
Component based Automation
Die technologische Modularisierung erleichtert die Wiederverwendbarkeit und Standardisierung von Maschinen- und Anlagenteilen. Ziel ist es, nicht für jeden Auftrag “Unikate” herzustellen, sondern aus einem vorhandenen Baukasten die Einzelteile flexibel zur gewünschten Anlage oder Maschine zu kombinieren.
Component based Automation ist ein neues Automatisierungskonzept, das die technologische Modularisierung voll unterstützt. Eine Schlüsselfunktion hat dabei eine neue Engineering-Software nach dem Profinet-Standard, die die bisher nötige Programmierung der Kommunikation zwischen Automatisierungsgeräten und intelligenten Feldgeräten durch grafisches Projektieren ersetzt.
Heutige Automatisierungslösungen für den modularen Anlagen- und Maschinenbau bestehen meist aus einer zentralen Steuerung mit dezentralen, über Feldbus angeschlossenen Ein- und Ausgängen. Die transparente Zuordnung der Anwendersoftware zu den Anlagen- oder Maschinenmodulen wird durch modulare Programmierung der zentralen Steuerung erreicht. Der Nachteil dieser Lösung ist, dass die Inbetriebnahme der einzelnen Maschinen- und Anlagenteile nacheinander erfolgen muss, da nur jeweils ein Inbetriebsetzer zur Zeit auf die Steuerung zugreifen darf.
Ein Fortschritt ist der Einsatz von so genannter verteilter Intelligenz. Das sind Geräte mit ladbarer Funktionalität, beispielsweise Feldgeräte mit SPS-Kern oder Peripheriegeräte mit eigener CPU. Sie ermöglichen es, die Rechenleistung dorthin zu verlagern, wo sie benötigt wird: direkt vor Ort an der Mechanik/Hydraulik/Pneumatik. So lassen sich kleine, überschaubare technologische Module bilden, die schon vorab beim OEM parallel in Betrieb genommen werden können. Automatisierungslösungen mit verteilter Intelligenz sind jedoch komplexer als Lösungen mit zentraler Steuerung, denn sie erfordern aufwändig zu programmierende Datenkommunikation zwischen intelligenten Geräten anstelle der einfachen Anbindung von Ein-/Ausgängen.
Die Lösung liegt in der Anwendung der Software-Komponententechnologie für die Automatisierung. Sie hat sich in der IT-Welt bereits bewährt, um den Datenaustausch zwischen Applikationen unterschiedlicher Herkunft zu ermöglichen. Die gesamte Funktionalität eines technologischen Moduls wird in einer dazugehörigen Software-Komponente abgebildet und gekapselt. Das derart erzeugte Software-Objekt repräsentiert das physikalische Objekt, wie z. B. eine Hubeinrichtung. Der Zugriff auf die Komponenten ist im neuen Profinet-Standard der Profibus Nutzerorganisation (PNO) einheitlich definiert, so dass sich auch Komponenten verschiedener Hersteller wie Bausteine miteinander kombinieren lassen, unabhängig von ihrer Herkunft und der internen Programmierung.
Herstellerübergreifende Sicht auf die Anlage
Profinet umfasst alle Aspekte, die für eine herstellerübergreifende verteilte Automatisierung mit Ethernet und Feldbus erforderlich sind: Kommunikationsprotokolle und anlagenweites Engineeringkonzept. Neben Siemens arbeiten weitere große Systemhersteller wie ABB, Bosch und Moeller im Profinet-Kernteam an der Entwicklung der Profinet-Software. Siemens nutzt Profinet als Grundlage für das Automatisierungskonzept Component based Automation, eine Ergänzung bei Totally Integrated Automation. Das Profinet-Engineeringkonzept sorgt dafür, dass der Datenaustausch zwischen intelligenten Geräten von verschiedenen Herstellern auf Applikationsebene vereinfacht wird, und ist für den Anwender der Schlüssel zu deutlichen Einsparungen bei den Engineeringkosten.
