In einem Video Anfang Oktober 2020 diskutierten Roboterspezialist Werner Hampel und Christoph Ryll, Sachverständiger für Maschinen und Robotersicherheit, über die aktuell geltenden Roboternormen – die aber bereits fast zehn Jahre alt sind. Für die Zukunft erhofften sich beide, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen mehr Unterstützung bei den Normen bekommen oder – noch besser – sogar einen neuen Verband. Diesen Wunsch haben Sie zusammen mit anderen nun umgesetzt und den Deutschen Robotik Verband gegründet.
Herr Schmid, Was waren die Hintergründe, die Sie dazu veranlasst haben, den Deutschen Robotik Verband zu gründen.
Helmut Schmid: Die Gründer bewegt neben ihrer Begeisterung für die Automatisierungstechnik allgemein vor allem die Idee, den Standort Deutschland und Europa durch den Einsatz von einfachen Roboterlösungen attraktiv zu halten und zukunftsfähig zu machen.
Welchen Anspruch verfolgt der Verband?
Helmut Schmid: : Zum Selbstverständnis des Verbandes gehört unbedingt die neutrale Beratung. Dazu beitragen soll die Webseite „robotikverband.de“, die einen Überblick über die aktuellen Schwerpunkte gibt. Ein hohes Maß an Agilität soll jungen Unternehmen den Einstieg in die Robotik erleichtern und junggebliebenen Unternehmen neue Wege aufzeigen. Wenn dann ein KMU-Unternehmer den Einsatz eines Roboters etwa so kommentiert „Warum bin ich da nicht schon früher drauf gekommen“, wäre ein Ziel sicher erreicht.
Wie entwickelt sich die Mitgliederanzahl und welche Projekte planen Sie für 2021 beziehungsweise in 5 Jahren?
Olaf Gehrels: Der Verband ist gerade erst gegründet und dabei, sich bekannt zu machen, ein Startup sozusagen. Den Umfang von Projekten müssen wir an unseren derzeitigen Möglichkeiten ausrichten. Da haben wir mehr Ideen als Manpower. Geplant sind beispielsweise Webinare zum Thema Sicherheit und wir haben eine Podcast-Reihe gestartet, in der wir immer wieder Tipps für die Einführung von Robotern in KMU geben. Wenn es Ihren Verlag in fünf Jahren noch gibt, werden wir hier berichten.
In einer Erklärung, die nicht mehr erreichbar ist, sagen Sie, dass „ausdrücklich KMU eingeladen sind, um der Robotik ihre Stimme zu geben“. Das klingt nach einer indirekten Kritik am VDMA-Fachverband Robotik + Automation.
Olaf Gehrels: Kritik? Aber nein, in keiner Weise. Der VDMA ist als zweitgrößter Industrieverband seit Jahren erfolgreich in der deutschen Industrie und Politik aufgestellt, sodass es vermessen wäre sich hier als Wettbewerb oder sogar als Provokation zu verstehen. Vielmehr reagieren wir der der Gründung des Deutschen Robotik Verband lediglich auf eine Marktentwicklung. Noch vor zehn Jahren war es kaum vorstellbar, dass kleinste und kleine Unternehmen Roboter einsetzen, jedenfalls in der heute möglichen Breite. Kleine Unternehmen sind das Herz der deutschen Industrie, aber 90 Prozent aller wertschöpfenden Tätigkeiten werden heute noch manuell durchgeführt. Aber die Arbeitswelt verändert sich und auch wenn die technischen Hilfsmittel wie Roboter einfacher denn je sind, braucht es Hilfestellung. Wie erwähnt, wir wollen die Robotik der breiten Masse zugänglich machen und hier liegt noch sehr viel Arbeit aber auch Möglichkeiten vor uns. Gemeinsam für die Robotik, gemeinsam für den Standort Deutschland.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem VDMA beziehungsweise dem IFR aus – gibt es überhaupt eine oder ist eine geplant?
