Was benötigt ein EMS-Anbieter, um auch weiterhin im harten Wettbewerb bestehen zu können? Um das herauszufinden, hat Essemtec im Jahr 2014 eine Marktstudie in der EMS-Branche durchgeführt, um die eigene strategische Ausrichtung bei seinen Bestück- und Dispenser-Plattformen vorzunehmen. Die Resonanz war vor allem eine: Eine gleiche Plattform, sowohl für die Prototypenherstellung als auch für die Low-Volume- bis hin zur Mid-Range-Volume-Produktion. Weitere Anforderungen waren eine große Feederanzahl, die Bearbeitung von großen Leiterplatten ebenso wie eine angepasste Leistung von 50.000 BE/h in der Linie mit mehreren Modulen und entsprechender Dispensleistung. Das zuverlässig arbeitende System sollte mit einer kleinen Standfläche aufwarten, zudem wenig Wartung erfordern und ein einfaches Nachrüsten hinsichtlich höherer Leistung und Prozesse ermöglichen – und zwar „On the Fly“. Eine offene Plattform für die Integration von Drittanbietermodulen sollte ebenso vorhanden sein wie eine zu Industrie 4.0 kompatible Software.
Wenn aus Puma Tarantula wird
Die anspruchsvollen Anforderungen umzusetzen, gelang Essemtec nun mit der durchdachten Plattform Puma/Tarantula, die während der Productronica 2017 erstmals vorgestellt wird. Für Jürg Schüpbach stellt dies ein Meilenstein in der Unternehmensgeschichte dar: „Essemtec ist die erste Firma, die eine Systemplattform konzipiert hat, die sich einerseits als Bestückautomat für High-Speed-Applikationen, andererseits für das Rapid-Prototyping und darüber hinaus auch noch für das High-Speed-Dispensen einsetzen lässt. Unter Verwendung zusätzlicher Module wachsen die Systeme synchron mit den Kunden in Bezug auf Leistung und Prozesse mit. Damit können wir eine wirkliche All-in-One-Lösung anbieten.“ Den konsequenten Bezug zur Tierwelt erklärt der International Sales & Marketing Manager von Essemtec so: „Die Tier- und Pflanzenwelt zeigt uns immer wieder, mit welch atemberaubender Anpassungsfähigkeit die Natur sich auf verschiedenste Anforderungen der Umwelt einstellen kann. Das inspiriert uns immer wieder.“
Demnach ist Puma der weltweit erste Highspeed-Bestückautomat, der auch für die ultraflexible, schnelle Prototypenentwicklung geeignet ist. Mit einer IPC-Bestückungsleistung von 18.100 BE/h stößt das System in den Mid-Range-Bereich vor. Um die Flexibilität weiter zu steigern, lassen sich bis zu 280 Feeder gleichzeitig einsetzen. „Damit weist Puma in Bezug auf die Maschinenstandfläche die höchste Feederdichte auf“, verdeutlicht Schüpbach. Zudem ist es möglich, Leiterplatten mit Abmaßen von bis zu 1800 mm x 610 mm zu verarbeiten.
Abgesehen von der Handhabung der Bestückungsprozesse kann Puma parallel auch mit bis zu 150.000 dots/h dispensen oder jetten. Wenn alle drei Achsenpositionen ausschließlich für Dispenslösungen belegt werden sollen, verwandelt sich die Plattform zur Tarantula, die fünf Ventiltechnologien zur Verfügung stellt. Alle Köpfe lassen sich im Feld im Plug-and-Play-Verfahren problemlos nach- und umrüsten.
Robuste und zuverlässige Maschinenplattform
Überdacht wurde auch die Maschinenbasis: Die neu eingesetzte Linearmotoren-Technologie, gepaart mit dem Einsatz des Epument genannten Materiales für das Mineralgussgehäuse, erlaubt im Vergleich zu den Vorgängermodellen wie Fox oder Paraquda eine Geschwindigkeitssteigerung von bis zu 52,5 Prozent, verspricht Schüpbach: „Das Mineralgehäuse dämmt Vibrationen in einer Weise, dass wir über viele Gebrauchsjahre hinweg eine hohe, konstante Genauigkeit sicherstellen können.“ Durch den Einsatz von Linearmotoren – anstatt Spindeln und Riemen – verringert sich zugleich der erforderliche Wartungsaufwand und die Bestück- und Dispense-Prozesse lassen sich auf dem gleichen X/Y-System abbilden.
