kann.

„Viele Unternehmen haben verstanden, dass die Umsetzung von Künstlicher Intelligenz kein reines IT-Thema ist, sondern dann erfolgreich ist, wenn sie als multidisziplinäre Transformation verstanden wird“, sagte Ingo Finck. Diese sollte auch Prozessinnovationen, Anpassungen im Geschäftsmodell, gezielte Befähigung und kulturelle Aspekte umfassen. Aber auch die Verfügbarkeit und Qualität der Daten sei ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Die Studie hat zudem analysiert, was Unternehmen, die KI unternehmensweit umsetzen, erfolgreicher macht als andere Unternehmen, und daraus Empfehlungen abgeleitet. Die Scale Champions konzentrieren sich auf Anwendungsfälle mit hohem Nutzen über alle Funktionen hinweg (94 vs. 36 Prozent). Zudem investieren 86 Prozent von ihnen mehr als 200 Millionen Dollar pro Jahr in KI, bei den übrigen Unternehmen liegt der Anteil bei 20 Prozent. Die führenden Unternehmen fokussieren sich zudem gezielter auf den Aufbau ihres KI-Talentpools – dies umfasst die Einstellung von KI-Experten (32 vs. 14 Prozent) ebenso wie die Weiterbildung und Umschulung ihrer Mitarbeiter (25 vs. 8 Prozent) sowie die Kooperation mit KI-Unternehmen (27 vs. 12 Prozent).

Im Vergleich zu den anderen Unternehmen haben sie zudem häufiger einen klaren Governance-Rahmen geschaffen, um KI-Maßnahmen stärker zu priorisieren und zu fördern. Dazu zählen ein zentrales Organ zur Steuerung von KI-Investitionen und ein funktionsübergreifendes Expertenteam aus den Bereichen Technologie, Business und Operations. Schließlich liegen die Scale Champions auch in punkto Unternehmens-IT und beim Thema Datenmanagement weiter vorne als die übrigen Unternehmen.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die Automobilindustrie beim Thema KI an einem wichtigen Punkt steht“, stellte Ingo Finck fest. Auch wenn es eine Reihe von Unternehmen gibt, die KI bereits erfolgreich einsetzen, falle es den meisten Unternehmen noch schwer, sich auf die besten Anwendungsfälle zu konzentrieren. Automobilunternehmen sollten KI nicht als Einzelmaßnahme betrachten, sondern vielmehr als strategische Notwendigkeit für das gesamte Unternehmen. Um auch zukünftig im Wettbewerb bestehen zu können, müssten sie sich jetzt mit Investitionen, der Förderung und Gewinnung von Talenten sowie der KI-Governance beschäftigen.

 

 

(gk)

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