Kommunikation
projektieren statt programmieren
Simatic iMap ist ein Verschaltungseditor nach dem Profinet-Standard. Mit Simatic iMap erfolgt die Projektierung von verteilten Automatisierungslösungen genauso einfach wie bei Lösungen mit zentraler Intelligenz. Der Anwender arbeitet mit technologischen Begriffen wie z. B “Fördern” oder “Heben”. Die gesamte Applikation wird mit technologischen Begriffen strukturiert, das erleichtert die Verständigung zwischen Technologen und Programmierern. Simatic iMap unterstützt das Prinzip des modularen Anlagen- und Maschinenbaus durch ein komponentenbasiertes Software-Modell. Jedes physikalische Objekt wird durch eine Software-Komponente (Objekt) repräsentiert. Die Software-Komponenten werden in einer technologischen Bibliothek abgelegt und verwaltet. Sie sind nach dem Bausteinprinzip beliebig kombinierbar und wiederverwendbar. Die Kommunikationsbeziehungen zwischen den Software-Komponenten und somit mit den intelligenten Geräten werden grafisch projektiert, ohne dass Programmierkenntnisse oder Detailkenntnisse zu den Kommunikationsaufrufen und deren Einbindung ins Anwenderprogramm erforderlich sind. Dazu werden die technologischen Ein- und Ausgänge (Component Interface) durch Ziehen von Linien miteinander verbunden. Die Kommunikationsbeziehungen können schneller und einfacher angepasst werden im Gegensatz zur bisherigen aufwändigen Ausprogrammierung im Anwenderprogamm. Dies kann beispielsweise während der Inbetriebnahme gemacht werden, ohne dass in die interne Programmierung der Anlagen- und Maschinenmodule eingegriffen werden muss. Die Komponenten aus der Bibliothek können in einem Projekt mehrfach verwendet werden, je nachdem, wie oft das entsprechende Modul in der Anlage in identischer Form vorkommt (Wiederverwendung von Bibliothekselementen). In der “Netzsicht” wird die gesamte Topologie der projektierten Anlage grafisch dargestellt mit den verwendeten Bussystemen und der Vergabe der Busadressen für die Geräte. Änderungen, die in der Netzsicht vorgenommen werden, verändern nicht die Datenverbindungen auf Applikationsebene, die in der Anlagensicht festgelegt wurden. Es können Geräte von unterschiedlichen Herstellern kombiniert werden, wie dies in der Feldebene üblich ist. Über die offene Schnittstelle lassen sich alle Profinet-fähigen Geräte als Bibliothekselemente in Simatic iMap einbinden. Die Automatisierungs- und Feldgerätehersteller müssen lediglich ihre Programmier- und Konfiguriertools um die neue Funktion “Profinet-Komponente erzeugen” erweitern. Simatic iMap generiert aus der Engineering-Information konsistente Daten für die Kommunikation, die per Mausklick in die Geräte geladen werden. Die Installation der gerätespezifischen Programmier-Tools ist dafür keine Voraussetzung. Automatisches Generieren aller Variablen, die für Visualisierungssysteme oder den Zugriff aus Office-Anwendungen benötigt werden (OPC-Tag File). Die gesamte Kommunikation der Maschine/Anlage kann direkt online in Simatic iMap getestet und diagnostiziert werden.
Erstellen der Komponenten
Der Anwender (OEM) programmiert zuerst die Anwendersoftware für die technologischen Module genau wie bisher. Dafür können beliebige Werkzeuge verwendet werden, beispielsweise Step 7, S7-Graph oder S7-SCL. Vorhandene Programme können weiter genutzt werden, genau wie das bestehende Know-how von Programmierern, Inbetriebsetzern und Service-Personal. Die Programmierung der Kommunikation entfällt jetzt natürlich. Dann wird die technologische Schnittstelle mit den Ein- und Ausgängen der Software-Komponente festgelegt. Anschließend wird die komplette Anwendersoftware des Gerätes gekapselt, bei Step 7 wurde dazu der neue Menüpunkt “Profinet-Komponente erzeugen” integriert. Die Profinet-Komponente mit ihrer dazugehörigen Datenablage wird in in Form einer XML-Datei beschrieben, die in Simatic iMap importiert werden kann.
IT-Standards nutzen
Component based Automation mit Profinet setzt auf die führenden Netzwerke in der Automatisierung, Industrial Ethernet und Profibus. Dabei ist Ethernet ein “Muss”, der Einsatz von Profibus als unterlagerter Feldbus beispielsweise für Echtzeitaufgaben ist dagegen optional. Die Geräte am Ethernet müssen über die neue Profinet-Software verfügen.
Die bisherige Lücke eines Ethernet-Standards für die herstellerübergreifende Kommunikation auf Anwenderebene wird durch Profinet geschlossen. Basis ist COM/DCOM von Microsoft, das am weitesten verbreitete Kommunikationsmodell der Office-Welt. Es erlaubt den dynamischen Aufbau der Kommunikation zwischen den technologischen Komponenten und erleichtert überdies den direkten Zugriff aus PC-Anwendungen der MES-Ebene (Planning & Execution) heraus auf die Prozessdaten. So unterstützt Profinet auch die von Endanwendern geforderte vertikale Integration zur Optimierung der betriebsinternen Prozesse.
Der OPC-Zugriff (OLE for Process Control) auf Daten der Feldgeräte über Ethernet z. B. für Visualisierungssysteme und für den Zugriff aus Standard-PC-Applikationen ist ebenfalls Bestandteil von Profinet. In der nächsten Stufe wird Profinet um Echtzeit-Funktionen erweitert werden, die alternativ zur Kommunikation über COM/DCOM genutzt werden können. Auch die Integration von Web-Technologien wird in den Profinet-Arbeitsgruppen behandelt.
