Derzeit starten viele Industrieunternehmen Initiativen, um das Corona-Virus zu bekämpfen.

(Bild: Adobe Stock)

Digitalisierungsschub im Verarbeitenden Gewerbe in Abhängigkeit der Digitalisierungsneigung auf Basis des Industrie-4.0-Readiness-Index. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI)

Digitalisierungsschub im Verarbeitenden Gewerbe in Abhängigkeit der Digitalisierungsneigung auf Basis des Industrie-4.0-Readiness-Index. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI)

Das Fraunhofer-ISI hat die Auswirkungen des Lockdowns im Frühjahr 2020 auf die Produktionsebene von Industrieunternehmen untersucht. An dieser Sonderbefragung zum Thema ‚Folgen der Corona-Pandemie in der Produktion‘ nahmen im Herbst 2020 insgesamt 237 Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes teil. Die kürzlich veröffentlichte Befragung befasste sich unter anderem damit, welche Rolle die Digitalisierung während des Lockdowns spielte und ob die Corona-Krise möglicherweise einen Digitalisierungsschub in der Produktion auslöste.

Die Rolle der Digitalisierung in der Corona-Krise

Zwei Thesen hat das Fraunhofer-ISI in diesem Zusammenhang untersucht:

  • Sind Betriebe, die ihre Produktion bereits vor dem Lockdown im Frühjahr 2020 mit digitalen Techniken ausgestattet hatten, besser durch die Krise gekommen als Betriebe mit traditionellen Produktionsprozessen?
  • Hat die Corona-Krise tatsächlich einen Digitalisierungsschub in der Produktion ausgelöst?

Um diese beiden Fragestellungen zu betrachten, hat das Institut seinen I4.0-Readiness-Index herangezogen, der bereits in zwei vorangegangenen Untersuchungen zum Einsatz kam. Dieser Index nutzt sieben digitale Technologien aus drei Technologiefeldern.

  • I. Digitale Managementsysteme: Das erste Technologiefeld setzt sich zusammen aus ‚Softwaresysteme zur Produktionsplanung und -steuerung‘ und ‚Product-Lifecycle-Management-Systeme‘.
  • II. Drahtlose Mensch-Maschine-Kommunikation: Im zweiten Technologiefeld wird die ‚Digitale Visualisierung‘ mit den ‚Mobilen Endgeräten‘ zusammengefasst.
  • III. Cyber-Physische Produktionssystem- (CPS-) nahe Prozesse: Das dritte Technologiefeld fasst das ‚Echtzeitnahe Produktionsleitsystem‘, die ‚Automatisierung der internen Logistik‘ und den ‚Digitalen Datenaustausch mit Kunden und Lieferanten‘ zusammen.

Auf dieser Basis unterteilt der Index die Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes hinsichtlich ihres Digitalisierungsgrads in drei Hauptgruppen:

  • Die Nicht-Nutzer-Gruppe umfasst alle Betriebe, die keine der sieben digitalen Technologien in ihrer Produktion einsetzen und tendenziell noch auf traditionelle Produktionsprozesse setzen.
  • Die Basisanwender-Gruppe reicht von Betrieben, die lediglich eine digitale Technologie einsetzen, bis hin zu Betrieben, die bereits in allen drei Technologiefeldern digitale Techniken implementiert haben.
  • Die Spitzengruppe bündelt die Vorreiter der digitalen Produktion, die nicht nur in allen drei Technologiefeldern aktiv sind, sondern zugleich auch noch mehrere Techniken einsetzen, die den sogenannten Cyber-Physischen Produktionssystemen nahekommen.

Mit Industrie 4.0 besser durch die Krise?

Die erste These behauptet, dass Betriebe mit einem höheren Digitalisierungsgrad besser auf die neuen Produktionsbedingungen reagieren konnten. Dies lässt sich mit den Analysen des Fraunhofer-ISI nicht bestätigen. Unabhängig vom Digitalisierungsgrad waren die Betriebe gleichermaßen von Produktionseinschränkungen betroffen und zeigten zu rund 60 % Kurzarbeit an. In den drei Gruppen, von den Nicht-Nutzern bis zur Spitzengruppe, lag der Anteil an Betrieben mit Kurzarbeit zwischen 56 und 62 % und damit auf gleichem Niveau. Auch der Anteil an Betrieben, bei denen sich alle Produktionsbeschäftigten in Kurzarbeit befanden, fiel vergleichbar aus zu jenen, bei denen nur Teile der Beschäftigten betroffen waren. Die weitläufigen Einschränkungen wirkten sich folglich unabhängig vom Digitalisierungsgrad der Betriebe gleichermaßen auf die Produktion aus.

Bewirkt die Corona-Krise einen Digitalisierungsschub?

Bei der zweiten These wird davon ausgegangen, dass die Corona-Krise einen Digitalisierungsschub durch zusätzliche Investitionen in digitale Technologien auslöst. Die Abbildung zeigt den Anteil der Betriebe, welche aufgrund der Krise neue digitale Lösungen eingeführt hatten, sowie den Anteil jener Betriebe, die jetzt verstärkt Investitionen in Digitalisierung planen für die drei Hauptgruppen des I4.0-Readiness-Index. Dabei zeigt sich, dass insbesondere Betriebe mit einem höheren Digitalisierungsgrad bereits während des Lockdowns im Frühjahr 2020 neue digitale Lösungen implementierten, um die Produktion aufrecht erhalten zu können. So führte fast jeder zweite Betrieb (49 %) der Spitzengruppe während des Lockdowns neue digitale Lösungen ein, während es bei den Basisanwendern 31 % und bei den Nicht-Nutzern lediglich 24 % waren. Dies zeigt, dass Betriebe, die bereits vor dem Lockdown eine höhere Digitalisierungsneigung hatten, auch eher dazu in der Lage sind, neue digitale Lösungen einzuführen.

Auch bei der Frage, ob Produktionsbetriebe aufgrund der Corona-Krise zukünftig stärker in die Digitalisierung investieren werden, haben die stärker digitalisierten Betriebe die Nase vorn. Insbesondere die Gruppen der Basisanwender (45 %) aber auch die Spitzengruppe (42 %) planen, zukünftig verstärkt in den Bereich Digitalisierung zu investieren. Bei den Nicht-Nutzern sind dies hingegen vergleichsweise geringe 30 %. Bei den geplanten zukünftigen Investitionen veranlasste demnach die Krise insbesondere die Betriebe, die bereits vor dem Lockdown eine größere Digitalisierungsneigung hatten, dazu, in Zukunft noch stärker in die Digitalisierung zu investieren.

Diese Erkenntnisse zur zweiten These lassen folgende Schlüsse zu: Zum ersten ist insgesamt ein breiter Digitalisierungsschub im Verarbeitenden Gewerbe zu erwarten; dies gilt auch für die Betriebe, die bislang weniger auf Digitalisierung setzten. Zum zweiten können Betriebe, die bereits vor dem Lockdown eine höhere Digitalisierungsneigung aufwiesen, auch während der Corona-Krise eher auf digitale Lösungen zurückgreifen. Zum dritten kann infolge der Corona-Krise von einem akuten, aber auch von einem längerfristigen Digitalisierungsschub der Produktion ausgegangen werden.

(dw)

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