Flexibel und wandlungsfähig
Mit der wandlungsfähigen Systemplattform Puma/Tarantula will Essemtec für Investitionsschutz sorgen, da die Maschinenplattform nach Anforderung mitwächst oder sich anpassen lässt. Auch hinsichtlich der Applikation zeigt sich die Systemplattform flexibel: Der Kunde muss sich nicht auf eine Fertigungsart festlegen – egal ob Prototypen oder Klein- oder Mittelserienfertigung, das Konzept von Puma „All in One“ findet hier Anwendung. Jederzeit anpassungsfähig zeigt sich Puma auch hinsichtlich der Prozesse: Puma lässt sich mit zusätzlichen Dispenserachsen nachrüsten. Erfolgt dies, verwandelt sich Puma in Tarantula und kann mit zusätzlichen Dispenserköpfen ausgestattet werden. Damit finden unterschiedliche Dispensertechnologien in einem Zug ihren Einsatz.
Mit dem konsequent umgesetzten modularen Maschinenkonzept erhöht sich die Flexibilität für den Anwender. Durch den Einsatz von weiteren Bestück- oder Dispense-Köpfen lässt sich die Kapazität problemlos erhöhen oder anpassen. Hingegen sorgen die erhältlichen Optionen für eine höhere Varianz im Maschinenpark, weshalb Jürg Schüpbach anmerkt: „Der Kunde hat eine große Investitionsflexibilität, da heute nur das gekauft werden muss, was tatsächlich benötigt wird. Über die Jahre kann die Plattform mit den Kunden entsprechend mitwachsen – sei es hinsichtlich der Bestückleistung, Technologien und Prozesse.“
Optimierte Software
Hightech wird aber nicht nur in der Hardware eingesetzt. Auch die Software wurde in vielen Punkten optimiert, sodass der Bediener auf dem 21.5 Zoll großen Touchscreen eine klar strukturierte Benutzeroberfläche vorfindet. „Die Bedienung ist dabei so einfach wie bei einem Smartphone“, verspricht Schüpbach. „Die konsequente Umsetzung der Bedienerfreundlichkeit ermöglicht es dem Anwender, sowohl einfache Baugruppen als auch komplexere Projekte mit Mischprozessen oder 2.5D-Applikationen auf der Maschinenplattform zu verarbeiten. Dabei wird er bei jedem Menüpunkt durch die interaktive Kontexthilfe unterstützt.“ Die Online-KPI-Funktion (Key Performance Indicator) analysiert kontinuierlich Maschinenzustände, Parameter, Sensorik, Motoren und Kamerabilder, um für einen reibungslosen Prozess zu sorgen. Dadurch ist es möglich, jederzeit die Effektivität der Systemplattform zu überprüfen und – sollte doch eine Störung auftreten, dann kann der Anwender den Online Remote Service Support von Essemtec abrufen.
Die Falcon genannte Software verfügt über Schnittstellenanbindungen, sodass die Konnektivität in der Produktion sichergestellt wird, sei es für den aktiven Austausch der Prozess- und Produktionsdaten, oder das Ausführung von Befehlen. Das Interface visualisiert in Echtzeit den aktuellen Produktionsdurchlauf und liefert klare Informationen über den momentanen Status der Produktion. Den Anforderungen der Digitalisierung in der Produktion folgend werden die Schnittstellen stets ausgebaut und damit Industrie-4.0-fähig.
productronica 2017: Halle A3, Stand 218
Kubeg bändigt den Puma
Seit mehreren Monaten ist Puma im Beta-Umfeld beim mittelständischen Schweizer Elektronikfertigungs-Dienstleister Kubeg im Testlauf im Einsatz. Im Interview erklärt Kurt Egger, Geschäftsführer von Kubeg, wie sich die Firma im schwierigen EMS-Marktumfeld behauptet und berichtet über seine Erfahrungen mit der Systemplattform Puma von Essemtec.
Das EMS-Umfeld in Westeuropa, aber besonders auch hier in der Schweiz, gestaltet sich schwierig. Wie stellt sich Kubeg dieser Problematik?
Wir mussten uns in den letzten Jahren massiv verändern und uns aktiv immer wieder neu an den Markt anpassen. Ein EMS wie Kubeg muss in der Lage sein, massiv zu investieren und die Abläufe und Prozesse zu automatisieren. Hier ist eine feinfühlige strategische Planung sowie ein entsprechendes Cash-Flow-Management nötig. Diese Hausaufgaben haben wir gemacht. Damit konnten wir die Margen auf einem Niveau halten, das unser langfristiges Überleben sichert.