Intelligente Feldgeräte am Profibus können für Component based Automation direkt genutzt werden, ohne dass Anpassungen an den Geräten nötig sind. Einzige Bedingung: die Programmiersoftware für diese intelligenten Geräte muss dem Profinet-Standard entsprechen. Das bedeutet, dass aus der Anwendersoftware des Feldgerätes eine Software-Komponente gebildet werden kann und für Simatic iMap in Form der nach Profinet standardisierten XML-Datei bereitgestellt wird. Bei Step 7 erzeugt der User die Komponenten per Mausklick. Die dezentralen Peripheriegeräte Simatic ET 200X und ET 200S mit eigener CPU werden mit Step 7 programmiert und können daher sofort für Component based Automation als “verteilte Intelligenz” genutzt werden. Bei der Verschaltung der Komponenten mit Simatic iMap zur Projektierung der Kommunikationsbeziehungen braucht sich der Anwender nicht darum zu kümmern, ob die Geräte an Ethernet oder an Profibus angeschlossen sind. Die Datenverbindungen werden in Simatic iMap bussystemunabhängig festgelegt. Die Projektierung des Netzwerkes mit Ethernet und Profibus ? einschließlich der Festlegung der Busadressen für die einzelnen Geräte ? erfolgt getrennt davon in der “Netzsicht” von Simatic iMap. Die physikalische Verbindung zwischen den Profibus-Segmenten und dem Ethernet-Netzwerk erfolgt über Geräte mit Profinet-Stellvertreterfunktion (Proxy). Diese Proxy-Geräte arbeiten als Master am Profibus und können beispielsweise als SPS, PC-based Control oder als Link für den Netzübergang realisiert werden. Geräte-Hersteller können dazu vorhandene Geräte um die neue Funktion “Profinet-Proxy” erweitern. Die Profinet-Software, die den Mitgliedern der PNO zur Verfügung gestellt wird, umfasst auch die Proxy-Funktion.
Der Profinet-Proxy ermöglicht als Profibus-Master die Kommunikation der Profibus-Teilnehmer untereinander ohne Änderung der Protokolle. Für die intelligenten Geräte am Profibus arbeitet er außerdem als Stellvertreter, so dass sie aus Sicht des Engineering oder anderen Ethernet-Teilnehmern genauso gehandhabt werden können, als ob sie direkt an Ethernet angeschlossen sind. Dieses Proxy-Konzept ist der Schlüssel dafür, dass Profibus-Geräte und -Protokolle unverändert weiterverwendet werden können. Es bietet darüberhinaus auch die Basis, andere Feldbusse an Ethernet anzukoppeln. Dazu müsste ein Profinet-Proxy als Netzübergang zwischen Ethernet und dem gewünschten Feldbus entwickelt werden.
Bestehende Anlagenteile, die mit Profibus vernetzt sind, können in Component based Automation Anwendungen mit Ethernet eingebunden werden. Dazu muss der vorhandene Profibus-Master mit einer Ethernet-Anschaltung nach dem Profinet-Standard ergänzt werden. Für die Simatic S7-300 gibt es beispielsweise eine Ethernet-Anschaltungsbaugruppe mit Profinet-Kommunikationsfunktionen, die für die Einbindung vorhandener Profibus-Segmente in Component based Automation und Ethernet genutzt werden kann. An der vorhandenen Anwendersoftware müssen nur wenige Anpassungen vorgenommen werden, wenn sie mit Step 7 erstellt wurde. Aus der gesamten Software, die auf dem Profibus-Master läuft, wird eine Software-Komponente generiert. Dabei wird vom Anwender auch die Komponenten-Schnittstelle festgelegt mit den Ein- und Ausgaben, die für den Datenaustausch mit den “neuen” Teilnehmern am Ethernet benötigt werden (neue Anlagenteile, Visualisierung, Office-Anwendungen). Das gesamte vorhandene Profibus-Segment bildet eine einzige Software-Komponente. Dieser Migrationsweg dient dem von Anwendern geforderten Investitionsschutz und ermöglicht die Erweiterung von bestehenden Anlagen mit Anbindung an Ethernet, ohne dass die vorhandenen Anlagenteile komplett neu ausgerüstet werden müssen.
Geräte für
Component based Automation
Für Component based Automation können alle Profinet-Geräte für Ethernet sowie alle Profibus-Geräte eingesetzt werden. Das Spektrum von Siemens A&D umfasst derzeit neben dem bereits beschriebenen Engineering Tool Simatic iMap weitere Produkte, die sich seit Sommer 2001 im praktischen Feldeinsatz in ausgewählten Anwendungen befinden:
? Simatic Net IE/PB Link als kom- pakter Netzübergang zwischen Industrial Ethernet und Profibus.
? Profinet-Kommunikationsprozes- sor Simatic Net CP 343-1 PN zum Anschluss der Simatic S7- 300 an Ethernet (beide verfügen über die Profinet Proxy-Funktion).
? PC-based Control Simatic WinAC Basis mit Software-SPS.
? Dezentrale Peripheriegeräte mit ei- gener CPU Simatic ET 200X und ET 200S als intelligente Feldgerä- te am Profibus.
? Profinet OPC Server für den Zu- griff von PC-Applikationen aus auf Daten in Profinet-Geräten.
? Visualisierungssoftware Simatic ProTool/Pro für den Einsatz in Pro- finet-Anwendungen.
Siemens
Tel. (05) 17 07-22539
automatisierung@siemens.at
http://www.automatisierung.at