Helmut Schmid: Insbesondere im Bereich der Sicherheit von kollaborativen Applikationen, wo der VDMA als Treiber des Normengremiums gilt, wollen wir unterstützen, und zusammenarbeiten, um gemeinsam dieses Thema weiter voran zu bringen. Dabei Abläufe vereinfachen und den zukünftigen Anwendern von Automatisierung den Einstieg zu erleichtern. Da es sich hierbei um eine grundlegende Funktion der Robotik handelt, sind wir überzeugt gemeinsam mit dem VDMA diesen Punkt zu bearbeiten und weiter zu entwickeln, und freuen uns auf regen Gedankenaustausch.
Beim Blick auf die Mitgliederliste fällt auf, dass niemand von den „großen“ Roboterherstellern vertreten ist. Dafür sitzt beim VDMA nach dem Weggang von Herrn Schmid kein „reiner“ Cobot-Hersteller mehr im Gremium. Sehen Sie sich als Verband für Cobots/Mensch-Roboter-Kollaboration?
Helmut Schmid: Nicht nur, aber auch. Uns geht es vor allem darum, Hürden abzubauen und KMU den Einstieg in die Robotik zu erleichtern. Wenn ein Cobot besser geeignet ist für eine Aufgabe und diese Aufgabe in der Gesamtbetrachtung wirtschaftlicher erledigen kann, ist die Wahl doch einfach. Wir sind da ideologiefrei.
Die Tatsache, dass zurzeit noch kein großer Roboterhersteller in unserem Verband vertreten ist, ist für unsere Ziele nicht so relevant. Wir würden uns aber sicher freuen, wenn wir auch von dieser Seite Zuspruch bekämen.
Eingangs wurden die veralteten Normen angesprochen, wie sehen hier Ihre Pläne aus?
Olaf Gehrels: Schauen wir auf die vergangenen zehn Jahre, stellen wir fest, die Welt der Robotik hat sich unumkehrbar verändert. Angefangen mit einem erst belächelten Roboter aus Dänemark, erobern heute Leichtbauroboter in atemberaubender Geschwindigkeit den Markt, eröffnen für den Anwender eine große Vielzahl neuer möglicher Anwendungen, speziell in der Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern. Möglichkeiten, welche im Jahr 2011 noch nicht normiert waren.
Zwei wesentliche Punkte sollte hier berücksichtigt werden; Zum einen müssen auch Richtlinien und Normen immer wieder an die technische Entwicklung angepasst werden. Wenn Sie sich aber die aktuelle Normenlagen ansehen, werden Sie feststellen, dass wir eine DIN EN ISO 10218-1 aus dem Jahr 2012, welche als EN ISO im Jahr 2011 veröffentlicht wurde. Wir haben nun das Jahr 2021 und aktuell kann man die neue DIN EN ISO seit April 2020 als Entwurf beziehen.
Der andere Punkt: was für uns und unsere Zielgruppe mindestens ebenso wichtig ist – muss man mit vorliegenden Normen und Richtlinien auch umgehen können.
Helmut Schmid: Gerade wenn Roboter von KMU in Eigenregie installiert und in Betrieb genommen werden, muss man mit den entsprechenden Sicherheitsfragen und Zertifizierung umzugehen wissen. Maschinelle Bildverarbeitung, innovative Software- und Sensorlösungen, wie auch KI sind in den Startlöchern und werden den Weg von der Kollisionsbehandlung hin zur dynamischen Kollisionsvermeidung weiter voranbringen Keinen Roboter einzusetzen, obwohl es sinnvoll wäre, darf nicht an fehlenden Kenntnissen scheitern.
Deshalb Werbung in eigener Sache; Wir sind dabei, mit Webinaren für Einsteiger in Sachen „Sicherheit und Zertifizierung“ online zu gehen.
Das Interview führte Martin Large, Redakteur all-electronics