Ein weiteres Erfolgsrezept ist das Auffinden von Marktnischen. Es gibt viele Start-ups und Kleinfirmen, die unglaubliche Produkte auf den Markt bringen. Diese sind auf einen kompetenten und starken Elektronikfertigungs-Dienstleister angewiesen. Ein Beispiel ist etwa Pettracer. Die Gründer waren davon überzeugt, dass der Mensch seine Hauskatze liebt und daher immer wissen will, wo sie sich befindet. Pettracer erfand daher das GPS-Halsband mit Ortungskonzept über Bluetooth und GPS. Mit dem Handy, Tablet oder Computer sieht man jederzeit, wo sich das Tier befindet. Es kann nicht mehr verloren gehen. Die Firma versuchte in Asien zu produzieren. Die Probleme mit der Qualität und Logistik waren aber zu groß. Schließlich landeten sie bei uns, da hier das Preis-/Leistungsverhältnis und die menschliche Chemie optimal passten. Von der Prototypen- bis zur Massenfertigung von jährlich 30.000 GPS-Halsbändern können wir die Produktion abdecken. Überdies ist die Struktur der Firma sehr entscheidend. Mit unserer hochflexiblen Matrixstruktur mit 30 Mitarbeitenden sind wir superschlank aufgestellt.
Ist der EMS-Markt ein Verdrängungsmarkt?
Die Elektronik hat immer noch ein immenses Wachstumspotenzial. Schauen wir nur was auf dem LED-Markt abgeht. Es gibt so viele neue Ideen bei Start-ups und bei Ingenieurbüros.
Kubeg hat schon seit vielen Jahren Prototypenmaschinen von Essemtec im Einsatz. Mid-Range-Maschinen wurden jedoch von Hanwah, ehemals Samsung beschafft. Warum haben Sie sich bereit erklärt, die neue Prototyp-/Mid-Range-Lösung „Puma“ im Betatest zu untersuchen und herauszufordern?
Seit zehn Jahren produzieren wir auf Essemtec-Bestückautomaten. Vor einem Jahr haben wir in die neue Plattformgeneration investiert und eine Fox bestellt. Wir wachsen stark und werden deshalb in eine neue Linie investieren. Essemtec gab uns die Möglichkeit, eine Alternative im Mid-Range-Bereich zu testen, mit der wir aber auch die Prototypenfertigung effizient fahren können. Zudem ist für uns wichtig, dass das Konzept „expandable in any direction“ wirklich funktioniert. Wir wissen heute nicht, was in drei Jahren auf uns zukommt. Puma bietet viele Möglichkeiten mit uns zu wachsen. Momentan haben wir gerade einen solchen Fall. Ein Kunde hat ein großes Projekt, bei welchem auch das Dispensen zum Einsatz kommt. Normalerweise muss eine EMS ein solch lukratives Geschäft abgeben und riskiert, dass der Kunde eventuell komplett woanders produzieren lässt. Bei der neuen Essemtec-Plattform rüsten wir nun mit der Plug-and-Play-Funktion einen Dispenser nach. Bis jetzt war Dispensen bei uns kein Thema. Nun können wir den Kunden schnell bedienen und halten. Dies nenne ich langfristige Investitionssicherheit.
Was ist Ihr Fazit nach vier Testmonaten in einem hochflexiblen Umfeld, aber auch in der Hochleistungsproduktion?
Die Maschine ist eine echte All-in-One-Lösung und ein technischer Hingucker: Prototypen, Funktionsmuster und Großserien haben unterschiedliche Anforderungsprofile. Puma deckt sie ab und hat zudem auch Dispensprozessmöglichkeiten. Essemtec deckt hier meiner Erfahrung nach als erstes und einziges Unternehmen diesen Bedarf ab. Nur eine Maschinenplattform und eine Datenbank in der Fertigung zu haben und diese vom Leiterplattenprototypen bis zur Großserie einsetzen zu können, steigert die Effizienz ungemein. Dies ist bares Geld.
Was erwarten Sie in Zukunft von Ihren Systemlieferanten?
Der Service und die Maschinenqualität sind das Wichtigste. Die Maschinen müssen Nonstop laufen und ein Ausfall ist immer ein Drama. Ein enges Einbinden des Kunden in die Weiterentwicklung und hören was der Kunde zu sagen hat, sind ebenfalls entscheidend. Mir gefällt die Strategie von Essemtec ausgezeichnet. Die Firma hat gelernt, sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren und auf die Kunden zu hören. Ich bin überzeugt, dass wir zusammen erfolgreich in die Zukunft gehen werden.
Die Fragen stellte Paul Josef von ESS.